WeWork, Regus & Co. Warum Coworking so beliebt ist – und welche Gefahren es birgt

Warum Coworking so beliebt ist – und welche Gefahren es birgt Quelle: imago images

Coworking ist längst nicht mehr nur für Freelancer und Gründer attraktiv. Anbieter wie WeWork haben die Idee industrialisiert, mit Großkonzernen als Kunden. Kritiker fürchten die wachsende Marktmacht der großen Player.

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Vintage-Möbel, Lampen im Industriedesign und Metallrohre, die von der Decke hängen: Coworking-Anbieter eröffnen quer durch die Bundesrepublik flexible Büroflächen. Interessant ist das Konzept nicht nur für Nutzer, sondern auch für Vermieter und – seit das US-Unternehmen WeWork seine Börsenpläne öffentlich gemacht hat – für Investoren.

Dabei gibt es die Idee schon lange. Der hinter dem WeWork-Konkurrenten Regus, mit seiner hipperen Coworking-Marke „Spaces“, stehende Konzern IWG ist auch schon börsennotiert. Neu ist nur das aggressive Wachstum der großen Ketten. Sie alle wollen mehr sein, als eine bequeme Alternative zum Homeoffice oder dem improvisierten Büro im Starbucks. Aber was genau, ist vielen unklar. Die wichtigsten Antworten.

Was ist Coworking überhaupt?
Coworking kommt aus den USA. Einst teilten sich Kreative an der Westküste Büroflächen, um sich zu vernetzen, gemeinsam neue Ideen entwickeln und gleichzeitig Geld zu sparen. Doch viel ist von dieser romantischen Idee nicht mehr übrig geblieben.

Zwar gibt es noch immer kleine Anbieter, die den Gemeinschaftsgedanken in den Mittelpunkt stellen. Den Markt dominieren allerdings große Ketten, die das Coworking-Gefühl industrialisiert haben. Die bekannteste ist die We Company, die hinter dem US-Anbieter WeWork steht. Zwar betont das Unternehmen ebenfalls, dass es ihm um Gemeinschaft gehe. Weil WeWork aber immer weniger Einzelpersonen und immer mehr Firmen zu seinen Kunden zählt, werfen Kritiker dem Unternehmen vor, den Coworking-Begriff für Marketingzwecke zu missbrauchen und so zu verwässern.

Wie funktioniert das Geschäftsmodell?
Anbieter wie WeWork schalten sich zwischen Immobilienbesitzer und Bürosuchende. Sie mieten Gebäude langfristig an, hübschen sie mit hippen Möbeln auf und vermieten die Flächen zu einem höheren Preis und kürzeren Laufzeiten unter. Dafür ist das Büro dann sozusagen all inclusive: Der Anbieter kümmert sich um Internet und Reinigung, stellt Drucker und Meetingräume zur Verfügung. Meist gibt es Getränke und Networking-Events obendrauf.

Dieses Rundum-Sorglos-Paket hat seinen Preis. Für einen Platz im eigenen Büro beispielsweise sollen Mitglieder des neuen WeWork-Standorts am Köln Friesenplatz 600 Euro im Monat bezahlen. Das billigste Modell, ein sogenannter Hot Desk, kostet 300 Euro im Monat. Dafür darf sich das Mitglied bis zum Ende des Tages einen Platz suchen, der gerade frei ist. Für 400 Euro bekommen Mitglieder einen eigenen Schreibtisch im offenen Bereich, auf dem sie immerhin mal ein Foto über Nacht stehen lassen dürfen.

Warum ist das Interesse an den flexiblen Arbeitsplätzen groß?
Andreas Schulten ist Generalbevollmächtigter beim Immobilienberater Bulwiengesa. Er sieht zwei wesentliche Gründe für den Trend: „Die banalste Erklärung ist der Flächenmangel. Wenn keine anderen erschwinglichen Flächen frei sind, muss man eben ausweichen.“ Zwar gebe es noch einige freie Büros in Randlagen, doch begehrt seien vor allem die Top-Adressen. Das bedeutet: Je mehr Flächen in guter Lage ein Anbieter wie WeWork anmietet, desto knapper die Alternativen und desto größer der potenzielle Kundenkreis.

Noch schwerer wiegt Schulten zufolge aber der Wunsch nach Flexibilität – denn Coworking ist mehr als eine bequeme Alternative zum Homeoffice. Die Flächen sind räumlich und zeitlich flexibel. Hat der Mieter keinen Bedarf mehr, kann er seinen Vertrag monatlich kündigen ohne sich um einen Nachmieter kümmern zu müssen. Steigt sein Bedarf, bucht er einfach Fläche dazu. Das überzeugt nicht nur Freiberufler und Selbstständige, sondern auch immer mehr Konzerne. So hat etwa die Deutsche Bahn ihr Digitalgeschäft in einen WeWork-Standort ausgelagert.

