Vom Drogenloch zur Boomstadt Wie die EZB die Stadt Frankfurt aufpoliert

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Die EZB macht Frankfurt zur globalen Marke

Banker tauchen im Bahnhofsviertel seltener auf, sie bewegen sich lieber rund um den Opernplatz. Ihr Spesenspielraum ist durch diverse Sparrunden nach der Krise zwar geschrumpft, die Boni fallen etwas dürftiger aus, mit der Dresdner Bank ist eine große Adresse verschwunden. Verglichen mit London und New York, ist Frankfurt aber glimpflich davon gekommen. „Es hat keine ganz großen Entlassungswellen gegeben“, sagt Jörg Janke, Partner bei der Personalberatung Egon Zehnder. „Frankfurt hat Stabilität bewiesen und ist nach der Krise attraktiver als vorher.“ Es sei eine Stadt kurzer Wege, Banker mit Familie schätzten das, zumal ihre Arbeitgeber kaum noch nach Standorten differenzierten: Angestellte desselben Hauses verdienen oft überall gleich. Wer Londoner Preise gewohnt ist, findet Frankfurt günstig.

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Große Unternehmen, über Jahre ins Umland abgewandert – sogar die Deutsche Börse ging vor fünf Jahren ins benachbarte Eschborn –, ziehen wieder zu: General Electric, Nintendo, Honda, der US-Spielwarenhersteller Mattel.

Peter Feldmann könnte zufrieden sein, darf es aber nicht so wirklich. Der SPD-Mann hat 2012 überraschend die Wahl gewonnen und die CDU-Frau Petra Roth als Oberbürgermeister beerbt. Der frühere Leiter eines Jugendzentrums im sozial schwachen Stadtteil Bonames hat inmitten des „Mehr“ weniger versprochen: weniger Fluglärm, weniger Kinder ohne Frühstück, weniger soziales Auseinanderfallen, weniger Hochkultur für die Elite. Auf dem Sonnenbalkon der Alten Oper fragt er nach einer Suppe. Als der Kellner eine Kaltschalen-Kreation offeriert, winkt Feldmann ab. Das ist ihm zu abgehoben, zu versnobt.

„Die EZB macht Frankfurt zu einer globalen Marke“, sagt der Politiker. Die passe perfekt zur Stadt, in der „jeder Grundschüler früh den Umgang mit Geld lerne“. Feldmann will den Wandel nicht bremsen, aber in für alle verträgliche Bahnen lenken. Über Jahrhunderte habe Frankfurt integriert, das stecke tief in der DNA der Händler- und Finanzstadt. Mit 43 Prozent hat sie den höchsten Migrantenanteil der deutschen Großstädte. Trotzdem könnten Menschen entspannt leben, Kinder sicher in die Schule schicken, selbst einkommensschwache Viertel sind keine Ghettos, in denen nachts die Mülltonnen brennen. „Es gibt keine Vorbehalte gegen irgendwen, die EZB-Mitarbeiter sind willkommen.“

Wenn sie denn ankommen und nicht in ihrer Parallelwelt bleiben. In der Europäischen Schule etwa, die Kinder von Mitarbeitern der EZB bevorzugt aufnimmt. Sie platzt aus allen Nähten, im September werden hier rund 1450 Schüler aus 50 Ländern in vier Sprachen lernen. Viele erwartet kein Klassenraum, sondern ein Not-Container.

Vom Cayenne in den Container

Auch die anderen privaten Schulen boomen, vor der Phorms-Grundschule oder dem Kant-Gymnasium stauen sich morgens die Porsche Cayennes, mittags treffen sich Kinder und Nannys zum Auslauf im nahen Holzhausenpark. Kindergärten wie die Villa Luna versprechen Höchstleistung für Höchstpreise.

So auch das Kids Camp, eine Rundum-Betreuungsstätte für Kinder von zwei Monaten bis zum Grundschulalter. Die Jugendstilvilla im Bankenviertel umgibt ein hoher Zaun, drinnen essen Kinder brav ihr vollwertiges Mittagsmahl, sie tragen Trikots von zehn Nationalmannschaften, Originale, keine billigen Kopien. „In Frankfurt leben so viele zugezogene Familien wie sonst nirgends“, sagt Leiterin Martina Dorner. Da fehlten Großeltern, die beim Betreuen helfen. Und Banken drängen darauf, dass Frauen nach der Geburt schnell in den Job zurückkehren, in Vollzeit.

Damit der Nachwuchs die Eltern nicht bremst, wird er für 750 Euro monatlich im Kids Camp von acht Uhr morgens bis sieben Uhr abends versorgt. Jede Gruppe hat zwei Betreuer, je einer redet nur Englisch – Training für den globalen Wettbewerb.

Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem, ein Drittel der Bewerber wird abgelehnt. Deutsche Bank und Helaba haben Plätze reserviert. Dorner startete 2004 mit 16 Kindern und zwei Mitarbeitern, zehn Jahre später kümmern sich 150 Angestellte um 500 Kinder. Noch eine Geschichte, die der Boom schrieb, ein Erfolg, bei dem aber auch viele draußen bleiben.

Frankfurt eben.

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