Wagnisfinanzierer Mike Sigal „Mich interessieren ganz neue Datenquellen“

Wagnisfinanzierer Mike Sigal spricht im Interview über den Wettbewerb zwischen dem Silicon Valley und New York im Fintech-Bereich, sein Interesse an Deutschland und die Frage, welche Geschäftsmodelle Erfolg versprechen.

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„Mich interessieren Firmen, die ganz neue Datenquellen auswerten.“ Quelle: dpa

Herr Sigal, zuletzt waren in die Investitionen im Fintech-Bereich gedrückt. Lässt die Euphorie der Geldgeber nach?
Im ersten Quartal sind 2,7 Milliarden Dollar in den Bereich geflossen, das ist ein ähnliches Niveau, wie 2016, wo es insgesamt 13,1 Milliarden waren. Aber gegen Ende 2016 war Zurückhaltung zu spüren. Das passiert in den USA oft rund um eine Wahl, unabhängig von der Person Donald Trump. Und in Europa dürfte der Brexit für Verunsicherung gesorgt haben.

New York versucht, als Fintech-Standort dem Silicon Valley den Rang abzulaufen. Wie sind die Chancen?
Die Leute vergessen oft, dass das Valley schon eine 70-jährige Geschichte hat. Nach dem zweiten Weltkrieg hat die Regierung dort viel in Technik investiert, in den Rüstungsbereich. Die Erfahrung, die sich dort angesammelt hat, ist nicht so leicht aufzuholen. Die Region hatte schon mehrere Zyklen hinter sich, bevor andere versucht haben, ihren Erfolg zu kopieren.

Aber in New York sitzen die großen Kunden, die Banken.
Ja. Wer mit denen Geschäfte machen will, ist dort ganz gut aufgehoben, sollte aber auch Kontakte im Valley haben. Wer Unternehmen aufbaut, die direkt für die Endkunden arbeiten oder wer technisch in die Tiefe gehen will, dem würde ich auf jeden Fall zum Silicon Valley als Standort raten. In New York gibt es sicher mehr Leute, die sich mit Bankregulierung auskennen, aber nicht so viele, die wissen, wie man ein ganzes Ökosystem von Entwicklern aufbaut.

Wie sieht es in Europa mit Fintechs aus?
London hat früh versucht, gute Bedingungen zu schaffen, dabei haben auch die Regierung und die Aufsichtsbehörden mitgezogen. Paris versucht jetzt aufzuholen. Frankfurt sieht sich ebenfalls als Standort für Fintech. Berlin hat eine wirklich aufregende Start-up-Szene, wenn auch nicht so sehr im Finanzbereich. In Asien spielen Singapur und Hongkong eine Rolle.

Investieren Sie in Deutschland?
Der gesamte deutschsprachige Raum ist schon sehr interessant. Wir sind da bisher unterrepräsentiert.

Wie wandelt sich die Szene? Wohin fließt jetzt das Geld?
Generell sind zuletzt Angebote für Firmen mehr in den Vordergrund getreten gegenüber dem direkten Geschäft mit den Konsumenten. Anfangs haben reine Bezahldienste eine große Rolle gespielt. Deren Bedeutung ist etwas geschwunden. Allerdings kann dieser Bereich wieder interessant werden, wenn sich ausgereiftere Konzepte durchsetzen.

Es gibt einen großen Hype um die Blockchain, die Technik hinter den Bitcoins. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Ich gehe nicht von der Technik aus, sondern von den Anwendungen. In Unternehmen, die Blockchains für Banken oder andere Dienstleister bauen, würde ich nicht mehr investieren. Da ist schon genug Geld hinein geflossen. Interessanter wäre, wenn jemand ein ausgefallenes Konzept darauf aufbaut – zum Beispiel im Handel. Wenn Sie überlegen, wie viel Papierkram heute noch mit der Lieferung eines Containers verbunden ist, das ließe sich mit der Blockchain vereinfachen, einschließlich einer automatischen Zahlung bei Ankunft.


Wie Sigal künstliche Intelligenz sieht

Was für Anwendungen schweben Ihnen noch vor?
Bisher ist schon viel im Verkauf und im Marketing automatisiert worden, aber wenig im Finanzbereich der Firmen. Es gibt jetzt einen Anbieter mit dem Namen Yaypay, der vereinfacht die Bearbeitung von Forderungen und stellt nebenbei Prognosen auf, wie viel laufende Finanzierung der Kunde braucht.

Also geht es um Rationalisierung?
Ja, darum, die internen Arbeitsabläufe zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Und wie schätzen Sie die Themen künstliche Intelligenz und Daten ein?
Mit künstlicher Intelligenz alleine können Sie nicht viel anfangen. Mich interessieren Firmen, die ganz neue Datenquellen auswerten. Zum Beispiel Zyudly Labs. Die Firma treibt sich mit Bots, also mit künstlicher Intelligenz, im dunklen Internet herum und versucht so mitzubekommen, aus welcher Ecke Cyber-Angriffe zu erwarten sind. Anders gesagt: Sie befasst sich nicht mit technischen Lücken, sondern direkt mit den Kriminellen.

Banken haben ja auch selbst eine Menge Daten, die oft ungenutzt sind.
Ja, Alpharank zum Beispiel baut aus den Zahlungsvorgängen Beziehungsnetze auf, ganz ähnlich wie Facebook das macht. Damit weiß die Bank, welche Kunden besonders wichtig sind, weil sie mit vielen anderen Kunden zusammenarbeiten. Dann gibt es Firmen wie Datatron, die helfen, schneller Querverbindungen zwischen ganz verschiedenen Daten, etwa aus dem Marketing und der Finanzierung, zusammenzuführen und auszuwerten.

Welche Rolle spielen denn große Finanzkonzerne als Investoren?
Eine wachsende. Deren Anteil an Finanzierungen ist seit in einem Jahr von gut einem Fünftel auf rund ein Drittel gewachsen. Da sind auch die Deutschen dabei, etwa Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz. Die haben begriffen, dass sich auch die Kultur im Unternehmen ändern muss.

Wie wird sich die Finanzbranche in den nächsten Jahren verändern?
Die Finanzbereiche macht heute 17 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Dabei werden bisher weniger als ein Prozent der Darlehen online vergeben. Ich glaube, dass das Gewicht der Branche abnimmt. Wahrscheinlich wird es eine Konsolidierung geben, ähnlich wie bei Telekom-Unternehmen und bei Medien.

Welche Konzerne überleben?
Diejenigen, bei denen die Kunden am wenigsten davon mitbekommen, dass sie es mit einer Bank zu tun haben.

Herr Sigal, vielen Dank für das Interview.

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