Neuer Leitindex startet Was der neue Dax 40 bringt

Dax-Anzeigetafel an der Frankfurter Börse Quelle: dpa

Nach den Regeländerungen im Dax startet der erweiterte Leitindex ab dieser Woche mit 40 Werten in den Handel. Wer die zehn neuen Mitglieder sind und was die Erweiterung jetzt für Anleger bedeutet.

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Vor gut 33 Jahren startete der Deutsche Aktienindex (Dax) mit seinen 30 Werten in den Handel. Immer wieder schafften es neue Unternehmen in den elitären Kreis, verdrängten Konkurrenten in die unteren Börsenligen. Der wichtigste deutsche Aktienindex und seine 30 Werte – das war einmal. Mit der neuen Woche startet der Dax mit 40 Werten in den Handel. Die Deutsche Börse hatte bereits Anfang September bekanntgegeben, wer künftig dem erweiterten Dax angehören wird. Überraschungen blieben dabei aus, schon im Vorfeld hatten die Aufsteiger weitgehend festgestanden – denn über die Indexmitgliedschaft entscheidet vor allem ein einziges Kriterium. Neu in den deutschen Aktien-Leitindex steigen der deutsch-französische Flugzeughersteller Airbus, Modeversandhändler Zalando, Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers, Duft- und Aromenspezialist Symrise, Lebensmittellieferdienst HelloFresh, Laborausrüster Sartorius, die Autoholding und VW-Mutter Porsche, Chemiehändler Brenntag, Sportartikelhersteller Puma und Biotech-Konzern Qiagen auf. 

Letztere zwei Aufsteiger waren am ehesten Wackelkandidaten. Chancen hatten sich bis vor einigen Wochen auch noch Kosmetikmulti Beiersdorf und Immobilienunternehmen LEG ausgerechnet. Sie bleiben nun im Mdax, aus dem auch alle anderen Aufsteiger stammen. Im Gegenzug zur Dax-Vergrößerung wird der Mdax verkleinert, von 60 auf 50 Werte. Umgesetzt wird die Dax-Änderung allerdings erst zum 20. September.

Unter den Dax-Aufsteigern ist Airbus am bedeutendsten. Der Flugzeughersteller wird aufgrund seines hohen Börsenwerts auf Augenhöhe mit Autohersteller Daimler und Versicherungskonzern Allianz rangieren. Von der Bedeutung her hätte Airbus auch früher schon in den Dax gehört, doch das war wegen des Hauptunternehmenssitzes in Toulouse, Frankreich, und dem dominierenden Börsenhandel der Aktie an der französischen Börse bislang nicht möglich. Durch die Erweiterung des Dax und die Anwendung neuer Regeln stand der Indexmitgliedschaft jetzt nichts mehr im Wege.

Wirecard-Pleite zwang zum Handeln

Die Idee für einen breiteren Dax war schon zum 30. jährigen Jubiläum, im Juli 2018, aufgekommen. Zu dominant waren für viele Kritiker die Branchen Chemie, Autoindustrie, Energie und Finanzen. Spätestens mit dem Wirecard-Skandal gab es dann keine Entschuldigung mehr für ein „Weiter so“. Die Deutsche Börse hatte den Zahlungsdienstleister selbst dann nicht sofort aus dem Dax werfen können, als der schon insolvent war. Erst durch eine Regeländerung war der Rauswurf von Wirecard wenigstens am 21. August 2020 möglich geworden, statt erst einen Monat später. Die Blamage war trotzdem groß. Für Wirecard rückte der Essenslieferant Delivery Hero nach. Auch das führte zu Kritik, denn das Unternehmen hatte noch nie Gewinn erzielt.

Die neuen Regeln des Dax 40 sind nun einfacher. Zwar wird die Zusammensetzung des deutschen Aktien-Leitindex regulär nun zwei Mal statt ein Mal pro Jahr überprüft, im März und September. Dafür spielt aber nur noch ein Kriterium die wichtigste Rolle: der Börsenwert. Zur Berechnung des Börsenwertes wird der Durchschnittskurs der letzten 20 Handelstage im Vormonat angesetzt, jetzt also im August. Dieser wird - wie bisher schon - mit der Anzahl der frei handelbaren Aktien multipliziert, dem sogenannten Streubesitz. Anders als früher spielt der Handelsumsatz in der Aktie keine direkte Rolle mehr, vorausgesetzt wird nur eine gewisse Mindestliquidität. Keine Aktie darf mehr als zehn Prozent Gewicht im Dax haben, auch das bleibt wie gehabt. Bei besonders starken Verschiebungen kann auch eine Überprüfung im Juni und Dezember zu einem Wechsel im Index führen; diese „Fast-Exit-Regel“ bleibt ebenfalls erhalten.

