US-Wahl belastet Aktienkurse Dax gerät in Turbulenzen

Mit dem ersten Handelstag im November erfolgte der Startschuss für die beste Börsenphase. Doch der Dax hat an den ersten Tagen 300 Punkte verloren. Kommt es noch zu einer Jahresendrally? Worauf Anleger achten sollten.

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Die Unsicherheit bei der US-Präsidentenwahl schlägt sich auch auf den deutsche Aktienmarkt durch. Quelle: dpa

Für Statistikfreunde ist die Lage am deutschen Aktienmarkt klar: In den vergangenen 20 Jahren legte der Dax im November mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent zu, die Durchschnittsperformance liegt bei rund drei Prozent, haben Franz-Georg Wenner und Andreas Karl Büchler von Index-Radar nachgerechnet.

Gerade in jüngerer Vergangenheit ist ihren Untersuchungen zufolge das Phänomen der Jahresendrally stärker in Erscheinung getreten. So legte der Dax zwischen 1974 bis 1994 nur in gut 60 Prozent der Fälle im vorletzten Monat zu, die Performance lag bei lediglich 0,6 Prozent. Das letzte große Novemberminus liegt acht Jahre zurück, inmitten der Finanzkrise verlor die Frankfurter Benchmark im November 2008 mehr als zehn Prozent.

Kommt es auch in diesem Jahr zu einem versöhnlichen Jahresabschluss? Das dürfte nach Meinung vieler Experten vor allem vom Ergebnis der US-Wahl abhängen. Denn derzeit kommt die Angst vor einem Wahlsieg des Republikaners Donald Trump zurück. Der Republikaner gilt wegen seiner unklaren politischen und wirtschaftlichen Ziele als unberechenbar.

Das wurde im ersten Halbjahr aus 100.000 Euro
Platz 20: Aktien VenezuelaDie Börse in Caracas ist winzig, nur wenige Aktien sind dort notiert und die Umsätze liegen oft bei nur ein paar tausend Dollar pro Tag. Internationale institutionelle Investoren meiden venezolanische Aktien. Die Inflation im Land galoppiert, der Versorgungsmangel eklatant, die Währung Bolivar ist auf Talfahrt. Anleger, die im Januar 100.000 Euro in den IBC-Index investierten, haben so jetzt nur noch 54.320 Euro. Im Vorjahr hatten sich die Kurse noch mehr als vervierfacht.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 19: Aktien ChinaDie Wirtschaft in China macht Anlegern seit über einem Jahr Sorgen. Die Börse stürzte entsprechend weiter ab. Der Leitindex CSI 300, der die 300 größten Aktien Festlandschinas erfasst, brach um 15,6  Prozent ein. Da gleichzeitig der Yuan zum Euro leicht abwertete blieben Anlegern von 100.000 Euro nur 80.900 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016,  Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 18: Aktien Euro-ZoneDer Jahresauftakt an Europas Börsen war schon ein Horror, dann kam noch das Debakel um den Brexit hinzu. Die Folge: Die Aktien in der Euro-Zone notieren tief im Minus. Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in den Leitindex Euro Stoxx 50 investierte, verfügt angesichts des Minus von 12,3 Prozent jetzt nur noch über 87.670 Euro. Am schlimmsten erwischte es dabei Anleger in Italien – der FTSE MIB 100 Index verlor fast ein Viertel seines Wertes.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: REUTERS
Platz 17: Britisches PfundInvestoren haben die britische Währung nach dem Brexit-Votum regelrecht heruntergeprügelt. Schon vorher litt es deutlich, am Tag nach der Bekanntgabe des Referendums stürzte es dann zum US-Dollar um bis zu knapp 14 Prozent und zum Euro um mehr als acht  Prozent ab. Zur US-Währung liegt das Pfund auf dem niedrigsten Stand seit über 30 Jahren. Zum Euro liegt das Pfund „nur“ auf dem niedrigsten Stand seit rund zwei Jahren. In diesem Jahr wurden aus 100.000 in Pfund angelegten Euro 88.620 Euro.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: dpa
Platz 16: Aktien DeutschlandAuch Aktienanleger in Deutschland hat bislang kein schönes Jahr. Gleich zu Beginn des Jahres stürzte der Leitindex Dax ab. Danach erholte er sich zwar – machte die Verluste vom Jahresanfang aber nie ganz wett. Der Brexit-Schock setzte dem Dax dann erneut zu. Aus 100.000 im Dax investierten Euro sind innerhalb von sechs Monaten nur noch 90.110 Euro geworden.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: AP
Platz 15: Aktien SchweizAuch die Aktien der Schweiz gingen auf Talfahrt. Der Franken legte dabei zum Euro nur ganz leicht zu. Im vergangenen Jahr hatte er kräftig aufgewertet, nachdem die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs für den Franken aufgegeben hatte. Von daher machten Anleger mit Franken in diesem Jahr keine Währungsgewinne. Von 100.000 Euro blieben 91.320 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters
Platz 14: Aktien GroßbritannienDas Brexit-Votum hat der britische Leitindex rasch verkraftet.  Der Leitindex „Footsie“ war zwar am 24. Juni heftig eingebrochen, holte die kurzfristigen Verluste dann aber wieder auf. Trotzdem sind Experten skeptisch, da wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU eine lange Phase der Ungewissheit droht. Dennoch notiert der Footsie auch auf Halbjahressicht 4,2 Prozent im Plus. Da der Euro jedoch zum Pfund kräftig zulegte, machten Euro-Anleger, die ihre Positionen nicht absicherten, einen Verlust von 8,01 Prozent und hatten bei einer Anlagesumme von 100.000 Euro so nur noch 91.990 Euro auf dem Konto.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters

Der Vorsprung von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vor ihrem Rivalen Donald Trump schmilzt derzeit, auch wenn es weiterhin nach einem Sieg der Demokratin aussehe, sagt etwa Commerzbank-Analysten Esther Reichelt. „Doch der Markt erlebt gerade ein Déjà vu - er hat die Turbulenzen am Devisenmarkt nach dem Brexit-Referendum nicht vergessen“, so Reichelt.

