Die Solaraktien lieferten ein plastisches Beispiel für die Tücken eines vermeintlich stabilen Aufwärtstrends. Zunächst startete die Solarenergieindustrie hierzulande mit viel Rückenwind durch staatliche Subventionen. Mit der zunehmenden Beliebtheit und Wirtschaftlichkeit von Solarzellen, kletterten auch die Aktienkurse ordentlich. Die deutschen Produzenten präsentierten fantastische Wachstumsraten und galten international als Vorreiter.
Wer auf die hiesige Solarbranche an der Börse gewettet hatte, wurde reich belohnt. Aber je reifer der Markt wurde, umso unsinniger erschienen die hohen Subventionen und umso aggressiver entwickelte sich die Konkurrenz, vor allem aus China. Die deutsche Solarbranche fand sich jäh in einem Preiskrieg mit internationalen Wettbewerbern wieder und zu ihrem Verdruss beschloss die Bundesregierung, die Subventionen zurückzufahren. Anleger, die dem schönen Aufwärtstrend der Solaraktien erst spät folgten, hatten nur kurz Spaß daran. Bis sich aber zeigte, dass die Trendwende für die Branche nachhaltig erreicht ist, dürften viele von ihnen heftige Verluste erlitten haben.
Eine Trendwende ist in den meisten Fällen ohnehin erst in nachhinein erkennbar. Daher ist es für Trendfolger gerade in Zeiten, in denen Börsen schnell schwanken, praktisch unmöglich, einen Aufwärtstrend vollständig mitzumachen. Wer einem Trend, kann nicht wissen, wie lange dieser noch fortbesteht. Wer der Devise "The Trend is your friend" glauben schenkt, läuft daher immer Gefahr, einzusteigen, kurz bevor das Investment seinen Gipfel erreicht und wieder talwärts tendiert.
Für Privatanleger nutzloser Rat
Vor allem für Privatanleger stellt das frühzeitige Erkennen einer Trendwende eine kaum lösbare Herausforderung da. Profianleger, die mit einer Trendfolgestrategie arbeiten, nutzen dazu aufwändige Rechensysteme und setzen teilweise auch auf permanente Überwachung der mathematischen Modelle zur Kursentwicklung. Schwarzer geht in ihrem Buch auf verschiedene Techniken ein, die durchaus Erfolge zeitigen. Aber selbst sie sind bei bestimmten Marktereignissen machtlos. Die Modelle können beispielsweise nicht vorhersagen, mit welchen Maßnahmen die Politik in einen Markt eingreift und was das für die Kursentwicklung der Aktien bedeutet. Und während der Fondsmanager mit technischer Unterstützung Objektivität und Rationalität zu gewährleisten versuchen, sind Privatanleger doch oftmals emotional in die Falle getappt. Sie glauben, Kursschwächen seien nach einem lang währenden Aufwärtstrend nur vorübergehend, ihre Lieblingsunternehmen würden sich schon durchsetzen. Sich vom bislang begeisternden Erfolgstiteln zu verabschieden, fällt verständlicherweise schwer.
Es gibt also Börsenweisheiten, die gut funktionieren, während andere wie etwa die Trendfolgeweisheit eher irritierend wirken, hohe Risiken bergen und für Privatanleger wenig hilfreich sind. Schwarzer Buch liefert jedoch reichlich Indizien dafür, dass die Mehrheit der populären Börsenweisheiten durchaus ihren Zweck erfüllt, sich durch hohen Wahrheitsgehalt auszeichnet und dem Anleger brauchbare Orientierungspunkte für sinnvolles Agieren an der Börse bietet. Wer Schwarzers Buch liest, erfährt nicht nur, welche Börsenweisheiten derart treffend sind und welche nicht, sondern gelangt auch zu dem Eindruck, dass die guten der Leitsätze vor allem ein Ziel verfolgen: Den Anleger vor Irrationalität und Emotionalität im Börsenhandel zu schützen.
Zumindest in diesem Punkt herrscht bei allen Börsengurus und Anlageprofi Übereinstimmung. Emotionen gilt es unbedingt zu vermeiden, soll die Anlage ein Erfolg werden. Selbst die Kultfigur Gordon Gekko aus Wall Street, den seine Gier schließlich ins Gefängnis bringt, verbreitete diese Lehre. Aber offenbar ist das ohnehin allen Anlegern klar. Insofern dürfen Anleger von etlichen Börsenweisheiten auch nicht mehr erwarten, als von einem fiktiven Starinvestor aus Hollywood, nämlich in erster Linie gute Unterhaltung.
Buchtipp: Jessica Schwarzer, "Sell in May and go away - Was die Börsenweisheiten von Kostolany, Buffett und Co. heute noch taugen", erschienen im Dezember 2013 im Börsenbuchverlag. Weitere Informationen gibt es hier.