Wirtschaft im Weitwinkel
Quelle: imago images

Das Rezessionsgespenst hält die Märkte im Bann

An den Finanzmärkten gehen in diesen Tagen übertriebene Rezessionssorgen um. Die Aktieninvestoren reagieren verschreckt, der Dax ist seit Anfang Dezember nochmals um fast zehn Prozent gefallen. Wie geht es weiter?

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Nicht nur hierzulande, sondern auch in den USA, wo sich die Aktienkurse über lange Zeit sehr viel besser entwickelten als in Europa und Asien, sind die Notierungen zuletzt kräftig gefallen. Anfang Januar sorgte eine abgesenkte Umsatzprognose vom Branchenprimus Apple sogar für regelrechte Schockwellen.

Konjunktursorgen zeigen sich auch an den Rentenmärkten, wo die Renditen der Staatsanleihen dies- und jenseits des Atlantiks auf Tauchstation gegangen sind. Unterdessen war das Öl Ende Dezember so billig wie zuletzt vor knapp zwei Jahren. Die Entwicklung an den Finanzmärkten zeichnet für die Konjunkturerwartungen der Investoren ein düsteres Bild.

Für weitere große Verunsicherung sorgen schon seit Wochen vor allem die Risiken eines ungeordneten Brexit sowie eines weiteren Aufschaukelns des Handelskonflikts zwischen den USA und China. Ein harter Brexit würde in Großbritannien sicherlich eine Wirtschaftskrise heraufbeschwören, auch für den Rest von Europa drohen erhebliche Wachstumseinbußen. Noch wesentlich gravierender für die Weltwirtschaft wäre eine Eskalation des transpazifischen Handelskonflikts zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Schließlich fungierten sowohl die USA als auch China in den letzten Jahren als wichtigste Schrittmacher für die globale Konjunktur.

Doch dieser Pessimismus scheint insgesamt übertrieben. Zwar dürfte die Konjunktur in den wichtigsten Ländern 2019 etwas an Schwung verlieren, mit dem Absturz in eine Rezession müssen wir jedoch nicht rechnen.

Einem Szenario, in dem eines dieser beiden Risiken eintritt (oder sogar beide), messen wir derzeit eine Wahrscheinlichkeit von etwa 33 Prozent zu. Die Risiken sind also alles andere als gering, doch sie sind nicht die wahrscheinlichste Entwicklung. Für wahrscheinlicher halten wir nach wie vor eine vernunftgeleitete Entscheidung des britischen Parlaments in der Brexit-Frage sowie ein Weiterköcheln des Handelskonflikts auf begrenzter Flamme. Schließlich rechnet sich Präsident Trump jeden Anstieg des Aktienmarktes als persönliches Verdienst an – im Umkehrschluss dürfte er die jüngsten Kursverluste durchaus als Warnung verstehen, dass ein Überziehen seiner Verhandlungsposition für beide Seiten zu empfindlichen Verlusten führen kann.

Insgesamt deutet mit Blick auf 2019 also vieles auf ein zwar verlangsamtes weltweites Wirtschaftswachstum hin, nicht jedoch auf einen Absturz in die Rezession. Die wichtigsten Stimmungsindikatoren für die europäische Wirtschaft haben seit ihren Höchstständen vor rund einem Jahr zwar an Boden verloren, sie sind aber nach wie vor weit von einem Krisenniveau entfernt. Hinzu kommt: Die Inflation ist fast überall moderat. Für die wichtigsten Notenbanken gibt es keinen Grund für deutliche Zinserhöhungen. Denn die Lohnentwicklung ist trotz zumeist guter Arbeitsmarktentwicklung nirgendwo aus dem Ruder gelaufen.

Nach einigen Jahren mit kräftigen Wachstumsraten und deutlich gesunkener Arbeitslosenquote käme eine Wachstumsabkühlung für Deutschland, aber auch für die US-Wirtschaft eher einer Normalisierung gleich und wäre nicht weiter beunruhigend. Für Deutschland kann man das Potenzialwachstum – also ein spannungsfreies Expansionstempo – auf etwa 1¼ Prozent ansetzen. Die durchschnittlichen Wachstumserwartungen der Konjunkturanalysten für 2019 liegen derzeit sogar noch leicht über dieser Marke. Ein Wachstum mit der Dynamik der Jahre 2014 bis 2017 mit Raten von mehr als zwei Prozent wäre bei einem nahezu leergefegten Arbeitsmarkt ohnehin nicht mehr lange durchzuhalten.

Insgesamt scheint also die Aufregung an den Finanzmärkten vor den Hintergrund der soliden Fundamentaldaten etwas übertrieben. Sie ist allerdings im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Kombination von politischen Risiken nur zu verständlich. Die alte Börsenweisheit „politische Börsen haben kurze Beine“ dürfte sich letztlich aber auch dieses Mal wieder bewahrheiten.

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