Wirecard Diese Kurserholung ist kein Kaufsignal

Wirecard-Aktie: Kurserholung ist kein Kaufsignal Quelle: imago images

Wirecard-Aktien bleiben den zweiten Tag in Folge auf Erholungskurs. Aber Branchenvergleich, Ungewissheit und Kursanalyse legen nahe, dass Anleger besser einen Bogen um die Aktie machen sollten.

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Am Dienstag lagen Wirecard-Aktien mit einem Plus von mehr als vier Prozent erneut an der Dax-Spitze, nachdem sie am Montag knapp 14 Prozent zugelegt hatten. Die Aktie des Online-Zahlungsabwicklers war vergangene Woche nach Medienberichten über angebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten eines Mitarbeiters abgestürzt. Die Wirecard-Geschäftsführung hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und um Vertrauen geworben.

Der Zahlungsdienstleister wehrt sich seit Tagen mit einer PR-Offensive gegen Berichte der britischen Financial Times und erklärte, bislang keine negativen Auswirkungen auf das tägliche Geschäft erkennen zu können. Seitdem die Zeitung den Vorgang vergangenen Mittwoch ins Rollen brachte, verloren Wirecard-Aktien fast 40 Prozent. Der Konzern war schon vor dem Dax-Einzug im Herbst mehrfach Zielscheibe von Vorwürfen rund um seine Bilanzen.

Bislang keine Belege für Bilanzungereimtheiten

Bei den jüngsten Vorwürfen geht es um kriminelle Geschäfte in Singapur. Die Zeitung hatte einem Wirecard-Mitarbeiter in Singapur vorgeworfen, Konten und Dokumente manipuliert beziehungsweise gefälscht zu haben. Laut Wirecard ging es dabei unter anderem um Umsätze von insgesamt 6,9 Millionen Euro. Die interne Finanzkontrolle habe im Frühjahr 2018 die Singapurer Kanzlei Rajah & Tann eingeschaltet. Laut dem Vorstandschef Markus Braun hat sich jedoch der größte Teil der Vorwürfe quasi in Luft aufgelöst: Die Prüfer hätten für die angeblichen Manipulationen gar keine entsprechenden Kontenbewegungen gefunden. Wirecard habe jedoch „standardmäßig“ die Finanzaufsichtsbehörden in Singapur und Deutschland informiert, sagte Braun.

In einer Telefonschalte mit Analysten und Journalisten am Montag sagten Braun und Finanzvorstand Alexander von Knoop, sowohl die interne als auch die externe Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei in Singapur hätten nichts ergeben. „Dieses ganze Ereignis ist ein Nicht-Ereignis“, sagte Braun. Die Untersuchung durch die Anwälte sei kurz vor dem Abschluss. „Wir erwarten nicht, dass irgendwelche materiellen Dinge bei dem Prozess herauskommen.“ Vorstandschef Braun ist mit gut sieben Prozent größter Aktionär des Unternehmens, seit Dienstagabend war der Wert seines Aktienpakets vorübergehend um eine halbe Milliarde Euro gesunken. Gegen Wirecard sind in der Vergangenheit mehrmals Vorwürfe fragwürdiger Geschäftspraktiken laut geworden, die jedoch nie belegt wurden.

Stattdessen wurde das Unternehmen selbst Opfer von Spekulanten. Die Achterbahnfahrt an der Börse können Anleger auch diesmal kaum als „Nicht-Ereignis“ bezeichnen. Die Finanzaufsicht Bafin überprüft den Fall seit vergangener Woche auf Marktmanipulation, denn derart kräftige Kursturbulenzen sind vor allem im Leitindex Dax ungewöhnlich, dem die Aktie erst seit September angehört.

Überbewertung an der Börse abgebaut

Wenn Wirecard die Wachstumsstory der vergangenen Jahre fortsetzt und wie von Banken im Durchschnitt erwartet in diesem Jahr 2,7 Milliarden Euro Umsatz erzielt, ergäbe das bei aktuell 16 Milliarden Euro Börsenwert etwa eine sechsfache Bewertung des Geschäftsvolumens. Das ist an sich teuer, entspricht aber ziemlich genau dem Durchschnitt der Branche. Das zeigen vergleichbare Bewertung wichtiger Bezahldienstleister wie PayPal oder WorldPay. Auch bei der Gewinnbewertung, die für Wirecard gemessen am erwarteten 2019er-Nettogewinn um die 30 liegt, ist das Unternehmen kein Ausreißer mehr.

Die heftigen Kursstürze der vergangenen Tage haben die enorme Überbewertung der Wirecard-Aktie abgebaut und machen das Papier jetzt zu einem durchschnittlich bewerteten Bezahldienstleister. Dass Wirecard auch bei der geschäftlichen Nettorendite (Reingewinn vom Umsatz) aufholt und in diesem Jahr wahrscheinlich an die 20 Prozent kommen könnte, passt zum durchschnittlichen Branchenprofil.

Wie tief die Aktie noch sinken kann – und für wen sie infrage kommt

Ist Wirecard deshalb jetzt ein Kauf? Wenn eine hochbewegliche Aktie wie Wirecard binnen drei Jahren um mehr als 500 Prozent gestiegen ist, lässt sich eine Korrektur nicht in wenigen Tagen abhaken. Der Verlauf des Kurses zeigt, dass Wirecard den von 2016 bis 2018 bestehenden Aufwärtstrendkanal massiv nach unten durchbrochen hat und bisher genau bis zum ehemaligen Hochpunkt Anfang 2018 bei etwa 110 Euro gesunken ist. Aktuell läuft nun eine Erholung auf diesen Ausverkauf. Dennoch: Die Aktie müsste über das Niveau von etwa 170 Euro steigen, damit sie die große Aufwärtsbewegung fortsetzt. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, da die Aktie nun ja gerade erst auf eine faire Bewertung zurechtgestutzt wurde.

Fazit: Wirecard-Aktien haben ihren großen Aufwärtstrend gebrochen und werden angesichts der hohen Kursschwankungen der Aktie Monate brauchen, um ein neues Gleichgewicht zu finden. Abspielen könnten sich dieses Auf und Ab zwischen 100 und 170 Euro. Diese extrem hohe Volatilität zeigt, dass die Aktie ein hochspekulatives Papier bleiben dürfte.

Das wird sie auch in Zukunft anfällig machen für Attacken von Shortsellern und Leerverkäufern. Investoren sollten um die Aktie einen Bogen machen.

Mit Material von dpa und Reuters.

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