Die Geschichte wiederholt sich: Fehlentwicklungen am US-Immobilienmarkt hatten jahrelang Scheinwerte produziert und 2008 beinahe zu einem Kollaps des weltweiten Finanzsystems geführt. Mit dem Segen aus Washington hatten US-Banken an wenig solvente Kreditnehmer („Subprime-Schuldner“) Hypothekenkredite vergeben und so die Hauspreise in den USA in die Höhe getrieben. Die Risiken wurden in hochkomplexen Finanzprodukten versteckt und über die ganze Welt verteilt – bis hin zu deutschen Landesbanken, die bereitwillig kauften.
Charles Plosser, Präsident der Federal Reserve Bank of Philadelphia, war bisher der einzige hochrangige Offizielle aus dem Fed-System, der indirekt eine Mitschuld der amerikanischen Notenbank Fed an der Spekulationsblase am US-Immobilienmarkt eingeräumt hat. „Wir wollen nicht den nächsten Eigenheimboom auslösen“, sagte er vor gut einem halben Jahr in einem Interview mit dem Börsendienst Bloomberg. Doch zu diesem Zeitpunkt im Juli 2013 war die Fed schon längst wieder die treibende Kraft hinter den steigenden Preisen am US-Immobilienmarkt – über ihre Tiefzinspolitik und den Ankauf von hypothekenbesicherten Anleihen (Mortage Backed Securities, MBS) der 2008 unter staatliche Zwangsverwaltung gestellten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac.
Spielball der Investoren und Banken
In der Bilanz der Fed stieg der Bestand an MBS seit 2008 von null auf aktuell rund 1500 Milliarden Dollar. Die Fed ist damit der größte Spieler an diesem Markt. Fast alle neuen MBS-Emissionen landen bei ihr. So sind die Anleihekaufprogramme, im Fachjargon Quantitative Easing (QE), zu einem integralen Bestandteil des amerikanischen Eigenheimmarktes geworden.
Zugleich hat die Fed den Markt zu einem Spielball von Banken und Finanzinvestoren gemacht. Seit der ersten Runde des Quantitative Easing in 2008 gingen rund 30 Prozent aller verkauften Eigenheime an Finanzinvestoren. Private-Equity-Firmen wie Blackstone oder Colony Capital sind groß in das Geschäft mit leer stehenden und zur Zwangsversteigerung angemeldeten Einfamilienhäusern eingestiegen. Im März 2013 etwa kaufte Blackstone für 3,5 Milliarden Dollar 20 000 Einfamilienhäuser und ließ sich eine Kreditlinie über 2,1 Milliarden Dollar für weitere Käufe einräumen. Der massive Einstieg der Großinvestoren beförderte die Preissteigerungen am US-Immobilienmarkt.
Wer glaubte, die Wall Street hätte ihre Giftküchen nach den Erfahrungen der Finanzkrise gereinigt oder gar geschlossen, sieht sich getäuscht. Es wurden weiter hochgiftige Finanzprodukte entwickelt. Dabei werden diesmal – anders als vor 2007 – nicht in erster Linie Immobilien beliehen, sondern flüchtige Mieteinnahmen. Den Anfang machte im Herbst 2013 die Blackstone-Tochter Invitation Homes mit einer Verbriefung von 479 Millionen Dollar an zukünftigen Mieteinnahmen von Einfamilienhäusern (Rental-Home-Verbriefungen).
Als hätte es nie einen Crash gegeben
Und wie in den Zeiten vor der Finanzkrise stürzten sich Investmentfonds, Pensionskassen, Versicherungen und spezielle steuerbegünstigte Immobilienfonds (Real Estate Investment Trust, REITs) auf die extrem riskanten Papiere – als hätte es nie einen Crash der verbrieften Papiere gegeben. Deutsche Landesbanken („stupid german money“) wurden auf dem Markt noch nicht gesichtet, immerhin. Dem Markt für verbriefte Mieteinnahmen wird ein Volumen von 1500 Milliarden Dollar zugetraut. Die Verbriefungen erlauben es den Großspekulanten, ihren Eigenkapitalanteil an den Mietobjekten von üblicherweise 40 Prozent auf 25 bis 30 Prozent zu reduzieren. Der Rest wird über Schulden finanziert. So steigt die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals, und die Fonds können noch mehr Einfamilienhäuser auf Kredit kaufen – und die Preise weiter treiben.
