Verkehrte (Finanz)welt
Quelle: dpa

Gibt es auch Corona-Verlierer an der Börse?

Während die Corona-Pandemie bei vielen Bundesbürgern ein Gefühl der Unsicherheit auslöst, klettern die Börsen von einem Allzeithoch zum nächsten. Passt das zusammen?

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Schauen wir zunächst auf das wirtschaftliche Umfeld: Während im März 2020 noch die Erwartung dominierte, Insolvenzen könnten sich in Deutschland häufen, so haben ein vorläufig geändertes Insolvenzrecht sowie Kurzarbeit, Kompensationszahlungen, Überbrückungshilfen und Steuererleichterungen diese Entwicklung verhindert. Jüngste Daten des statistischen Bundesamts legen nahe, dass die Insolvenzen sogar nach Auslaufen der genannten Maßnahmen auf einem niedrigen Niveau verweilen werden.

Auch die Börsenentwicklung während der Coronapandemie unterscheidet sich mit ihrer außergewöhnlich positiven Performance von anderen bisherigen Finanzkrisen. Betrachten wir zunächst die Kursentwicklung der Indizes: Der Dax hat seit dem Einbruch auf 8.741 Punkte zu Beginn der Pandemie eine beispiellose Erholung bis zu einem neuen Höchststand von 16.030 Punkten am 13. August dieses Jahres hingelegt.

Eine nachhaltige Börsenkorrektur ist bisher nicht eingetreten – trotz vieler Hinweise auf Überbewertungen und technisch überkaufte Situationen. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus niedrigen Zinsen und relativ hoher Inflation stützen kurz- bis mittelfristig die Aktienkurse.

Blick auf Einzelwerte

Kann die skizzierte Entwicklung als nachhaltig angesehen werden? Zur Beantwortung dieser Frage ist nicht nur der Blick auf die Indizes erforderlich, sondern auch auf Einzelwerte. Zu den frühen „Corona-Profiteuren“ gehörten sicherlich Unternehmen, welche die geänderten Konsumgewohnheiten der Verbraucher direkt bedienen. Hier sind Amazon und Zalando zu nennen, aber auch Plattformen wie Delivery Hero – also solche Anbieter, die bereits auf robuste Infrastrukturen, Lieferketten und Logistiksysteme zurückgreifen und die gestiegene Nachfrage nach Onlinedienstleistungen schnell und effizient befriedigen konnten. Die Schließung des stationären Einzelhandels und der Gastronomie haben den Bedarf nach Internetversandhandel und Lieferdiensten in einer bisher nicht erlebten Form angekurbelt. Eine Studie des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh) weist allein für das dritte Quartal 2021 ein Umsatzwachstum in Höhe von 14,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal aus. Die geänderten Konsumgewohnheiten bezogen sich aber auch auf IT-Dienstleistungen sowie Soft- und Hardware. Homeoffices mussten ausgestattet und für die störungsfreie Nutzung moderner Kommunikationskanäle wie Videotelefonie fit gemacht werden.

Anders sieht es bei den von der Pandemie negativ betroffenen Branchen aus. Hier ist exemplarisch die Reisebranche zu nennen. Auch wenn sich die Umsätze im Tourismus in Deutschland wieder erhöht haben, konnten Hotel- und Gastgewerbe das Vorkrisenniveau bislang nicht wieder erreichen. Branchenvertreter wie TUI und Lufthansa sind trotz staatlicher Stützungsmaßnahmen weiterhin angeschlagen. Wie sich das auf die Börsenkurse niederschlägt, dafür ist allerdings nicht allein die Covid-Situation verantwortlich. Der Strukturwandel im Tourismus hatte sich bereits vor Corona angekündigt. TUI hatte längst mit Rückgängen bei Reisebürobuchungen aufgrund günstiger Konkurrenz durch Online-Reiseportale zu kämpfen. Die Lufthansa-Aktie litt bereits seit dem Jahr 2018 unter einem Abwärtstrend.



Und wie hat sich die Automobilbranche entwickelt? Betrachtet man die Kursentwicklung von BMW, Daimler und VW in den letzten fünf Jahren und nach Beginn der Coronapandemie, so zeigen die Charts seit März 2020 einen Aufwärtstrend. Anders als in der Automobilkrise des Jahres 2019, welche die Marktteilnehmer stark getroffen hat, wirkt sich die aktuelle Phase eher beschleunigend auf die Hinwendung zu E-Mobilität und alternativen Antriebssträngen aus. Allerdings dürften Lieferengpässe trotz robuster Margenentwicklung den kurzfristigen Ausblick weiterhin belasten.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zuletzt insbesondere diejenigen Unternehmen profitieren konnten, die bereits vor der Pandemie über ausgefeilte, stabile Geschäftsmodelle mit entsprechenden Plattformen verfügten. Aber auch eher traditionelle Industrien wie die Automobilindustrie konnten an der Börse von der grundsätzlich positiven Stimmung profitieren. Kleinanleger, die vom wirtschaftlichen Erfolg der aktuell wachsenden Branchen IT, Tech, Onlinehandel profitieren möchten, können sich das Thema Schritt für Schritt erschließen, zum Beispiel über breite ETFs auf Indizes. Sie bieten sich als Mittel der Portfoliodiversifizierung durch entsprechende Risikostreuung an.

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Grundsätzlich bieten Investitionen in Aktien eine Möglichkeit, um auch mit geringem Startkapital an der Wertsteigerung von Unternehmen zu partizipieren. Ein Börseneinbruch erscheint bei den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eher unwahrscheinlich.

Mehr zum Thema: Inflationsangst und Lieferkettenprobleme hemmen die Stimmung an der Börse. Im Interview erläutert Rebecca Chesworth, Senior Equity Strategist bei State Street Global Advisors, welchen Branchen und Regionen im kommenden Jahr die besten Renditen winken und welche Anlagestrategie für 2022 aussichtsreich ist.

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