Verkehrte (Finanz)welt

Wie Monopole den Finanzmärkten schaden

Krisen und Regulierung bringen bei Banken und Asset Managern immer neue Riesen hervor. Die Konzentration schreitet fort. Verlieren wir den freien Markt im Finanzwesen?

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Quelle: REUTERS

„Too Big to Fail“, zu groß zum Scheitern, ist eine populäre Bezeichnung für Bankinstitute und Asset Manager, die seitens der Politik und der Regulierungsbehörden als „systemrelevant“ eingestuft werden. Sie dürfen allein wegen ihrer schieren Größe und Bedeutung für das Finanzsystem nicht Pleite gehen oder in Schieflage geraten.

Natürlich ist das ein Widerspruch in sich, denn eigentlich sollte unser marktwirtschaftliches, auf Konkurrenz aufgebautes System dafür sorgen, dass nur die leistungsfähigen Finanzinstitute, Versicherungen und Asset Manager überleben. Idealerweise herrscht trotzdem genug Wettbewerb, um Innovationen und ein breites Produktangebot für Anleger, Kreditnehmer und Versicherte zur Verfügung zu stellen.

Hier jedoch scheint es, als ob überragende Größe ein Garant für staatliche Unterstützung ist – und damit fürs Überleben. Sicher, die als „systemrelevant“ eingestuften Institute müssen zusätzliche Regelungen wie erhöhtes Eigenkapital und zusätzliche Berichtspflichten in Kauf nehmen. Trotzdem kann diese „schützende Größe“ einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

Heiko Backmann, CFA, ist engagiertes Mitglied der CFA Society Germany und Gründer des Research- und Beratungsunternehmens x-ray equity consult GmbH. Quelle: PR

Konsolidierung mit politischem Segen

Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch bietet Größe im Finanzsystem bereits ohne den Einfluss von Regulierung einige Vorteile. So lassen sich zum Beispiel im Asset Management Kosten für regulatorische Anforderungen, Informationsbeschaffung und vor allem Vertrieb auf eine breitere Assetbasis und damit höhere Gebühreneinnahmen verteilen.

Generell sind Ausgaben für den Betrieb von Systemen, Anschaffung und Entwicklung von Software sowie generelle Verwaltungskosten leichter zu tragen, wenn diesen höhere Gebühren und Einnahmen gegenüberstehen. Deshalb sind sogenannte „Kostensynergien“ ein wichtiges Argument bei Übernahmen. Die bestehenden Software- und Regulierungsplattformen werden besser ausgelastet, das Geschäft wird auf das dominierende System migriert und Personal zum Betrieb des aufgegebenen Systems eingespart.

In Krisensituationen macht sich die Politik diesen Größenvorteil zunutze. Die Übernahme durch ein größeres Institut oder Verschmelzung zweier Institute zu einem großen sind ein beliebter Weg, um entstehende Schieflagen zu beseitigen. Wie im jüngsten Falle der Übernahme der spanischen Banco Popular Espanol durch Santander stehen weder die Europäische Zentralbank (EZB) noch die spanische Regierung einer solchen Übernahme feindlich gegenüber. Santander übernimmt die Nummer 5 im spanischen Markt und wird damit wieder zur Nummer Eins. Der Wunsch nach Stabilität im Finanzsystem schlägt dabei den Wettbewerbsgedanken. In letzter Konsequenz könnten so monopolartige Strukturen entstehen.

Deutsche Banken im Strudel der Finanzkrise

Auf Kapitalkonzentration folgt Risiko

Was passiert nun aber mit dem Produktangebot für den Kunden im Falle einer fortschreitenden Konzentration? Der oben angeführte Gedanke der Optimierung von Softwarekosten, besseren Auslastung von Plattformen und effizienterem Einsatz des Vertriebs birgt die Gefahr, dass auch das Produktangebot gekürzt wird. Zwar ist die Liste von Fondsangeboten großer Gesellschaften sehr lang, viele dieser Fonds gehen aber bereits jetzt auf nur eine Strategie zurück und werden lediglich für verschiedene Länder und Investorengruppen separat aufgelegt und vertrieben. Dem Anleger fehlt die Wahl.

Schlimmer wird es noch, wenn ein Index der Strategie zugrunde liegt und ein Fonds nur den Index abbildet, wie bei den beliebten ETFs. Da es nur wenige führende Indexanbieter gibt, deren Produkte in der Regel nach Marktkapitalisierung und Handelsvolumen geordnet sind, investieren Anleger auch in die gleiche oder eine fast gleiche Titelauswahl. Da nützt es nichts zwischen Anbietern zu wechseln, im ETF sind fast immer dieselben Titel enthalten. Diese negativen Konzentrationsfolgen kann man nun auf die Spitze treiben, wenn man auf die ohnehin gleichgeschalteten Indexprodukte noch von Volatilität und Momentum getriebene Robostrategien legt. Dort bestimmt ein Algorithmus nun noch den Ein- uns Ausstiegszeitpunkt. Da gemessene Volatilität und Momentum für einen bestimmten Index für alle Marktteilnehmer gleich sind, bewegen sich damit auch Index und Markt im Gleichklang.

