Verkehrte (Finanz)welt
China öffnet den Markt für Staatsanleihen für ausländische Investoren - der Yuan bzw. Renminbi gewinnt international an Bedeutung Quelle: imago images

Chancen und Risiken chinesischer Staatsanleihen

Lutz Röhmeyer Quelle: PR
Lutz Röhmeyer Finanzanalyst CFA

Nach der bereits erfolgten teilweisen Öffnung des chinesischen Aktienmarktes ist die Öffnung des Marktes für chinesische Anleihen ein weiterer Meilenstein. Welche Chancen und Risiken sich dahinter verbergen.

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Ausgehend von einem anfangs noch vollständig abgeschotteten lokalen Markt vollzieht die weiterhin auf absolute Kontrolle bedachte chinesische Administration kleine Schritte auf einem noch langen Weg bis zu einer möglichen vollständigen Liberalisierung. Perspektivisch soll das ehemals auf Produktion und Export fußende Wirtschaftsmodell mit unfreiem Geld- und Kapitalmarkt bei steigendem Wohlstandsniveau zu mehr inländischem Konsum mit starkem Dienstleistungssektor umgebaut werden.

Über den erzielten Handels- und Leistungsbilanzüberschuss konnten in der Vergangenheit enorme Devisenreserven aufgebaut werden, was China zum Nettogläubiger gegenüber dem Ausland machte. Der lokale Markt wird dabei durch die im Inland praktisch gefangenen Spargelder abgepuffert. So verfügen die chinesischen Haushalte mit 25 Prozent über die höchste persönliche Sparquote weltweit, die nationale Sparquote liegt sogar noch höher bei unglaublichen 46 Prozent.

Mit Blick auf die negativen historischen Erfahrungen von Schwellenländern, die ihren lokalen Markt bereits nach außen geöffnet haben, beispielsweise auf die Asienkrise 1998, vermieden die chinesischen Entscheidungsträger bisher die sogenannten Boom-and-Bust-Zyklen. Diese Episoden von wechselnden starken Kapitalzu- und -abflüssen schadeten der wirtschaftlichen Entwicklung der betroffenen Länder erheblich.

In China konnten früher weder ausländische Gelder ungehindert investiert werden, noch konnte inländisches Kapital aus dem Land herausströmen. In den vergangenen Jahren jedoch ist der Zugang zum chinesischen Markt für lokale Anleihen für Anleger erheblich einfacher geworden.

Bis vor nicht allzu langer Zeit mussten internationale Investoren langwierige, komplizierte und kostenintensive Genehmigungsprozesse durchlaufen, um knappe chinesische Staatsanleihen mit den damit verbundenen lokalen Marktrisiken vor Ort über die Clearingstelle abwickeln zu können.

Zweitgrößter Anleihenmarkt nach USA

Erst mit der Einführung des Bond Connect Programms im Jahre 2017 erhielten ausländische Anleger einen direkten, genehmigungsfreien Zugang zu chinesischen Staatsanleihen über die Börse Hongkong. Damit wurde der Grundstein dafür gelegt, dass lokale chinesische Anleihen Voraussetzungen für die Aufnahme in Indizes erfüllten. Nachdem der Barclays Global Aggregate Bond Index im Jahre 2019 chinesische Papiere mit einem Gewicht von sechs Prozent aufnahm, werden nun sowohl FTSE mit dem World Global Bond Index als auch J.P. Morgan mit ihren Indizes nachziehen.

Mit einem Gegenwert von mehr als 13 Billionen US-Dollar bilden die chinesischen Staatsanleihen inzwischen weltweit den zweitgrößten lokalen Markt nach den USA. Das entspricht auch ihrem volkswirtschaftlichen Anteil von etwa 20 Prozent an der Weltwirtschaft.

Ausländische Zinsinvestoren besitzen aufgrund der bislang geltenden Zugangsbeschränkungen nur rund 2,5 Prozent des chinesischen Anleihemarktes und haben plötzlich ein massives Untergewicht. In der im Februar 2020 begonnenen zehnmonatigen Aufnahmephase chinesischer Anleihen in die J.P. Morgan-Indizes wird jeweils ein Prozent pro Monat aufgebaut, bis das maximale Zielgewicht von zehn Prozent erreicht ist. Allein dadurch werden Zuflüsse in Höhe von 250 bis 300 Milliarden US-Dollar in chinesische Staatsanleihen erwartet.

Die Grafik zeigt den Verlauf der Rendite für zehnjährige chinesische Staatsanleihen. Stand: Februar 2020; Quelle: Bloomberg Quelle: WirtschaftsWoche Online

Folgen für den Index

Zunächst einmal ist die Aufnahme chinesischer Staatsanleihen in den J.P. Morgan Government Bonds Index für Anleihen der Schwellenländer zu begrüßen. Der Index gilt in seiner globalen, diversifizierten Variante als Benchmark der Finanzindustrie für die Abbildung der Anlageklasse Anleihen in Lokalwährungen. Dennoch ist der Index mit den dann nur 19 Ländern, die berücksichtigt werden, und einer maximalen Gewichtung der großen Märkte von zehn Prozent immer noch stark risikogeklumpt. Die Aufnahme Chinas mit einem Anteil von dann zehn Prozent ändert relativ wenig an der Gewichtung der Top 5 mit summiert 47,7 Prozent (vorher 48,2 Prozent) oder der Top 10 mit zusammen 80,9 Prozent (vorher 81,7 Prozent).

