Im Frühjahr stürzten nach einer längeren Phase steigender Kurse an einem Montag plötzlich die Aktienmärkte ab: Dax und EuroStoxx 50 fielen an jenem 6. Mai um zwei Prozent, die Börse in Shanghai sogar um 5,6 Prozent. Der Grund: US-Präsident Donald Trump hatte via Twitter angekündigt, neue Zölle auf chinesische Waren im Wert von 100 Milliarden Dollar zu erheben. In den Tagen und Wochen zuvor hatten die Zeichen im Handelskonflikt eher auf Entspannung und Einigung hingedeutet, mit dem Tweet war aber alle Hoffnung darauf zerstört.
Ein Trump-Tweet kann somit Milliarden an den Börsen bewegen. Doch nicht nur die Aktienmärkte reagieren darauf, sondern auch die Anleihemärkte, also der Markt für festverzinste Anlagen. Das hat nun die US-Investmentbank JP Morgan anhand eines neuen Index belegt, der die Auswirkungen von Trumps Twitter-Nachrichten auf die Kursschwankungsbreite (Volatilität) an den Kapitalmärkten abbildet. JP Morgan hat dabei nach eigener Aussage starke Beweise dafür gefunden, dass die Zinsmärkte unmittelbar nach den Tweets reagierten.
In Anspielung auf einen verwirrenden Tweet mit Tippfehlern („Covfefe“) von Trump heißt der neue Börsenindikator nun Volfefe-Index. Für seine Errechnung haben die JP-Morgan-Experten mehr als 4000 originäre Tweets vom persönlichen Twitter-Account des US-Präsidenten ausgewertet, die in die Zeit des Börsenhandels fielen. 146 dieser Kurznachrichten hätten nachweislich die Märkte bewegt. Betrachtet wurden nur jene Tweets, die innerhalb von fünf Minuten mit einer Änderung des Handelsvolumens um mindestens fünf Basispunkte bei den zehnjährigen US-Staatsanleihen einhergingen.
Der Volfefe-Index zeigt ein paar erkennbare Muster auf. So wird etwa die Mehrheit der relevanten Trump-Tweets zwischen 12 und 13 Uhr verschickt. Am wenigsten müssen Anleger zwischen fünf und zehn Uhr morgens befürchten. Besonders spannend wird es, wenn im Tweet die Wörter „China“, „Billion“ oder „Products“ vorkommen, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Kursbewegungen besonders hoch.
JP Morgen will mit dem Index auch zeigen, dass die Twitter-Tiraden des Präsidenten spürbar zur höheren Volatilität an den Börsen beitragen. Trump nutzt die Twitter-Kurznachrichten wie kein Amtsinhaber vor ihm. Vor allem Äußerungen zum Handelsstreit mit China und zur Zinspolitik der US-Notenbank schickten die Aktien- und Anleihemärkte weltweit jüngst mehrfach auf Achterbahnfahrt. Auch seine Tweets mit Lob und (meistens) Kritik für einzelne Unternehmen wirken sich direkt auf deren Börsenkurse aus. Etwa, wenn Trump US-Unternehmen auffordert, im eigenen Land anstatt in Mexiko zu produzieren oder wenn er dann später Autohersteller Ford dafür lobt, den Bau einer Fabrik im Nachbarland abzusagen.
Der Grund, warum die Börse so schnell und heftig auf Trump-Äußerungen reagiert, liegt Beobachtern zufolge an den vollautomatischen Handelsprogrammen der Profi-Investoren und Investmentbanken. Die entscheiden anhand von Marktdaten und Kursmustern auf Basis eines Algorithmus im Bruchteil einer Sekunde, ob sie kaufen oder verkaufen, ob sie auf steigende oder fallende Kurse setzen. Die Algo-Trader nutzen dabei selbst kleinste Kursschwankungen, um durch schnellen Kauf und Verkauf Börsengewinne zu generiere.
Dass Trump mit seinem Smartphone Politik macht, ist für den Computerhandel ein Vorteil. Nie zuvor gab es eine schnellere und derart ungefilterte Information über die Wirtschaftspolitik der Weltmacht, noch dazu so konzentriert auf einen Kommunikationskanal. Somit lässt sich diese Informationsquelle auch gut automatisch auswerten.
Seit seiner Wahl zum US-Präsidenten hat Donald Trump im Schnitt mehr als zehn Tweets pro Tag abgeschickt, seit Amtsantritt waren es in Summe mehr als 10.000. Schon Anfang 2017, nur wenige Monate nach Trumps Wahlerfolg, gab es eine erste Börsen-App, die seine Tweets auswertete und daraus mögliche Aktienkäufe und -verkäufe ableitete. Erste Versuche verliefen seinerzeit vielversprechend. Nachrichten über den plötzlichen Reichtum der Nutzer blieben aber bislang aus.