Widerstand gegen neue Ostsee-Pipeline Energie-Agentur hält Nord Stream 2 für überflüssig

Der Widerstand gegen die geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 wächst. Doch davon lässt sich die russische Regierung nicht abhalten – für sie steht viel auf dem Spiel. Auch für Deutschland wäre die Pipeline gut.

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Ein Bild aus Mukran auf der deutschen Insel Rügen. Der befindet sich ein logistisches Zentrum für die geplante Ostsee-Pipeline. Quelle: Reuters

Wien/Frankfurt Mit der geplanten Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 unter Federführung des russischen Energiekonzern Gazprom möchte Russland seine direkten Gaslieferungen nach Deutschland verdoppeln. Polen, die Ukraine und eine Reihe baltischer Staaten sehen dies argwöhnisch, da somit Transitlieferungen durch ihre Staaten entfallen und ihnen Einnahmen durch die Gebühren für diesen Transport wegbrechen könnten.

Nun erhalten sie Schützenhilfe von der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in Paris. „Die existierende Infrastruktur, die Europa mit Russland verbindet, reicht leicht aus, das benötigte russische Gas nach Europa zu liefern“, sagte IEA-Chefökonom Lazlo Varro dem Handelsblatt in Wien.

„Der Marktanteil des russischen Gas ist auf einem Allzeithoch“, warnt der Energieexperte der in Paris ansässigen Internationalen Energie-Agentur. Trotz der politischen Auseinandersetzungen zwischen der Europäischen Union und Russland in den vergangenen zwei Jahren habe Gazprom noch nie so viel Gas nach Europa exportiert wie heute.

„Europa muss strategisch entscheiden: wollen wir verstärkte Anstrengungen zu mehr Energieeffizienz machen oder Milliarden von Euro in eine Infrastruktur für fossile Energieträger stecken“, fordert Varro, ein früherer Manager des ungarischen Öl- und Gaskonzern Mol. Er sieht keine wichtigen Argumente, um Nord Stream 2 als Schlüsselprojekt für Europa zu verwirklichen.

Commerzbank-Chef-Rohstoffstratege Eugen Weinberg hält das Projekt ebenfalls für nicht notwendig. Für Deutschland wäre die Pipeline aber gut, weil sie das Angebot an Gas ausweitet. Und für Russland sei das Projekt sogar „extrem wichtig“. Russland will unbedingt Nord Stream 2 durchsetzen und realisieren, um nicht mehr auf die bisherige Pipeline nach Westeuropa durch die Ukraine angewiesen zu sein.

Wegen der Krim und des Bürgerkrieges im Osten der Ukraine ist das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew so miserabel wie kaum zuvor. „Gazprom möchte sicherstellen, dass die Abhängigkeit von russischem Gas auch in Zukunft bestehen bleibt“, erklärt Weinberg. Zugleich ist die russische Wirtschaft abhängig von den Rohstoffexporten: Das Öl- und Gasgeschäft trug 2016 zu 36 Prozent zu den Staatseinnahmen bei.

Die zweite Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland mit einer Länge von 1200 Kilometern soll über eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern verfügen. Das im Herbst 2015 gegründete Konsortium aus den Energieunternehmen besteht unter Führung der Gazprom, aus den Energiekonzernen Uniper, Wintershall, Shell, OMV und Engie. Für die BASF-Tochter Wintershall und den österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV ist der wachsende Widerstand eine schlechte Nachricht. Denn beide Unternehmen wollen sich mit einem Minderheitsanteil von jeweils zehn Prozent an dem politisch umstrittenen Projekt beteiligen.

Bislang scheiterte diese Beteiligung bislang an der rechtspopulistischen Regierung in Warschau. „Polen versucht, Nord Stream 2 zu torpedieren“, sagte Wintershall-Chef Klaus Mehren zuletzt. Mehren gilt neben OMV-CEO Reiner Seele, zuvor Chef bei Wintershall, für die stärksten Unterstützer in Westeuropa.

BASF-Chef Kurt Bock reiste erst vergangene Woche nach Moskau, um mit dem russischen Präsident Wladimir Putin und Gazprom-Chef Alexei Miller das kontroverse Projekt zu besprechen. An die Adresse der Ukraine sagte Putin nach dem Treffen mit Bock: „Wir wollen die Beziehungen mit allen unseren Partnern fortsetzen, auch mit der Ukraine als Transitland“, sagte er laut der russischen Agentur Interfax. Nord Stream 2 sei ein ausschließlich wirtschaftliches Projekt, betonte Putin.

Unabhängige Beobachter in Moskau sind von der Entschlossenheit der russischen Regierung überzeugt. „Russland setzt alles daran, dieses Projekt zu verwirklichen“, sagt Rudolf Lukavsky, österreichischer Wirtschaftsdelegierter für Russland. Schließlich seien rund 80 Prozent aller russischen Exporte fossile Energieträger.

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