Mehr Tech-Firma, als Immobilienakteur

Wird Coworking zur Normalität?
Zumindest ist es keine Modeerscheinung, sagt Stephan Leimbach, der die Bürovermietung des Immobilienberaters JLL leitet. „Coworking und flexible Büroflächen werden fester Bestandteil unseres Alltags, denn die Arbeitswelt wird immer flexibler.“ Zu diesem Ergebnis kommt auch der Immobilienberater Colliers, der in einer Studie unter anderem nach der Motivation von Coworking-Nutzern gefragt hat. Demnach spielt der Gemeinschaftsgedanke inzwischen eine eher untergeordnete Rolle. Den Befragten geht es vor allem um Verfügbarkeit, Lage und Flexibilität.

In den sieben größten deutschen Städten haben Anbieter wie WeWork JLL zufolge schon mehr als eine Million Quadratmeter unter Vertrag. Das ist zwar nur ein Prozent des gesamten Bürobestandes. Doch ist das Angebot in den vergangenen drei Jahren um 70 Prozent gestiegen.

Gibt es auch Nachteile?
Gefahren sehen Experten vor allem in der wachsenden Marktmacht der großen Anbieter. WeWork etwa wird häufig mit Airbnb oder Uber verglichen – aus gutem Grund. „WeWork ist kein klassischer Immobilienakteur, sondern im Grunde eine Tech-Firma“, sagt JLL-Experte Leimbach. Das Unternehmen sehe Immobilien als Plattform, die es ihm unter anderem ermöglichten, Nutzerdaten der Community zu sammeln.

Die Daten sollen WeWork helfen, jederzeit und an jedem Ort unmittelbar die ideale Lösung für potenzielle Kunden anbieten zu können. Das Ziel: WeWork will langfristig zu einem weltweit unumgänglichen Player auf dem Immobilienmarkt werden.

Was bedeutet das für Vermieter?
WeWork profitiert derzeit noch von seiner Marke, meint Bulwiengesa-Experte Schulten. Sich bei dem US-Anbieter einzumieten, gelte nicht nur bei Freelancern und Unternehmen als cool. Auch die Eigentümer der Gebäude hätten in den vergangenen Jahren gerne an WeWork vermietet, um „Glanz in die Hütte“ zu bringen. Doch das ändere sich bereits.

So stehen JLL-Experte Leimbach zufolge dem finanziellen Vorteil für Vermieter der zumeist langen Mietlaufzeiten die Sonderwünsche der Coworking-Betreiber gegenüber: „Wir beobachten, dass die Unternehmen bis zu zehn Prozent mehr Miete zahlen, als üblich ist, und zehn, oft auch 15 Jahre anmieten.“ Im Gegenzug würden sie, zumindest an Standorten, die nicht wie in Berlin oder München völlig ausgelastet sind, zuweilen vierstellige Ausbaukostenschüsse pro Quadratmeter fordern, die manchmal auch gezahlt würden. Gegenüber anderen Mietern sei eher ein mittlerer dreistelliger Betrag üblich.

Bulwiengesa-Experte Schulten ergänzt: „Dort, wo WeWork sich einmietet, bestimmt das Unternehmen auch, was passiert.“ Die Firma habe insbesondere mit Blick auf die technische Gebäudeausrüstung genaue Vorstellung, wie ein Objekt ausgestattet sein muss – und setze diesen Willen notfalls „auch mit Ellbogen“ durch. „Die Eigentümer haben keine Lust mehr, sich an einen so mächtigen Player zu binden“, sagt Schulten. Sie wollen sich nicht beliebige Bedingungen der großen Player diktieren lassen.

Was ist, wenn die Krise kommt?
Die Coworking-Anbieter stellen Wirtschaftskrisen zwar gerne als Chance dar und argumentieren, dass Unternehmen sich gerade in unsicheren Phasen eher für flexible Büroflächen entscheiden würden, um kein langfristiges Mietrisiko einzugehen. Doch dass das sehr optimistisch ist, zeigt etwa der Fall Regus.

Der WeWork-Konkurrent hatte während des New-Economy-Booms auf eine steigende Nachfrage durch Start-ups gesetzt und die Zahl seiner Standorte weltweit verzehnfacht. Doch als die Blase platzte, brach ein Großteil der Kunden weg. Regus konnte die Mietverpflichtungen in Millionenhöhe nicht mehr stemmen – und musste 2003 teilweise Insolvenz anmelden. JLL-Experte Leimbach ist deshalb überzeugt, dass nicht alle großen Anbieter überleben können. „Die Branche wird sich vermutlich mit der nächsten größeren Krise konsolidieren.“

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