Verkehrte (Finanz)welt
Erfüllen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum die gleichen Funktionen wie Bargeld? Quelle: imago images

Ist der Bitcoin doch kein virtuelles Bargeld?

Ob und wann Kryptowährungen das etablierte Bargeld ersetzen, ist noch fraglich. Fragen nach Verbraucherschutz sowie der steuerlichen Behandlung und Anonymität sind zu klären. Hier die wichtigsten Antworten.

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Über den Kursverlauf sogenannter virtueller Währungen wie Bitcoin wird derzeit vielerorts berichtet. Bitcoin steht als Synonym für eine Vielzahl elektronischer Gelder und Vermögensanlagen. Schätzungen gehen davon aus, dass es mittlerweile über zehntausend dieser virtuellen Geldsorten gibt. Manche eignen sich als Zahlungsmittel, andere zum Spekulieren. Daneben erwachsen neue virtuelle und kryptografische Geldanlagemöglichkeiten in Produkten wie NFTs (non-fungible Tokens) oder DeFi (Decentralized Finance). Fast alle diese Produkte basieren auf der sogenannten Blockchain-Technologie. Im Internet ist der Austausch virtueller Vermögensgegenstände über Ländergrenzen hinweg in Sekundenschnelle möglich.

Sind die virtuellen Produkte anonym?

Die Welt der Kryptowährungen scheint auf den ersten Blick grenzenlos. Geschürft wird das virtuelle Gold etwa auf Servern in Asien, während es dann an virtuellen Börsen auf den karibischen Inseln gehandelt wird. Wenn man den Anhängern der neuen Branche Glauben schenken mag, so wird dies auch in Zukunft anonym ablaufen. Das heißt, anders als beim Bargeld gibt es keine staatliche Überwachung und es bedarf auch keiner Zentralbank.

Von dieser angeblichen Freiheit entfernt sich die Praxis jedoch immer weiter. Denn aus einem Nischenmarkt entwickelt sich ein Marktplatz, auf dem sich zunehmend auch Normalbürger tummeln. Neben der Zahlungsfunktion oder der reinen Spekulation auf exorbitante Kursgewinne nutzen Anleger so genannten Coins oder NFTs auch als langfristige Anlageprodukte. Regulatorische beziehungsweise aufsichtsrechtliche Standards werden dadurch auch hier zu einem Kriterium und gewinnen an Stellenwert.

Wie ausgeprägt ist der Verbraucherschutz bei Kryptoassets?

Aufgrund der unsagbaren Innovationsgeschwindigkeit war der virtuelle Markt im regulatorischen Bereich seiner Zeit bislang meist voraus. Zuständige nationale Behörden und Gesetzgeber folgen mit Regelungen häufig erst mit Verzug. Einige aktuelle Entwicklungen haben jedoch zur Folge, dass Schutzmechanismen und Transparenzkriterien anziehen. So kündigte etwa im April dieses Jahres eine bekannte US-Fondsgesellschaft an, dass Anleger bis zu 20 Prozent ihrer betrieblichen Pensionssparpläne in Bitcoin investieren können. Dies zog Kritik der zuständigen Aufsicht nach sich, die das Produkt und eine solch hohe Quote als Risiko für eine langfristige, werterhaltende Anlage einstuft. Insbesondere vor dem Hintergrund, da die meisten Amerikaner ihre Altersvorsorge aus privaten, kapitalmarktbasierten Pensionssparplänen beziehen. Sorgen bereitet den Behörden unter anderem, dass den rekordverdächtigen Preisen der Kryptos keine wirkliche Nachfrage gegenübersteht.

Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt

Wenn nicht als Anlage, dann als Zahlungsmittelersatz?

In Europa sehen die zuständigen Aufsichtsbehörden auch dafür die Eigenschaften durch Kryptowährungen nicht erfüllt. EZB-Direktor Fabio Panetta spricht im Frühjahr dieses Jahres vom „Wilden Westen“ und verweist darauf, dass Kryptos zu volatil seien, um die grundlegenden Funktionen von Geld darzustellen. Panetta zieht Parallelen zur Hypothekenkrise in den USA (2008), welche renommierte Banken in die Insolvenz trieb. In der Folge erlitten private Anleger immense Verluste. Ende des ersten Quartals 2022, fast zeitgleich mit den warnenden Worten des EZB-Direktors, erfuhren die virtuellen Anlagen einen Crash und verloren auf Jahressicht mehrere Hundert Milliarden Euro an Wert.

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Zum Start des zweiten Halbjahres 2022 hat die EU dann einen Rahmen vorgeschlagen, welcher die Kryptowerte erstmals regulieren soll, inklusive Meldepflichten zur Geldwäschebekämpfung. Europa sieht sich in einer Vorreiterrolle.

Ausblick: Kryptos als steuerliche Einnahmequelle für Staaten?

In den USA sehen die öffentlichen Stellen neben den Risiken auch Chancen der virtuellen Währungen als Ertragsquelle, etwa zur Finanzierung von Infrastrukturpaketen. Joe Biden verspricht sich einen Erlös von elf Milliarden US-Dollar Steuereinnahmen aus digitalen Geschäften. Die US-Steuerbehörde erinnert zehntausende Amerikaner an die Steuerpflicht von Erträgen aus virtuellen Geschäften. Auf den aktuellen Versionen des Steuerformulars wird in Nordamerika explizit nach solchen Geschäften gefragt. Brokern und Börsen werden dort weitgehende Berichtspflichten an das Finanzamt auferlegt.

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Kryptoanlagen entwickeln sich in Richtung Massenprodukt. Die Anonymität im Cyberspace ist mittlerweile eine Vision. Das Augenmerk von Aufsichtsbehörden und Politik wird sich noch stärker auf Verbraucherschutzthemen richten. Durch stringentere Besteuerung und regulatorische Kosten werden sich auch die einstmals exzeptionellen Gewinne dieser Anlageformen schmälern. Um Bargeld zu ersetzen, welches insbesondere durch das Vertrauen einer breiten Bevölkerung Akzeptanz findet, haben die virtuellen Finanzmittel noch einen weiten Weg vor sich. Aktuell, in einem Umfeld mit steigender Inflation, verlieren auch Kryptoanlagen an Wert und zeigen sich nicht als robuster Inflationsschutz (wie es sich mancher Visionär erhofft hat).

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