Obwohl es hierzu viele Diskussionen gab, spielen qualitative Kriterien nur indirekt eine Rolle. Zwischenzeitlich wurde zum Beispiel auch über einen Ausschluss von Waffengeschäften oder eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsstandards bei der Dax-Auswahl diskutiert. Das Meinungsbild unter befragten Investoren und Börsenexperten war hierzu laut der Deutschen Börse aber „heterogen“. Solche Aspekte sollten daher über spezielle Themen-Indizes abgebildet werden, nicht aber bei der Auswahl für den Dax. 

Etwas Qualität zählt auch

Ein paar neue Anforderungen, abseits der rein zahlenbasierten Auswahl, stellt die Deutsche Börse aber doch an die neuen Dax-Mitglieder. Teils wurden diese bereits in den vergangenen Monaten eingeführt. So müssen sie Quartalsberichte und testierte Geschäftsberichte vorlegen. Wenn sie dagegen verstoßen, fliegen sie zeitnah aus dem Dax. Um neu in den Dax aufsteigen zu können, ist zudem ein Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat nötig. Dieser Ausschuss soll zum Beispiel das Risikomanagementsystem im Unternehmen überprüfen. Bereits im Dax notierte Werte müssen diese Vorgabe erst im September 2022 erfüllen. Schon seit Dezember 2020 wird bei neuen Dax-Werten außerdem Profitabilität vorausgesetzt: Für die Aufnahme müssen sie in den vergangenen zwei Geschäftsjahren vor Aufnahme Gewinn erzielt haben, gemessen am Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda).

Wichtig ist der Börse bei aller Veränderung, dass der Dax seine Erfolgsgeschichte fortschreiben soll. So ändert sich auch der Indexstand durch den Umbau allein nicht. Erst mit Umstellung haben die neu zusammengestellten 40 Dax-Werte dann Einfluss auf die weitere Wertentwicklung. Die Bedeutung der 30 bisherigen Werte nimmt dabei etwas ab. Indexfonds, die den Dax exakt abbilden, müssen dafür ebenfalls die neu aufgenommenen Aktien kaufen oder anderweitig sicherstellen, dass sie deren Wertentwicklung mit abbilden. Laut Datenanalysten von Bloomberg Intelligence sind ETFs mit einem verwalteten Vermögen von rund 16 Milliarden Euro betroffen. Weil die meisten Aufsteiger aber bereits mit viel Vorlauf feststanden, sollten die Kursauswirkungen eher überschaubar sein.



Für die meisten Anleger ändert sich durch den Dax-Umbau also vorerst nichts, perspektivisch aber womöglich schon. Ob der Umbau wirklich zu ihrem Vorteil ist? Sicher ist das nicht. Es gibt Kritik, dass der neue Dax zwar größer, aber nicht repräsentativer für die eigentlichen Stärken der deutschen Wirtschaft ist. Und die neuen Werte werden den Charakter des Dax durchaus verändern: Im Durchschnitt haben die Neulinge eine um 50 Prozent höhere Gewinnbewertung, bieten weniger Dividende und höhere Kursschwankungen, wie diese aktuelle Analyse zeigt

Das Beste schon hinter sich?

Wie bei allen neu in den Dax aufgestiegenen Werten gilt zudem: Ein Stück ihres starken Kursanstiegs haben sie schon hinter sich, wenn nicht gar einen Großteil. Denn nur durch diese starke Kursentwicklung konnten sie sich für den Dax qualifizieren. Das Risiko, dass die Unternehmensbewertung schon hoch ist, ist damit nicht zu vernachlässigen. Die weiteren Kurschancen für Anleger sinken dann. Normalerweise betrifft dies nur wenige neue Dax-Werte, jetzt aber kommen auf einen Schlag zehn neu dazu - nach einigen bereits recht guten Börsenjahren. 

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