Um für das neue Schwergewicht China im Index Platz zu schaffen, werden die Gewichtungen anderer Länder wie Thailand, Polen, Südafrika oder Russland um etwa ein Prozent reduziert. Kleinere Länder wie Ungarn, Tschechien oder die Türkei reduzieren sich um ein halbes Prozent. Kaum Auswirkungen hat dagegen die Aufnahme chinesischer Papiere auf die anderen an der oberen Kappungsgrenze von zehn Prozent liegenden Anleihen Brasiliens und Mexikos. Gleiches gilt für die minimal gewichteten kleinen Indexteilnehmer Philippinen, Dominikanische Republik oder Uruguay. Oft lassen Anbieter diese Indexteilnehmer sogar ganz weg, weil ihre Gewichtung von unter einem Prozent vernachlässigt werden kann.

Die vom Markt als relativ gut eingeschätzte Bonität mit dem A-Rating bewirkt, dass sich die durchschnittliche Kreditqualität des Index mit seinem derzeitigen Durchschnitt von BBB verbessert. Die Staatsverschuldung Chinas lag zuletzt bei vergleichsweise moderaten 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wobei der Großteil im Inland gehalten wird und nur 13 Prozent des BIP an externen Verbindlichkeiten aufgelaufen sind. Aufgrund der administrativen Kontrolle schwankt der tiefe und hochliquide chinesische Anleihemarkt im Vergleich zu den vollkommen freien Märkten anderer Schwellenländer noch relativ wenig. Folglich reduzieren sich auf Indexebene auch die Volatilität und das Risiko der Illiquidität.

Die Grafik zeigt den Verlauf der chinesischen Währung Renminbi gegenüber dem US-Dollar. Stand: Februar 2020; Quelle: Bloomberg Quelle: PR

Ablaufrendite sinkt

Einhergehend mit der gefühlt dazugewonnenen Sicherheit sinkt jedoch die jährliche Ablaufrendite des Index, da chinesische Anleihen weniger als drei Prozent Rendite bieten, gegenüber dem jetzigen Indexdurchschnitt von rund fünf Prozent. Für aktive Asset Manager, die sich nicht oder nur wenig an den Vorgaben eines Index orientieren, bieten sich dadurch bessere Möglichkeiten, Outperformance, also höhere Erträge, zu erzielen.

Die Indexaufnahme Chinas kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Investoren auf eher hohen Niveaus in den Markt eintreten müssen. Wie die nachfolgenden Schaubilder zeigen, liegt die jährliche Rendite der Anleihen aktuell bereits unter dem langjährigen Durchschnitt. Die Prämie ist nur noch relativ gering, vor allem, wenn man die Wechselkursrisiken bedenkt – zumal der chinesische Yuan nach der vorläufigen Beilegung des Handelsstreits mit den USA schon aufgewertet hat. Trotz des dramatischen Verlaufs der Coronakrise ist die Währung von den wirtschaftlichen Folgen der Entwicklung bisher weitgehend verschont geblieben, nicht jedoch die Anleiherenditen, die weiter abgesunken sind. Denn zur Stützung erfolgte eine geldpolitische Lockerung beim Zins und der Liquidität. Die zu erwartenden Kapitalzuflüsse werden beide Trends zum Nachteil der Indexinvestoren weiter verschlechtern.

Die Grafik zeigt den Verlauf der chinesischen Inflation. Stand: Februar 2020; Quelle: Bloomberg Quelle: PR

Steuerung des Wechselkurses

Die Ausfallrisiken von chinesischen Staatsanleihen erscheinen gemessen an der Bonitätsnote und den historischen Kursschwankungen als eher gering. Dennoch bleibt die Gefahr von Kapitalverlusten für ausländische Investoren im Fall von Währungsabwertungen.

Bisher war es Chinas Politik, wenn eigene Exportgüter durch Verhängung neuer Zölle teurer wurden, über kompetitive Währungsabwertungen in genau dem gleichen Maße einen Ausgleich zu schaffen. In Hartwährung gerechnet blieben die Waren für den Importeur somit praktisch auf dem gleichen wettbewerbsfähigen Preisniveau. Da zu erwarten ist, dass der Handelsstreit auch nach den diesjährigen US-Präsidentschaftswahlen ein Thema bleiben wird, ist eine Abwertung des Yuans nicht unwahrscheinlich.

Unklar ist zudem die Zukunft der im Inland eingesperrten Sparguthaben der zunehmend wohlhabenden chinesischen Bevölkerung. Sollte sich auch hier eine Liberalisierung einstellen, fließen Gelder aus China ins Ausland. Der chinesische Yuan könnte dadurch weiterem Druck ausgesetzt werden.  

Die Inflation beläuft sich in China derzeit auf mehr als fünf Prozent, was wiederum die Realrendite, also die Differenz aus Zinsen und Inflationsrate, deutlich in den negativen Bereich drückt.

Ein solches Szenario ist grundsätzlich nicht förderlich: Bei anziehender Inflation und künstlich niedrig gehaltenen Anleiherenditen entsteht weiterer Abwertungsdruck auf eine Währung.   

Fazit

Die Öffnung des chinesischen Anleihemarktes für ausländische Investoren ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Kapitalmarkts. Weil gleichzeitig chinesische Staatsanleihen in verschiedene Rentenindizes aufgenommen werden, ist ein starker Kapitalfluss vor allem vonseiten institutioneller Käufer zu erwarten. Die zu erwartende Ablaufrendite der lokalen Anleihen liegt im Vergleich zu anderen Schwellenländern jedoch am unteren Ende eines bereits sehr niedrigen Niveaus. Aktive Asset Manager können ihren Spielraum nutzen und Anleihen in chinesischen Yuan erwerben, die nach internationalem Recht begeben wurden und eine attraktivere jährliche Ablaufrendite aufweisen. Darüber hinaus wird es interessant sein zu beobachten, wie sich die höheren Kapitalflüsse auf die bisher gelebte Steuerung des Wechselkurses des chinesischen Yuans auswirken werden.


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