Unternehmenskenner berichteten, dass die Erleichterung in den E.on-Vorstandsetagen Anfang 2011 deutlich zu spüren war. Die Wirtschaftsprüfer hatten gerade das Reporting der Gesellschaft abgenickt: Der „… Lagebericht … vermittelt insgesamt ein zutreffendes Bild …“ war später in ihrem Bestätigungsvermerk zu lesen. In eben diesem Lagebericht für 2010, Kapitel „Wertmanagement“, blickte E.on stolz auf ein erfolgreiches Jahr zurück: Es „… konnte weiterhin eine positive Wertentwicklung des Konzerns verzeichnet werden… Der Value Added beläuft sich für das abgelaufene Geschäftsjahr auf 2.864 Millionen Euro.“
Dem E.on-Management, dessen Vergütung an Kernvariablen dieses Wertmanagements geknüpft war, dürfte aber wohl etwas Bange vor der Wirtschaftsprüfer-Meinung gewesen sein, denn: 2010 war eigentlich kein gutes Jahr für die Energieversorger. Die Brennelementesteuer wurde beschlossen und Erdgaspreise sowie Stromerzeugungsmargen waren im freien Fall. Der E.on-Aktienkurs sank in diesem Jahr dividendenbereinigt um knapp 17 Prozent. Aktionärsvermögen in Höhe von fast zehn Milliarden Euro wurde vernichtet. E.ons eigene Werteinschätzung ging damit nicht nur in eine ganz andere Richtung, sie lag sogar um mehr als zwölf Milliarden Euro über der des Kapitalmarkts (Fremdkapital-Wertänderungen waren vernachlässigbar).
Damit liegt E.on sicherlich in der Spitzengruppe der beschönigenden Wertbeitrags-Berichte. Ein Einzelfall ist es aber bei weitem nicht. Erst jüngst verkündete beispielsweise BMW für das Jahr 2016 – bei einer um circa fünf Prozent hinter dem Markt liegenden Kursentwicklung – einen positiven Wertbeitrag von mehr als 3,5 Milliarden Euro, direkt unter dem Hinweis: „Ein positiver Wertbeitrag bedeutet, dass ein Unternehmen über die Kapitalkosten hinaus zusätzlichen Wert generiert.“ Diese Liste an Beispielen ließe sich noch beliebig verlängern. Und auffällig ist: In der überwiegenden Mehrzahl der Geschäftsberichte liegt der errechnete Wertbeitrag oberhalb der Aktienperformance – obwohl diese durchaus als annäherndes Maß für die fundamentale Wertänderung eines Unternehmens herhalten kann.

Technisch geht die Wertbeitragsrechnung meist so: Basis ist der Vergleich des operativen Ergebnisses mit der Normalverzinsung des eingesetzten Kapitals in einem Jahr. Die Idee: Wenn das Unternehmen operativ mehr als die Normalverzinsung des Kapitals erreicht, dann wurde Wert geschaffen. Wenn es weniger erreicht, dann wurde Wert vernichtet. Insbesondere zwei Punkte machen diese simple Rechnung zum realitätsfernen Lieblingskind der an guter ausgewiesener Performance interessierten Manager:
Erstens: Das operative Ergebnis eines Jahres fängt nur einen Teil dessen auf, was die tatsächliche operative Performance ausmacht. Mit einem neuen Großkunden konnte ein langfristiger Vertrag geschlossen werden? Die Politik hat das Regulierungsumfeld verschärft? All das sind typische Ereignisse, die sehr wohl den Wert – positiv oder negativ – beeinflussen, aber sich noch nicht im gleichen Jahr in den Unternehmensergebnissen bemerkbar machen. Es werden also in großem Maße wichtige Informationen „vergessen“. Und auch wenn diese Effekte über die Zeit nachgeholt werden: Die periodische Wertmessung verliert dadurch deutlich an Qualität.





Zweitens – und das ist entscheidender: Das eingesetzte Kapital wird systematisch zu niedrig ausgewiesen. Die Benchmark ist damit zu leicht zu schlagen und der ausgewiesene Wertbeitrag in der Folge systematisch zu hoch. Das hängt damit zusammen, dass der Startpunkt für die Ermittlung des eingesetzten Kapitals die Bilanz des Unternehmens ist und unsere etablierten Rechnungslegungssysteme im Zweifel Vermögenswerte lieber nicht auf die Bilanz nehmen. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung? Mühsam aufgebaute gute Kundenbeziehungen? Die Unternehmensmarke? Im normalen Geschäftsverlauf sind diese Werte kaum bilanziell aktivierbar. Die Konsequenzen daraus lassen sich zwar für die Wertbeitragsrechnung theoretisch abmildern, in der Praxis gelingt das aber eigentlich nie. Den Managern kann es nur recht sein.