Wences Casares Der Bitcoin-Banker von Südamerika

Als Argentinier weiß Wences Cesares, was Währungskrisen und Inflation anrichten können. Wie der Sohn patagonischer Schafzüchter zum Internet-Tycoon aufstieg und nun mit Bitcoin den großen Wurf wagt.

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In ihm sehen Bewunderer den Mark Zuckerberg Südamerikas: Internet-Tycoon Wences Casares Quelle: Laif

Wenn Wences Casares detailreich doziert über die Geschichte des Geldes, vom Tauschhandel über Münzen, Banknoten, Goldstandard bis hin zu Kryptowährungen, dann ist seine Stimme kühl, so als ob er über einen abstrakten Gegenstand spricht. Nur einmal schwingt etwas Emotion in ihr. „Die meisten Menschen in den Industrieländern haben doch keinerlei Vorstellung davon, wie es ist, seine Ersparnisse durch Geldentwertung zu verlieren, manchmal quasi über Nacht“, sagt der 40-jährige Argentinier.

Casares ist geprägt von Verlust. Seine Eltern, die Schafe auf einer Ranch in Ostpatagonien züchten, standen schon mehrmals vor dem Nichts; vor geschlossenen Banken, mit Geld auf dem Konto, dessen Währung sich fast auflöste. Wie schon so oft in den vergangenen Jahrzehnten kämpft sein Heimatland auch derzeit wieder mit hoher Inflation und Währungsverfall. Wer irgendwie kann, versucht seine Peso in harte Währung umzurubeln über Geldvermittler, die Dollar-Scheine über die Grenze schmuggeln und wegen der Gefahr Aufschläge von zehn Prozent und mehr verlangen. Weil das Bargeld wiederum Kriminelle anzieht, tauschen einige Argentinier ihr Geld gerne in die Elektrowährung Bitcoins um – vollständig elektronisch, ohne überbordende Gebühren und die Gefahr eines Überfalls.

Zehn exotische Zahlungsmittel
BiberfellIn früheren Jahrhunderten galt Biberfell in Nordamerika als Zahlungsmittel. Es gab nicht nur Wechselkurse für Biberfelle - gegen zwei Felle gab es beispielsweise ein Pfund Tabak - sondern auch etwas später auch Bibermünzen als Zahlungsmittel. Quelle: dpa
KanugeldIm Königreich Luang Prabang in Laos zahlten die Menschen früher mit einem bronzenen Barren, der wie ein Boot geformt war. Deshalb wurde dieser dortige Vorläufer des Münzgeldes Kanu- oder Bootsgeld genannt. Quelle: AP
Bild Ersatzgeld Havelblüten
Tee Quelle: REUTERS
Eingeborener auf Papua-Neuguinea Quelle: dpa/dpaweb
Kakao Quelle: obs
Bananenblatt Quelle: dpa

Casares hat vor drei Jahren über einen befreundeten Unternehmer die Kryptowährung entdeckt – und gekauft. Seitdem hat sie ihn nicht mehr losgelassen. Vor allem, dass ihre Menge limitiert ist, fasziniert ihn. „So könnten wir Stabilität beim Geld hinbekommen“, ist er überzeugt.

Dass Bitcoin derzeit unter extremen Kursschwankungen leidet, vor allem ein Spekulationsgut ist und heiß umstritten, ist ihm bewusst. Momentan, so räumt er ein, würde er niemandem empfehlen, sein ganzes Geld in Bitcoin zu stecken. Die Kryptowährung stecke noch in den Anfängen. „Je mehr Leute sie einsetzen und im Zahlungsverkehr nutzen, umso stärker werden die Schwankungen zurückgehen“, meint er.

Bitcoins lagern in Schweizer Tresoren

Casares arbeitet daran. Vom Silicon Valley aus, unterstützt von Programmierern in Buenos Aires, betreibt er Xapo, einen der derzeit größten Bitcoin-Verwalter der Welt. Hedgefonds, Stiftungen und Privatpersonen lagern bei Xapo ihre digitalen Münzen auf Offline-Computern, die in mehreren Kontinenten in bewachten Untergrund-Tresoren untergebracht sind. An die Guthaben zu kommen und sie zu bewegen dauert daher mindestens 24 Stunden. Für schnelleren Zugriff lassen sich Teile des Guthabens online zwischenspeichern. Der größte Tresor befindet sich in den Alpen. Auch aus Marketinggründen. „Die Schweiz gilt noch immer als Hort der Sicherheit“, so der Xapo-Chef und „viele unserer Kunden sind Deutsche“. Vor allem aber wirbt er damit, dass die Bitcoins gegen Verlust durch Hacker-Angriffe oder Bankrott des Verwalters über einen eigenen Versicherer geschützt sind. Xapo selber finanziert sich aus Gebühren für Lagerung und Zugriff auf die Bitcoins. „Wir spekulieren nicht mit dem Vermögen unserer Kunden“, sagt Casares.