Im Umkehrschluss heißt das: Entscheidet sich ein Anleger für die kostengünstige ETF Variante, dann investiert er in hoch kapitalisierte, bekannte und entsprechend teure Unternehmen mit einer erfolgreichen Historie. Zumindest die Möglichkeit der Auswahl in klar differenzierte Anlageprodukte verschiedener Anbieter stellt ganz sicher die bessere Alternative dar.

Dem Wachstum sind Grenzen gesetzt

Befinden wir uns nun auf dem Weg zu gleichgeschalteten Märkten ohne wirkliche Produktauswahl? Zum Glück kann man diesen Schluss noch nicht ziehen. Der Größe im Finanzwesen sind Grenzen gesetzt. Das zeigt schon der Blick auf die Bilanzsummen einiger europäischer Banken im Verhältnis zur „Cost-Income-Ratio“, einem Maß für die Effizienz im Bankwesen. Die Cost-Income-Ratio gibt an, wieviel eine Bank ausgeben muss, um eine bestimmte Summe an Einkommen zu erzielen. Wenn Größe alles wäre, dann müssten große Bilanzsummen zu geringen Kostenquoten führen.

Es ist aber nicht zu erkennen, dass große Banken per se die bessere Cost-Income-Ratio haben (siehe Tabelle). Dabei sollte jedoch mitbedacht werden, dass wir uns gerade in einer Phase erhöhter Regulierung inklusive Strafzahlungen und Aufbau des bürokratischen Verwaltungsapparates befinden. Der damit verbundene Aufwand trifft international tätige Banken und insbesondere Investmentbanken zurzeit härter. Dieser Trend wird sich aber nicht unbedingt weiter fortsetzen.

Europäische Banken (Auswahl):
Verhältnis von Größe und Cost-Income-Ratio

FinanzinstitutGesamtaktivaCost-Income-RatioLand
2017e2017e
HSBC2.408.76364%UK
BNP Paribas2.036.49168%Frankreich
Crédit Agricole1.567.91364%Frankreich
Deutsche Bank1.527.90093%Deutschland
Société Générale1.412.47369%Frankreich
Barclays1.392.44463%UK
Santander1.333.78049%Spanien
ING Group873.90254%Niederlande
Unicredit868.20160%Italien
UBS867.20778%Schweiz
BBVA739.00550%Spanien
Intesa Sanpaolo738.87247%Italien
Credit Suisse735.82290%Schweiz
Nordea611.90547%Schweden
Commerzbank477.80078%Deutschland
ABN Amro405.94761%Niederlande
Skandinaviska Enskilda Bank276.27150%Schweden
Svenska Handelsbanken264.82646%Schweden
Erste Group211.17063%Österreich
Swedbank210.35938%Schweden
Bankia182.22751%Spanien
Raiffeisen Bank International136.36058%Österreich
Julius Baer85.86367%Schweiz
Mediobanca74.40048%Italien
Banco Comercial Portugues71.33146%Portugal
pbb Deutsche Pfandbriefbank61.40353%Deutschland
Aareal Bank47.97155%Deutschland
Datenquelle: www.AlphaValue.com 

Mehr Hoffnung macht hingegen die These, dass gerade im Asset Management und bei der Beratung auch kleine Strukturen Vorteile haben. Nicht umsonst schließen Fondsmanager ihre Fonds, wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben. Insbesondere Strategien, die in kleine oder aufstrebende Unternehmen investieren, lassen sich aus Liquiditätsgründen mit großen Fonds nur schwer umsetzen. Auch können große Unternehmen oftmals nur mittels starker Hierarchien und Standardisierung geführt werden. Nischenstrategien, und das gilt auch für eine spezialisierte und auf bestimmte Marktsegmente fokussierte Kreditvergabe, sind in solchen Strukturen aber oft nicht gut aufgehoben. Hier haben kleine Dienstleister in den Bereichen Asset Management und Beratung zumindest eine Chance. Eine solche Chance kann aber nur wahrgenommen werden, wenn bei Regulierung und Belastung durch entsprechende Kosten auf die Größe der Anbieter Rücksicht genommen wird.

Die im Januar 2018 einzuführende Direktive zur Regulierung der Europäischen Finanzmärkte (MIFID II) kann hier neben den zu erwartenden Mehrkosten auch eine Hilfe sein. So verlangt sie etwa von unabhängigen Finanzberatern, dass sie Produkte mehrerer Anbieter im Portfolio haben – ein wertvoller Schutz für Anleger. Provisionsgetriebene Ein-Produkt-Strategien werden damit erschwert. Vielleicht kann der ein oder andere Nischenanbieter hieraus auch Vorteile für seinen Vertrieb ziehen.

Dennoch bleiben die vorgenannten Vorteile von Größe und Marktmacht auch nach Einführung von MIFID II bestehen, und bilden den Nährboden für eine Monokultur. Deshalb sollte die Regulierung auch im Finanzwesen Konzentrationsprozesse im Auge behalten und im Bedarfsfall eindämmen.

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