Verfall der Türkischen Lira Erdogan und die „Zinslobby“

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Türkische Zentralbank erhöhte die Zinsen

Der Konflikt zwischen Erdoğan und der Zentralbank schwelt seit Jahren. Aus Sicht von Konjunkturexperten müsste die Notenbank die Zinsen deutlich erhöhen, um die Inflation in den Griff zu bekommen und den Verfall der Lira zu stoppen. Langfristig würde das Stabilität schaffen, kurzfristig würde das Wachstum aber gebremst. Der mächtige Präsident ist strikt dagegen - und fordert stattdessen Zinssenkungen.

Hinter Experten, die für höhere Zinsen plädieren, sieht Erdogan eine ominöse „Zinslobby“, die sich auf Kosten der Türkei bereichern möchte. Entgegen der gängigen Konjunkturlehre hält Erdoğan hohe Zinsen nicht für ein Mittel gegen Inflation, sondern als deren Treiber. „Diejenigen, die das immer noch mit einer westlichen Geisteshaltung lösen wollen, können uns nicht verstehen“, sagt er.

In diesem Dilemma erhöhte die Zentralbank die Zinsen zwar vor wenigen Tagen, aber nur um 25 Basispunkte auf 12,25 Prozent - zu wenig, um nachhaltig Wirkung zu zeigen. Angesichts der zögerlichen Reaktion der Notenbank sei das Vertrauen in die Institution und in ihre Unabhängigkeit von der Regierung verloren gegangen, bemängelt ein internationaler Bankenexperte in Istanbul.

Erdoğans Einfluss auf die Zentralbank ist nicht der einzige Faktor, der die Märkte verunsichert. Anfang Dezember soll in New York ein Prozess um Verstöße gegen Iran-Sanktionen, um Geldwäsche und um gigantische Schmiergeldzahlungen beginnen. Der iranisch-türkische Goldhändler Reza Zarrab, der Vizechef der halbstaatlichen türkischen Halkbank (Volksbank), Mehmet Hakan Atilla, und der frühere türkische Wirtschaftsminister Mehmet Zafer Caglayan gehören zu den insgesamt neun Angeklagten. Zarrab und Atilla sitzen in den USA in U-Haft.

Der Fall könnte nicht nur zu empfindlichen Geldstrafen für die Halkbank führen. Er hat auch das Potenzial, die angespannten Beziehungen der Türkei zu den USA weiter zu belasten. Zum wichtigsten Handelspartner - der EU - ist das Verhältnis ohnehin schwer lädiert. Besonders gilt das für die wirtschaftlichen Beziehungen zur Bundesrepublik, seit im Sommer im Zusammenhang mit türkischen Terrorermittlungen eine Liste mit 668 deutschen Unternehmen auftauchte, die Investoren nachhaltig verunsicherte. Vor allem der wirtschaftlichen Lage dürfte es geschuldet sein, dass Ankara sich derzeit wieder um bessere Beziehungen zu Berlin bemüht.

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