Im Silicon Valley vertraut man dem Unternehmer. Mit 41 Millionen Dollar hat der Argentinier die derzeit größte Finanzierungssumme für ein Bitcoin-Start-up eingesammelt. Zu den Investoren gehören neben Risikokapitalgeber Benchmark Capital, der Ebay und Twitter finanziert, auch lokale Prominenz wie Yahoo-Gründer Jerry Yang, PayPal-Mitgründer Max Levchin und Facebook-Finanzier Yuri Milner. Der Argentinier ist auch deshalb so umworben, weil er etwas hat, was Risikokapitalgeber besonders schätzen – nachgewiesenen Erfolg als Unternehmer. Vier Start-ups hat Casares bereits gegründet und für über eine Milliarde Dollar verkauft. In Südamerika ist er deshalb so berühmt wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Amazon-Chef Jeff Bezos in den USA. Trotzdem ist ihm Arroganz fremd. Er beantwortet an ihn gerichtete E-Mails immer noch selber. Und kann sich noch gut daran erinnern, wie er in eine Schublade gesteckt wurde, nur weil seine Eltern nicht mit Reichtum gesegnet waren.

"Ich fühle mich bei Bitcoin an die Anfangszeiten des Internets erinnert"

Weniger bekannt ist, dass seine Karriere mit einem persönlichen Fehlschlag startete. Anfang der Neunzigerjahre war Casares nach einem Jahr als Austauschschüler in den USA zur weiteren Ausbildung nach Buenos Aires gekommen. Richtig faszinierte ihn das Internet, Netscape hatte damals den ersten kommerziellen Browser vorgestellt. Er brach seine Ausbildung ab, hob dann Argentiniens ersten Internet-Provider aus der Taufe. Das nötige Kapital bekam der Student von einem Geldgeber per Handschlag. „Ich habe ihm deshalb blind vertraut“, sagt Casares. Und als dieser ihn später bat, das Investment zu formalisieren, unterzeichnete er prompt die vorgelegten Verträge – und merkte nicht, dass er damit sein Unternehmen an den Geldgeber übereignet hatte. Was ihm erst bewusst wurde, als er überraschend gefeuert wurde und sein eigenes Unternehmen nicht mehr betreten durfte. „Ich war 20 Jahre alt, jung und unerfahren“, erinnert sich Casares. „Es war eine dunkle Zeit.“ Der Gründer hätte klagen können. Doch das hätte Jahre gedauert. „Ich treibe lieber Dinge aktiv voran, als abzuwarten“, erklärt er.

Der Euro verliert sogar gegen den Tögrög
Afghanischer AfghaniAm 07.Oktober 2002 wurde der neue Afghani in Afghanistan eingeführt. Die neue Währung sollte die Währungsvielfalt eindämmen und die Wirtschaft ankurbeln. Für 1.000 alte Afghani bekam man einen neuen (siehe Bild ). Im Jahr 2003 gehörte das Land noch zu den ärmsten Ländern der Welt. Krieg und politische Unsicherheit lähmten das Land. Trotz der weiterhin komplizierten Lage wird mittlerweile mehr in das Land investiert. Die EU ist einer der wichtigsten Handelspartner Afghanistans.Veränderung zum Euro (12 Monate): + 6 Prozent Quelle: ap
Albanischer LekLek steht im albanischen Sprachgebrauch nicht nur für die Währung, sondern auch allgemein für Geld. Seit 1925 ist der Lek offizielles Zahlungsmittel in Albanien. Wegen der hohen Inflation ist die kleinste Münze im Umlauf die fünf Lek-Münze; kleinere Münzen haben höchsten noch einen Sammlerwert. 1964 fand eine Währungsreform statt bei der eine Null gestrichen wurde, 10 alte Lek also gegen einen neuen eingetauscht werden konnten.Veränderung zum Euro (12 Monate): + 3 Prozent
Armenischer Dram1993 löste der Dram den russischen Rubel ab. Nach dem Zerfall der Sowjetunion fiel Armenien, wie viele andere neu entstandene Republiken, in eine Wirtschaftskrise. Insbesondere der Umstieg von Plan- auf Marktwirtschaft bereitet dem Land Schwierigkeiten und ist noch nicht ganz gelungen. Die Inflation liegt bei etwa fünf Prozent - relativ wenig im Vergleich zu den Nachbarländern. Trotzdem ist Armenien das ärmste Land im Kaukasus. Auf der Vorderseite des 50-Dram-Scheines sieht man den armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan.Veränderung zum Euro (12 Monate): + 5 Prozent
Äthiopischer BirrDer äthiopische Birr wird in 100 Santim unterteilt. Die Staatsschulden des ostafrikanischen Landes betrugen 2009 etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Äthiopien gilt in Verbindung mit seinen Vorgängerstaaten als ältester bestehender Staat der Welt. Wegen der Währungsschwäche sind Ein-Santim-Münzen recht selten. (Auf dem Bild: Eine Fünf-Santim-Münze.)Veränderung zum Euro (12 Monate): + 10 Prozent
Bangladeschischer TakaDas "Land der Bengalen" ist der am dichtesten bewohnte Flächenstaat der Welt und grenzt im Westen an Indien. Der Staat gehört zu den ärmsten der Welt, obwohl die Wirtschaft des Landes, wie in vielen anderen Schwellenländern, kräftig wächst (2011 lag das Wirtschaftswachstum bei 6,7 Prozent). Die Wirtschaft befindet außerdem im Wandel: die Industrie gewinnt mehr an Bedeutung, während die Landwirtschaft immer mehr in den Hintergrund gerät. Die Inflation lag in den vergangenen Jahren zwischen vier und sechs Prozent.Veränderung zum Euro (12 Monate): + 5 Prozent
Bhutanischer NgultrumDie Wirtschaft im Westen des Königreichs Bhutan - östlich von Indien - profitiert von der Hauptstadt Tiumphu und von entstehenden Wasserkraftprojekten. Der Osten dagegen ist wirtschaftlich deutlich schwächer. Die wirtschaftlichen Interessen haben gegenüber Umweltschutz das Nachsehen, weshalb das Land über eine fast einzigartige Naturbelassenheit verfügt. Wer unter 16 Euro im Monat verdient, lebt unter der offiziell festgesetzten Armutsgrenze - 2007 waren dies mehr als 20 Prozent der Bevölkerung.Veränderung zum Euro (12 Monate): - 8 Prozent
Bolivianischer BolivianoOberstes Ziel der Politik ist die Armutsbekämpfung. Das Land ist auch das ärmste in ganz Südamerika. Das Wirtschaftswachstum, das stark von den Öl- und Gasexporten abhängig ist, erreichte 2008 6,8 Prozent. Wegen der rückläufigen Entwicklung der Energiepreise wird die Wirtschaft in Zukunft wohl weniger stark wachsen. Nachdem die Inflation im Jahr 2008 auf über elf Prozent stieg, konnte die Inflation im Jahr darauf auf unter ein Prozent gedrückt werden.Veränderung zum Euro (12 Monate): + 14 Prozent