Private Hauskäufer können irgendwann nicht mehr mithalten. Die Finanzinvestoren sind dabei, auf dem Häusermarkt das Kommando zu übernehmen. Gut die Hälfte aller Transaktionen am US-Häusermarkt wickeln inzwischen Großinvestoren oder reiche Einzelpersonen ab. Ende 2012 lag deren Anteil noch bei 18 Prozent. Das billige Geld der Notenbank macht es möglich. Die Erholung des amerikanischen Häusermarktes aber ist eine geldpolitische Illusion. Denn das Überangebot an Häusern wurde nicht abgebaut, sondern ist im Gefolge der Anleihekaufprogramme, die eine immense Liquidität schufen, nur vorläufig vom Markt verschwunden.
Jeder zweite US-Amerikaner ist ein Subprime-Schuldner
Dagegen haben sich Neuanträge auf Hypotheken im Zuge des Quantitative Easing kaum erholt. Sie befinden sich auf dem tiefsten Niveau seit 1995. Der Kreis potenzieller Immobilienkäufer in den USA stagniert seit Jahren. Kein Wunder: Jeder dritte Amerikaner ist aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden oder bezieht staatliche Transferleistungen. Jeder zweite Konsument gehört in die Schuldnerkategorie „Subprime“, weil er mit Ratenzahlungen in Rückstand ist oder gar Privatinsolvenz anmelden musste.
Auch die Anzahl der Häuser, die zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben wird, nimmt wieder zu – im Januar um acht Prozent gegenüber dem Vormonat. Der nationale Durchschnitt weist im Jahresvergleich zwar noch einen Rückgang der Zwangsversteigerungen um 18 Prozent aus. In Kalifornien allerdings, dem wichtigsten Einzelmarkt kamen im Januar 57 Prozent mehr Häuser unter den Hammer als vor einem Jahr. Der viel beachtete Anleiheexperte Jeff Gundlach, Gründer der Investmentfirma DoubleLine Capital, rechnet gar mit einer Rückkehr der Subprime-Krise. Trotz Preiserholung übersteigt bei acht Millionen Einfamilienhausbesitzern die Hypothekenschuld immer noch den Immobilienwert. Jedes fünfte zwangsversteigerte Haus in den USA steht leer und verrottet.
Für eine Neuauflage der Subprime-Krise sorgen könnten allein schon die während der Immobilienhausse aufgenommenen und mit Immobilien besicherten Home Equity Lines Of Credit (HELOC). Gut 220 Milliarden Dollar dieser meist über zehn Jahre laufenden und einst bei Subprime-Schuldnern beliebten Kredite werden in den nächsten vier Jahren fällig. Die monatliche Belastung der Schuldner kann sich anschließend mehr als Verdreifachen. Es baue sich hier eine Welle des Schreckens („Wave of Disaster“) auf, sagt Amy Crews Cutts, Chefvolkswirtin der Kreditagentur Equifax. Bank of America, JP Morgan und Wells Fargo wären von Ausfällen in diesem Segment am meisten betroffen.
Mittelklasse kann sich kein Eigenheim leisten
Der Vertrauensindex der US-Bauträger stürzte im Februar gegenüber Januar von 56 auf 46 Punkte ab. Es war der schärfste, jemals verzeichnete monatliche Einbruch. Bei Werten unter 50 Punkten berichtet die Mehrheit der Firmen über schwache Marktbedingungen. Betroffen waren alle drei Komponenten des Index – Verkaufsbedingungen, Verkaufserwartungen und Kundeninteresse. Der scharfe Einbruch wird mit dem strengen Winter begründet. Nur ist von dem vor allem der Osten der USA betroffen. Aber gerade im Westen des Landes war der Einbruch im Teilindex besonders hoch. Dort haben sich die Immobilienpreise extrem stark von den Einkommen abgekoppelt.
Zusammen mit den steigenden Hypothekenzinsen sorgen die deutlich stärker als die Einkommen gestiegenen Häuserpreise dafür, dass potenzielle Hauskäufer sich ihre monatlichen Belastungen kaum noch leisten können.
Der Datenanbieter RealTrac hat Transaktionen in 325 Landkreisen der USA untersucht. Im Schnitt war ein Haus mit drei Schlafzimmern im vierten Quartal 2013 um 21 Prozent teurer als Ende 2012. In einigen Regionen Kaliforniens erreichten die Preiszuwächse 50 Prozent. Damit wird immer deutlicher: Die amerikanische Mittelklasse kann sich kein Eigenheim mehr leisten. Der Anteil der Transaktionen, bei denen die Käufer zum ersten Mal ein Haus gekauft haben, ist inzwischen auf 27 Prozent aller Immobilienkäufe gefallen. Im langjährigen Durchschnitt lag die Quote bei 40 Prozent.