Im Juni hatten die Anleger bis kurz vor Bekanntwerden der Ergebnisse den Umfragen vertraut und auf eine Ablehnung des EU-Austritts durch die Briten gesetzt. Seither ist das Pfund Sterling um über zehn Prozent abgestürzt. Das Fazit für Börsianer aufgrund dieser Erfahrung: Es gibt eigentlich nur Gründe, im Vorfeld der Wahlen nicht zu investieren.

Doch die Börsenstimmung, auch Sentiment genannt, sieht das anders. „Das alles wurde von den meisten Anlegern jedoch bereits beherzigt, entsprechend ist die Gefahr eines nachhaltigen Ausverkaufs aus Sicht der Sentimentanalyse relativ gering“, meint Sentimentexperte Stephan Heibel. Er wertet die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2300 Anlegern aus.

Denn viele Anleger haben sich bereits in der vorigen Woche von der Börse verabschiedet. Die Investitionsquote der Anleger in den USA ist nun wieder so niedrig wie vor der Brexit-Entscheidung – passend zur US-Präsidentschaftswahl haben Institutionelle also ihre Engagements zurückgefahren.

Für ihn steckt das Überraschungspotential derzeit also eher auf der Oberseite. Sollte der Ausverkauf nicht heftig erfolgen und anschließend steigende Kurse nach sich ziehen, könnten viele Anleger in Zugzwang geraten und steigenden Kursen hinterher laufen.

Was technische Analysten sagen

Basis der Sentimentanalyse bildet die Überlegung, dass die Masse - so der Grundgedanke der psychologischen Marktbeobachtung - an der Börse stets falsch investiert ist und demnach Geld verliert. Daher gilt es, gegen die vorherrschende Meinung zu handeln. Die Anhänger der Sentimentanalyse versuchen also mit ihrer Hilfe überhitzte Phasen herauszufiltern und entsprechend zu handeln. Dennoch, einfach nach dem Motto zu handeln, Stimmung ist gut - Kurse fallen oder Stimmung ist schlecht - Kurse steigen, wäre etwas zu einfach.

Was aus charttechnischer Sicht für eine Jahresendrally spricht: Die 200-Tagelinie, die den Durchschnittskurs der vergangenen 200 Handelstage abbildet, steigt seit Dezember 2015 wieder. „Das gibt dem Markt einen wichtigen Rückhalt für einen möglichen Ausbruch über 10.800 Punkte“, meint Börsenexperte Anton Riedl.

Charttechnische Analysten versuchen aus dem Vergleich wiederkehrender Kursmuster der Vergangenheit mit aktuellen Chartgrafiken die Weiterentwicklung von Wertpapierkursen und Aktienindizes zu prognostizieren.  Realwirtschaftliche Größen wie die konjunkturelle Entwicklung, Kurs-Gewinn-Verhältnisse oder die Geschäftsaussichten von Unternehmen spielen dabei eine untergeordnete Rolle - anders als bei der fundamentalen Analyse. 

Diese 200-Tagelinie findet aber auch bei konservativen, langfristig orientierten Anlegern Beachtung. Entsprechend waren solche Wendepunkte fast immer langfristiger Natur. So wie Mitte 2012, als die Linie ins Positive drehte. Der Anstieg dauerte zwei Jahre, der Dax kletterte in diesem Zeitraum von 6000 auf 10.000 Punkte. Es gilt die Regel: Ein Dax oberhalb einer steigenden Linie spricht für weiter steigende Kurse. Notiert der deutsche Leitindex unterhalb einer fallenden 200-Tageslinie, dürfte der Index weiter fallen.

Derzeit notiert die 200-Tageslinie bei 10.067 Punkten und damit nur knapp unter einer Marke, die für Charttechniker wichtig ist. Denn seit drei Monaten läuft der deutsche Leitindex in einer Spanne zwischen 10.800 Punkten auf der Ober- und 10.200 Zählern auf der Unterseite. Zwar erreichte der Dax in der vergangenen Woche kurzfristig die Marke von 10.827 Punkten, doch dann setzten wieder Verkäufe ein. Denn das Fundament für einen Ausbruch aus dieser monatelangen Seitwärtsbewegung war zu dünn: Das Handelsvolumen war gering und den Anstieg machten nur wenige Dax-Aktien mit.

Deswegen rückt für technische Analysten nun wieder 10.200 Punkte in den Blickpunkt. Die muss halten, ein nachhaltiger Rutsch unter diese Marke und das Thema Jahresendrally könnte zu den Akten gelegt werden. Zumal sich in wenigen Tagen die wichtige 200-Tagelinie in diesem Bereich befindet. Technische Analysten sind sich einig: Kurse über 10.200 Punkten gefährden das positive Gesamtszenario nicht.

Pessimistisch in Sachen Jahresendrally sind auch die großen Banken eingestellt. Denn die aktuelle durchschnittliche Dax-Prognose von 14 großen Kreditinstituten von Anfang Oktober ergibt laut der Wirtschafts-Nachrichtenagentur Bloomberg einen durchschnittlichen Jahresendstand von 10.576 Zählern - nur knapp über der aktuellen Notierung. Behalten die Banken mit ihren Prognosen im Durchschnitt Recht, wäre es ein verlorenes Börsenjahr. Die wichtigsten Indizes Dax, Euro Stoxx 50 und Stoxx Europe 600 würden das Jahr verlustreich beenden.

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