Wegen Refinitiv-Kauf LSE verhandelt über Verkauf der Mailänder Börse

Die Londoner Börse muss sich womöglich von Teilen oder komplett vom Börsenbetreiber Borsa Italiana trennen. Das weckt Interesse bei der Deutschen Börse.

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Im Zusammenhang mit der Prüfung des Refinitiv-Kaufs hat die Londoner Börse erste Gespräche über den Verkauf der zur Borsa Italiana gehörende Plattform begonnen. Quelle: Reuters

Die Londoner Börse (LSE) muss sich möglicherweise wegen der geplanten 27 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Datenanbieters Refinitiv von Teilen der italienischen Tochter oder komplett vom Börsenbetreiber Borsa Italiana trennen.

Im Zusammenhang mit der Prüfung des Refinitiv-Kaufs durch die Europäische Kommission habe die London Stock Exchange (LSE) erste Gespräche über den Verkauf der zur Borsa Italiana gehörende Plattform für den Handel von Staatsanleihen MTS oder des italienischen Börsenbetreiber im Ganzen begonnen, teilte das britische Unternehmen am Freitag in London mit.

Dies müsse aber nicht heißen, dass es auch zu einer Transaktion kommt. Die Deutsche Börse hat bereits Anfang des Jahres ihr Interesse an dem Geschäft bekundet, auch die Mehrländer-Börse Euronext dürfte um die Sparte buhlen.

Der Dax-Konzern will grundsätzlich vor allem aus eigener Kraft wachsen, setzt aber auch auf Übernahmen. Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer will aber vor allem das Geschäft außerhalb des Aktiensegments wie etwas den Devisenhandel ausbauen, um die Abhängigkeit von den Schwankungen dort zu verringern. Insofern könnte die Plattform MTS gut passen, die italienische Börse als Ganzes eher weniger.

Überschneidungen im Staatsanleihenhandel

Die LSE hatte die Borsa Italiana 2007 für 1,6 Milliarden Euro erworben und bisher stets betont, an dem Geschäft festhalten zu wollen. Doch die EU-Wettbewerbshüter haben eine vertiefte Prüfung der Refinitiv-Übernahme eingeleitet, weil sie sich unter anderem an den Überschneidungen im Staatsanleihen-Handel stören, wie LSE-Chef David Schwimmer am Freitag sagte.

MTS und die Refinitiv-Sparte Tradeweb sind Marktführer beim Handel von europäischen Staatsanleihen. Es spreche aber auch einiges dafür, sich vom kompletten Italien-Geschäft und nicht nur von MTS zu trennen, sagte Schwimmer.

Die Deutsche Börse liebäugelt schon länger mit einer Übernahme des Italien-Geschäfts. Der Konzern würde sich das Italien-Geschäft der LSE sicherlich anschauen, sollten die Londoner sich davon trennen wollen, hatte Vorstandschef Theodor Weimer im Februar auf die Frage nach einem Interesse an der Mailänder Börse gesagt.

Bei einer Analystenkonferenz zu den Quartalszahlen hatte Weimer am Donnerstag erklärt, dass sich das Fusionskarussell schneller drehe. „Es gibt bestimmte Gespräche, wo Leute vielleicht bestimmte Dinge verkaufen müssen“, sagte er. „Sie sind klug genug, um zu wissen, was ich damit meine.“ Man schaue sich grundsätzlich alle Dinge an, die zu dem Konzern passen, auf dem Markt seien und bei denen der Preis vernünftig sei.

Ein Bietergefecht könnte diesen schnell in die Höhe treiben. Die Euronext hat in der Vergangenheit wiederholt erklärt, sie würde sich auch gerne die Mailänder Börse einverleiben.

Sie betreibt bereits Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel, London, Lissabon und Dublin. Von der Euronext war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten, ein Sprecher der Deutschen Börse verwies auf die früheren Aussagen von Weimer.

Refinitiv-Übernahme verzögert sich

Italien betrachtet die Mailänder Börse als strategisches Asset. Abgeordnete der regierenden Fünf-Sterne-Bewegung forderten am Freitag, dass die Regierung in Rom alle Anstrengungen unternehmen sollte, damit die Borsa Italiana wieder in italienischen Händen lande.

Vor kurzem hatten sie einen Plan für die Übernahme der Börse durch ein Bieterkonsortium der größten italienischen Finanzkonzerne und der Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) vorgelegt. Doch im Finanzministerium stießen sie Insidern zufolge damit auf Widerstand.

Schwimmer gestand ein, dass sich die Refinitiv-Übernahme verzögert. „Wir erwarten den Abschluss der Transaktion Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres“, sagte LSE-Chef David Schwimmer. Bislang hatte er sich zuversichtlich gezeigt, den Kauf im zweiten Halbjahr abzuschließen. Das US-Justizministerium hat seine Kartellprüfung dagegen beendet.

LSE profitiert vom auf und Ab der Börsen

Refinitiv gehört bislang zu 55 Prozent dem Finanzinvestor Blackstone und zu 45 Prozent Thomson Reuters, dem Eigentümer der Nachrichtenagentur Reuters. Nach der Refinitiv-Übernahme werden Blackstone und Thomson Reuters rund 37 Prozent der LSE besitzen, aber weniger als 30 Prozent der Stimmrechte.

Mit dem Zukauf kann die LSE das lukrative Datengeschäft ausbauen und ihre Abhängigkeit vom klassischen Aktienhandel reduzieren, dessen Gewinne seit Jahren unter Druck sind und stark von den Launen an den Finanzmärkten abhängen. Im ersten Halbjahr profitierte die LSE wie die Konkurrenten vom Auf und Ab der Börsen im Zuge der Corona-Pandemie. Der bereinigte Betriebsgewinn stieg um acht Prozent auf 575 Millionen Pfund (636 Millionen Euro).

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