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Ist die 200-Tage-Linie der beste Filter für Anlageentscheidungen?

200-Tage-Strategien lassen sich auf liquide Aktienmärkte und Einzelaktien anwenden und bieten ein gutes Rendite-Risiko-Verhältnis. Anleger sollten jedoch deren Verhalten in Seitwärtsphasen und bei Kurskorrekturen kennen.

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An der Börse kann es manchmal chaotisch werden. Es geht umgangssprachlich „drunter“ und „drüber“. Mit einer einfachen Strategie können Anleger in volatilen Phasen ihr Kapital schützen und gleichzeitig von Aufwärtstrends profitieren. Der Filter, der häufig den Unterschied macht, ist die 200-Tage-Linie.
Die Berechnung der 200-Tage-Linie ist relativ leicht und kann mit jedem Chartprogramm oder in Excel vorgenommen werden. Es wird das arithmetische Mittel (Durchschnitt) aus den Schlusskursen der vergangenen 200 Handelstage berechnet. Dafür werden die letzten 200 Schlusskurse addiert und durch die Zahl 200 geteilt.

Beispiele aus der Investmentpraxis

Befindet sich der letzte Schlusskurs über dem gleitenden Durschnitt, dann wird investiert. Fällt der aktuelle Kurs unter die 200-Tage-Linie, schließt der Investor seine Position. Erst, wenn der aktuelle Schlusskurs wieder über dem gleitenden Durchschnitt liegt, wird eine neue Long-Position eröffnet (siehe Grafik).

Schlusskurs des S&P 500 im Vergleich zur 200-Tages-Linie seit Anfang 2019

Wie groß der Unterschied ist, je nachdem ob ein Anleger „drunter“ oder „drüber“ investiert, zeigt Grafik Nummer 2. Ein Investor, der mit 100 US-Dollar seit dem Jahr 1928 investiert gewesen wäre, hätte bis Dezember 2021 im S&P 500 bei einem Buy-and-Hold-Investment sein Kapital auf über 4000 US-Dollar vermehrt. Bei einem Investment ausschließlich oberhalb der 200-Tage-Linie wären daraus über 22.000 US-Dollar geworden – eine fast sechsmal bessere Rendite.

Kapitalentwicklung eines Investments von 100 US-Dollar im Jahr 1928, a) nach Buy-and-Hold-Strategie sowie b) bei Investments nur oberhalb der 200-Tages-Linie

Gleichzeitig wird das Portfoliorisiko reduziert: Während das Buy-and-Hold-Portfolio immer investiert ist und eine Volatilität von 19 Prozent aufweist, liegt die annualisierte Schwankung des mit der 200-Tage-Linie gefilterten Investments bei 15 Prozent.

Weitere Überlegungen zur 200-Tage-Linie

In etwas mehr als einem Drittel der Zeit seit 1928 befand sich der S&P 500 unter seinem 200-Tage-Durchschnitt. Kritikpunkt: In dieser Phase wären Investoren nicht investiert. Anleger müssen also „aushalten“, dass auch längere Phasen ohne Signal vergehen können. Berechnungen zeigen, dass es durchschnittlich sieben Transaktionen pro Jahr gibt, wenn man die Strategie auf einer täglichen Basis überprüft. Transaktionskosten und Steuern könnten hier also auch eine Rolle spielen. Häufige Signalwechsel können durch wöchentliche oder monatliche Überprüfung des aktuellen Kurses mit der 200-Tage-Linie vermieden werden.

Warum kann dieser Ansatz einen Mehrwert für langfristige Investoren liefern? Gewöhnlich steigen Anleger nicht zum Tiefpunkt ein, sondern erst dann, wenn der aktuelle Kurs über dem 200-Tagesmittel liegt. Auch der Ausstieg erfolgt häufig nicht am Hoch, sondern nach einem Abschmelzen der Buchgewinne. Gegenüber diesen typisch menschlich-emotionalen Verhaltensweisen verschafft die trendfolgende 200-Tage-Strategie einen Vorteil. Durch den relativ langsamen Filter der 200-Tage-Linie wird identifiziert, ob sich Aktien in einem soliden Aufwärtstrend befinden oder nicht.

Fazit und Ausblick

Kommen wir zurück zu unserer Eingangsfrage: Ist die 200-Tage-Linie der beste Filter für Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt? Die Strategie hat, insbesondere in langen Trendphasen, nachweislich Vorteile. Schwächen hat die Strategie hingegen, wenn der Markt sich über längere Phasen seitwärts bewegt oder wenn es zu heftigen Abstürzen kommt. Auch sehr kurzfristige Erholungen wie im März 2020 sind eher schlecht für die Strategie. Historisch betrachtet kommt eine solche „V-Formation“ jedoch nur selten vor. Bei langen konjunkturellen Abschwüngen sind Investoren durch die 200-Tage-Linie gut geschützt, sofern sie ihr Geld in diesen Zeiträumen nicht am Kapitalmarkt anlegen, sondern in Cash parken.

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Die Strategie ist leicht in liquiden Märkten – etwa S&P500 oder DAX – umsetzbar, zum Beispiel mittels ETFs.

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