Mieteinnahmen gehen dramatisch zurück
Mit den Preisen steigen auch die Mieten. Doch auch die können immer weniger Amerikaner bezahlen. Damit gerät die Grundlage für die Verbriefung der Mieteinnahmen und zugleich die Basis der Preiserholung am US-Häusermarkt in Gefahr. Das Researchhaus Morningstar berichtete unlängst über einen dramatischen Rückgang der Mieteinnahmen, mit denen die von der Blackstone-Tochter Invitation Home im Herbst ausgegebenen Rental-Home-Verbriefungen gedeckt sind. Zwischen Oktober und Januar seien die Mieteinnahmen um 7,6 Prozent gefallen. Der Wert einschlägiger Papiere ist teilweise unter den Nennwert gerutscht So hat es bei den Subprime-Papieren auch angefangen.
Reichen die Mieteinnahmen am Ende nicht aus, um die Schulden zu bedienen, oder fallen die Immobilienpreise, dann werden die Verbriefungen toxisch, sprich wertlos. Bei American Homes 4 Rent (AMH), nach Blackstone die Nummer zwei unter den Großvermietern von Eigenheimen und seit August an der Börse, hat Finanzvorstand Peter J. Nelson völlig überraschend seinen Abschied angekündigt. Möglicherweise ein Signal, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniert.
Online-Handel bedroht die Malls
Dunkle Wolken ziehen auch am Markt für US-Einzelhandelsimmobilien auf. Zwischen den Jahren 2000 und 2008 boomte dieser Markt noch. Die Verkaufsfläche des US-Einzelhandels vergrößerte sich um durchschnittlich 27 Millionen Quadratmeter pro Jahr. 2013 wuchs die Fläche nur noch um knapp vier Millionen Quadratmeter. Schon während des Baubooms schrumpften die Einzelhandelsumsätze ebenso wie die verfügbaren Einkommen von rund 90 Prozent der US-Bevölkerung. Eine zusätzliche Belastung für den stationären Einzelhandel ist der Siegeszug von Amazon und Co. Das Online-Handelsvolumen hat sich seit 2008 verdoppelt.
In den USA gibt es heute etwa 1100 Shoppingmalls. Das Rückgrat dieser Einkaufstempel sind oft die Filialen von Sears und J.C. Penney. J.C. Penney hat gerade die Schließung von 33 Läden angekündigt, Sears machte seit 2010 bereits rund 300 Filialen dicht. Branchenkenner Michael Burden vom Beratungsunternehmen Excess Space Retail Services rechnet in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit einem Rückgang der Einzelhandelsflächen um ein Drittel bis zur Hälfte. Mit dem Verschwinden von Sears und J.C. Penney bekämen auch auf Shoppingmalls spezialisierte und hoch verschuldete Real Estate Investment Trusts wie Simon Property oder General Growth Properties (GGP) Probleme.
Hedgefondsmanager Bill Ackman hat bereits das Signal zum Ausstieg gegeben. Der Chef von Pershing Square Capital gilt als Kenner von Einzelhandelsketten wie Sears und J.C. Penney und als Spezialist für Einkaufszentren. Sein acht Milliarden Dollar schwerer Fonds war vor vier Jahren an der Rettung von GGP beteiligt, mit einem Kapitaleinsatz von 60 Millionen Dollar. Der zweitgrößte Eigentümer von Shoppingmalls stand damals vor dem Bankrott. Jetzt hat sich Ackman bei GGP wieder verabschiedet, mit einem Milliardengewinn.
Privatanleger, die auf einen Einbruch am US-Immobilienmarkt wetten wollen, müssen das indirekt tun. In unserer Chartgalerie haben wir Shortzertifikate auf Aktien von US-Hausbauunternehmen, Banken, REITS und Einzelhandelsketten aufgelistet. Mit ihnen wetten Anleger auf fallende Kurse.
Noch ist es vermutlich zu früh, die Papiere zu kaufen: Vor der ersten US-Subprime-Krise wurde mehrere Jahre gewarnt, bis sie dann, dafür aber um so heftiger, 2007 ausbrach. Anleger sollten den Markt auf dem Radar behalten. Und bei einer Zuspitzung der Krise schadet es sicher nicht zu wissen, auf welche Produkte dann zu setzen ist.