Verkehrte (Finanz)Welt
Wer gewinnt an der Börse die Oberhand? Die Pessimisten (Bären) oder die Optimisten (Bullen)? Quelle: imago images

Bulle oder Bär: Wer regiert jetzt an den Börsen?

Bärenmarktrallys sind an den Börsen keine Seltenheit. Gemeint ist damit eine Kurserholung im Rahmen einer übergeordneten Abwärtsbewegung. Doch wie geht es weiter? Die aktuellen Marktschwankungen geben Hinweise.

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Erst 40 Prozent nach unten, dann 36 Prozent nach oben. Und das in gerade mal zehn Wochen. Die vergangenen zweieinhalb Monate waren für Dax-Anleger eine regelrechte Achterbahnfahrt. Viele Börsianer stehen jetzt ratlos vor der Frage: Ist das nur eine Bärenmarktrally, also eine kurze Atempause vor den nächsten Kursverlusten? Oder haben die Börsen ihr Tief schon erreicht und die Kursgewinne sind der Auftakt des nächsten Bullenmarktes? Kann die Erholung ausgerechnet im Crash-Monat Mai weitergehen? Oder gilt diesmal mehr denn je: „Sell in May and go away“?

Historische Bärenmarktrallys

Auch wenn keine Krise wie die andere verläuft, können historische Ereignisse doch helfen, das aktuelle Geschehen einzuordnen. Bärenmarktrallys gab es in der Vergangenheit bei praktisch jeder großen Börsenkrise. Gemeint ist damit eine (deutliche) Kurserholung im Rahmen einer übergeordneten Abwärtsbewegung. So stürzte etwa der Dax zwischen September und Oktober 2008 um 39 Prozent ab, um sich anschließend bis November um 32 Prozent zu erholen. Bis zum Tief im März 2009 ging es dann noch einmal 24 Prozent nach unten. Ein weiteres Beispiel: Nach dem Platzen der Tech-Blase und den Terroranschlägen von 9/11 hatte der Dax bis September 2001 stolze 56 Prozent verloren. Darauf folgte eine Erholung um mehr als 50 Prozent. Bis zum endgültigen Tief im März 2003 folgte jedoch ein weiterer Absturz und der Index verlor fast zwei Drittel an Wert.

Noch eindrucksvoller sind die Zahlen bei einem Blick auf die große Depression von 1929. Es war der bislang schwerste Einbruch der US-Wirtschaft. Von 1929 bis 1933 schrumpfte die US-Wirtschaft vier Jahre am Stück. Im ersten Ausverkauf im Jahr 1929 verlor der Dow Jones 48 Prozent an Wert. Es folgt darauf eine
Kurserholung gegen den langfristigen Abwärtstrend von ebenfalls 48 Prozent. Von da an ging es bis ins Jahr 1932 hinein jedoch um sage und schreibe 86 Prozent nach unten.

Die jüngsten Kursgewinne - gegen den durch die Corona-Pandemie ausgelösten Crash-Trend - stechen im historischen Vergleich also gar nicht so sehr heraus. Im Gegenteil: Es wäre eher ungewöhnlich, eine derartige Krise ohne Phasen einer Bärenmarktrally zu erleben.

Was verraten die Schwankungen?

Spannend ist ein Blick auf die Volatilität. Diese misst die Intensität der Schwankungen an den Märkten. Neben der historischen Volatilität (also den tatsächlich berechneten Schwankungen innerhalb einer entsprechenden Zeitspanne) dient uns als Messgröße auch die implizite Volatilität. Diese wird anhand von Optionen berechnet und bildet Erwartungen der Anleger an die weitere Schwankungsbreite der Kurse ab.

Hier hat die aktuelle Krise ein echtes Marktphänomen hervorgebracht: Seit Februar ist die implizite Volatilität für Optionen mit kurzen Laufzeiten höher als für Optionen mit längeren Laufzeiten. Und zwar weltweit. Man spricht hier auch von einer „inversen Volatilitätsstrukturkurve“. Was signalisiert dies? Profi-Anleger rechnen kurzfristig mit weiterhin deutlich erhöhten Kursausschlägen. Simpel ausgedrückt: Die Börsenhändler sind weiterhin im Panikmodus. Während der Finanzkrise nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2007/2008 gab es schon einmal solch eine inverse Struktur. Sie hatte damals acht Monate lang Bestand. Was aufhorchen lassen sollte: Die „Inversität“ ist derzeit streckenweise stärker ausgeprägt, als inmitten des Sturms der damaligen Finanzkrise.

Ausblick: Werden die Bullen vertrieben?

Auf dem Höhepunkt der letzten Finanzkrise, von Oktober 2009 bis März 2009 stand der Volatilitätsindex VDax New durchgehend oberhalb der Schwelle von 35 Punkten. Der auch als Angstbarometer bezeichnete Index misst die implizite Volatilität für den deutschen Aktien-Leitindex Dax. Zum Vergleich: Werte von 20 gelten im historischen Durchschnitt als „normal“. Wie sieht es im Moment aus? Der VDax New hat sich aktuell in jenem Bereich oberhalb von 35 Punkten eingenistet. Ausreißer nach unten gab es nur an vereinzelten Handelstagen.

Die harten Fakten sprechen am ehesten für eine Bärenmarktrally mit anschließenden erneuten Kursverlusten.

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