Stattdessen studierte er Betriebswirtschaft und ging wieder unter die Gründer. Im Jahr 2000 kaufte Banco Santander seine 1997 gegründete Online-Bank Patagon für 750 Millionen Dollar. Sein nächstes Projekt, die Banco Lemon, eine brasilianische Bank für Kunden mit niedrigem Einkommen, übernahm Banco do Brasil 2009. Nebenbei gründete Casares noch den Spieleentwickler Wanako Games, bekannt für das preisgekrönte Ballerspiel „Assault Heroes“; hier griff später Vivendi Games zu. Stolz auf diese Erfolge ist Casares aber nicht. „Mein Ziel ist, etwas Langfristiges, richtig Großes zu schaffen, das überdauert“, sagt er. „Man ist ja auch nicht stolz darauf, wenn man fünfmal verheiratet war.“

Passion für Bitcoins

Xapo soll nun dieser große Wurf werden. Ursprünglich wollte Casares seine aktive Unternehmerkarriere beenden und sich mehr um seine Frau und seine drei Kinder kümmern, mit denen er in der idyllischen Silicon-Valley-Enklave-Woodside wohnt.

Familie bedeutet ihm viel. 2004 nahm er eine Auszeit von drei Jahren, um mit seiner Frau Belle und Sohn Diogenes von Miami aus die Welt auf dem Katamaran „Simpatica“ zu umrunden. Auf der Reise kam im neuseeländischen Auckland ihr zweiter Sohn Theodore zur Welt. „Start-ups hochzuziehen erschöpft ungemein“, sagt er. Doch seine Frau, eine Amerikanerin, ermunterte ihn, unter die Bitcoin-Unternehmer zu gehen. „Sie sah meine Passion“, sagt Casares. „Ich fühle mich bei Bitcoin an die Anfangszeiten des Internets erinnert.“

Sein neuestes Projekt ist eine Scheckkarte, mit der Kunden mittels Bitcoin bezahlen können. Xapo prüft dabei das Guthaben der Kunden, wandelt die entsprechende Summe in die gewünschte Währung um und übergibt dann an Visa. Wegen der Komplexität gab es zum Start Verzögerungen. „Am schwersten war, einen Bankpartner zu finden“, sagt Casares. Er einigte sich mit Wave Crest aus Gibraltar, die Karten für Visa und Mastercard ausgeben darf. In Deutschland funktioniert die Karte bereits.

In den USA laufen noch die Verhandlungen mit den Aufsichtsbehörden. Wird sich Bitcoin durchsetzen? Casares überlegt seine Antwort sorgfältig. „Ich würde sagen, die Wahrscheinlichkeit ist erheblich größer als 50 Prozent, vielleicht 20 Prozent dagegen“, sagt er dann. „Das sind doch gute Chancen, oder?“

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