VW-Aktie stürzt ab Volkswagen verliert 15 Milliarden an Börsenwert

Nach Bekanntwerden der Abgas-Manipulation in den USA verliert die VW-Aktie zeitweise mehr als 20 Prozent. Es drohen Milliardenbußen, Zivilklagen, Anlegeraufstand und Führungswechsel. Ist die Aktie jetzt billig?

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Der Skandal um VW belastet auch den Frankfurter Börsenbarometer Dax Quelle: dpa

Einen Kurssturz von 20 Prozent und mehr ist bei den Schwergewichten im Aktienindex Dax eine Seltenheit. Dass es ausgerechnet Deutschlands Vorzeige-Autobauer Volkswagen trifft ist für viele Börsianer ein Alarmsignal. Die Kursverluste der VW-Aktie belasten auch andere Autohersteller wie Daimler oder Zulieferer wie Elring-Klinger sowie den Dax insgesamt. Nun geht unter Anlegern die Angst um: Kommen noch mehr schlechte Nachrichten? Haben auch andere Hersteller manipuliert? Auch in Europa? Oder ist das eine einmalige Gelegenheit, VW-Aktien günstig wie lange nicht zu kaufen?

Das Eingeständnis von Abgas-Manipulationen in den USA hat die Volkswagen-Aktie zum Beginn der Handelswoche abstürzen lassen. Die VW-Stammaktie (WKN 766400) fiel in gegenüber Freitag um bis zu 21,5 Prozent und konnte sich bis zum Nachmittag (Stand 15:00 Uhr) nur leicht erholen. Mit einem Kurs von 132,20 lag sie noch immer mehr als 18 Prozent im Minus. Die stimmrechtslosen Vorzugsaktien (WKN 766403) erwischte es noch schlimmer: Sie fiel in der Spitze um 22,8 Prozent und lag am Nachmittag bei einem Kurs von 130 Euro noch immer knapp 20 Prozent im Minus.

Durch die Kursverluste ist der Börsenwert von Volkswagen über Stamm- und Vorzugsaktien gerechnet um insgesamt 15 Milliarden Euro geschmolzen, von knapp 77 auf nur noch 61,8 Milliarden Euro. Die Analysten überschlagen sich: Die Deutsche Bank belässt es demonstrativ bei Ihrer Kaufempfehlung mit Kursziel 260 Euro solange keine Details bekannt sind, die Analysten von S&P Capital IQ belassen die Empfehlung für das Papier auf "halten" und senken das Kursziel von 195 auf 133 Euro. Auch die NordLB bleibt bei ihrer Einstufung "Kaufen", reduziert das Kursziel allerdings von 210 auf 155 Euro. Analyst Frank Schwope kommentiert, die Kursreaktion sei übertrieben und dürfte in den kommenden Tagen zur einer Gegenreaktion führen. Das Analysehaus Kepler Chevreux verabschiedet sich hingegen von seiner bisherigen Kaufempfehlung, senkt das Kursziel von 255 auf 185 Euro drastisch und betont, das Ausmaß des Schaden sein noch nicht absehbar.

Stimmen zum Abgas-Skandal bei VW

Tatsächlich drohen Volkswagen tiefgreifende Konsequenzen. VW-Chef Martin Winterkorn kündigte bereits am Sonntag eine externe Untersuchung der Vorgänge an. Die US-Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die offiziellen Abgastest willentlich manipuliert zu haben. Fast eine halbe Million Autos sind von einem Rückruf bedroht. Für den Konzern könnte dies nach Angaben der Behörde eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen. Sogar eine strafrechtliche Verfolgung ist nicht ausgeschlossen, zudem drohen auf Klagen von Anlegern, die sich durch von VW zurückgehaltene Informationen zu den Ermittlungen getäuscht fühlen. Zudem dürfte der immense Imageschaden die Verkaufszahlen in den USA und Europa belasten. Der Stuhl von Winterkorn beginnt zu wackeln. Am kommenden Freitag sollte auf der turnusmäßigen Aufsichtsratssitzung sein Vertrag vorzeitig verlängert werden.

VW nur noch knapp 62 Milliarden Euro wert

Durch den aktuellen Kurssturz verlor der Wolfsburger Konzern mehr als 15 Milliarden Euro an Börsenwert. Das entspricht in etwa der gesamten Marktkapitalisierung von Commerzbank oder Beiersdorf. "Unglaublich", kommentierte ein Händler. Die Wolfsburger sind jetzt an der Frankfurter Börse noch rund 62 Milliarden Euro wert. "Die Abgas-Affäre dürfte den Markennamen ordentlich in Mitleidenschaft ziehen." Zudem sollte der Druck auf VW-Chef Winterkorn nun deutlich zunehmen, sagte der Börsianer.

Nach Einschätzung von Heino Ruland vom Brokerhaus ICF muss VW neben der Strafe auch mit Sammelklagen von US-Autohaltern rechnen. "Das wird teuer", erklärte er. Außerdem sei offen, ob die Prüfergebnisse auch in anderen Staaten falsch seien. Aus Sicht von Equinet-Analyst Holger Schmidt sind die Abgas-Manipulationen ein größerer Rückschlag für VW - nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Märkten. Es werde Zeit brauchen, um den Schaden zu reparieren. Der Experte stufte die Aktien herunter auf "Reduce" von "Neutral" und setze das Kursziel auf 145 von zuvor 180 Euro.

"Wenn sich herausstellen sollte, dass es sich um Betrug im größeren Stil handelt, könnte auch die Führungsebene in Wolfsburg die Konsequenzen zu spüren bekommen", sagte Sascha Gommel, Analyst der Commerzbank in Frankfurt. Die verlorenen Milliarden an Börsenwert dürften von Volkswagen also nicht so leicht zurückzugewinnen sein. Damit hat die Börse auch gleich die Maximalstrafe seitens der EPA vorweggenommen, für der Konzern jetzt Rückstellungen bilden muss, und die die Bilanz belasten.

Optisch wirkt die Aktie nach den herben Kursverlusten der vergangenen Monate und von diesem Montag mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von nicht einmal sieben - basierend auf den Gewinnschätzungen für 2016 - günstig. Da aber in den kommenden Tagen und Wochen die Negativschlagzeilen nicht abreißen dürften und VW die Manipulation schon eingestanden hat, sollten sich Anleger der Aktie nur mit größter Vorsicht nähern.

Der VW-Skandal hat indessen an der Börse auf andere Branchenvertreter erfasst. Die Aktien BMW und Daimler verloren deutlich, obwohl beide beteuerten, nicht vom Skandal betroffen zu sein. BMW ließ erklären, ein Abgastest in den USA habe keine Unregelmäßigkeiten zu Tage gefördert. Der Dax zumindest erholte sich bis zum Nachmittag und machte die Verluste vom Morgen wieder wett.

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