Eigentlich sollten es rauschende Wochen werden für die Kryptobörse Crypto.com. Rund einen Monat flimmert der Name des Unternehmens quasi permanent über die weltweiten Fernsehbildschirme. Schließlich gibt es kaum eine größere Werbebühne als eine Fußball-Weltmeisterschaft – und Crypto.com gehört als einziges Kryptounternehmen zu den Sponsoren. In einer Reihe mit großen Namen wie Adidas, Coca-Cola und Qatar Airways stehend, dürfte für Crypto.com-Gründer Kris Marszalek ein Traum in Erfüllung gehen.
Nun allerdings könnten die WM-Wochen für Marszalek und Crypto.com nicht ganz so rauschend werden, wie geplant. Die Insolvenz von Konkurrent FTX überschattet den gesamten Markt für Kryptowährungen. Allein in den vergangenen knapp zwei Wochen verpufften dort rund 180 Milliarden Dollar an Kapital. Handelsplätze wie Crypto.com gehörten naturgemäß zu den Haupt-Leidtragenden der Misere, Anleger zogen reihenweise ihr Kapital ab.
Zu groß ist ihre Angst, dass auch das Kapital der anderen Börsen, ähnlich wie bei FTX, nicht ausreichend gedeckt sein könnte. Das Vertrauen in den Markt ist ramponiert. Und ausgerechnet bei Fifa-Sponsor Crypto.com scheinen die Zweifel besonders groß. Wer steckt hinter dem Kryptounternehmen, welches plötzlich auf der ganz großen Fußball-Bühne erscheint? Und wie dramatisch ist die Situation tatsächlich?
Nach eigenen Angaben ist Crypto.com die am schnellsten wachsende Krypto-App am Markt. 2016 von Marszalek und seinen Co-Gründern Bobby Bao, Gary Or und Rafael Melo gegründet hat die Kryptobörse mittlerweile mehr als 70 Millionen Nutzer, die die mehr als 250 verschiedenen Kryptowährungen auf der Plattform handeln. Hauptsitz des Unternehmens ist Singapur, obwohl die Konzernmutter Foris DAX MT (Malta) Limited auf Malta registriert ist. Ein Firmensitz auf Malta ist in der Branche nicht unüblich, vergleichsweise kryptofreundliche Gesetze haben dazu geführt, dass sich auch Branchengrößen wie Binance auf der Insel angesiedelt haben.
Wer das Unternehmen schon länger beobachtet, den dürfte der Fifa-Deal zur Weltmeisterschaft nicht überrascht haben. Crypto.com setzt auf eine knallharte Sponsoring-Strategie und gibt dafür so viel Geld aus wie wohl keine andere Kryptofirma. Das Kalkül: Die Sportfans sollen in NFTs investieren, sogenannte non-fungible Token, digitale Sammelbildchen. Und diese sollen sie natürlich über Crypto.com handeln. So haben Marszalek und Co. unter anderem dafür gesorgt, dass das ehemalige Staples Center in Los Angeles, in dem die Heimspiele der Los Angeles Lakers stattfinden, mittlerweile Crypto.com-Arena heißt.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Auch in der Formel 1 ist Crypto.com als Sponsor engagiert. Beim Aston-Martin-Team von Sebastian Vettel gehört das Unternehmen zu den Partnern und wirbt mit seinem Logo auf dessen Flitzer. Es scheint, als könne der Rahmen für Marszaleks Sponsoring gar nicht groß genug sein. Auch ein Werbedeal mit der Uefa Champions League, immerhin der Königsklasse des europäischen Fußballs, stand zuletzt im Raum. Dieser ist aber in letzter Minute geplatzt, als Grund wurden Bedenken bezüglich Lizenzen der Börse in Ländern wie Großbritannien und Italien genannt. Eigentlich sollte Crypto.com für den russischen Energieriesen Gazprom einspringen, es war von einem Umfang von rund 500 Millionen Dollar die Rede.
Neben Sportsponsoring setzt Crypto.com noch auf Stars und Sternchen als Werbebotschafter. So macht unter anderem Matt Damon Werbung für die Kryptobörse.
Kann sich das Unternehmen derart teure Werbedeals so locker leisten? Zumindest kamen im Zuge der FTX-Pleite auch Zweifel an den Reserven von Crypto.com auf, auch dort zogen viele Anleger aus Angst ihr Geld ab. Tatsächlich waren die Kapitalabflüsse bei Marszaleks Unternehmen laut Analysten der amerikanischen Großbank JP Morgan im Vergleich zu anderen in der Branche besonders „heftig“. Sie erwarten, dass die Kapitalverschiebungen und Unsicherheiten noch ein paar Wochen anhalten werden.
Zu deutlich scheinen bei Crypto.com die Parallelen zur Pleite-Börse FTX. Auch Crypto.com hat eine hauseigene Kryptowährung, den Token Cronos (CRO). Bei FTX war es der FTT. Auch CRO hat in der vergangenen Woche massiv an Wert verloren. Zudem setzten beide Unternehmen auf die Ausgabe von Krypto-Kreditkarten.
Angesichts der Zweifel sah sich Crypto.com-Chef Marszalek gezwungen, Transparenz zu schaffen über die Reserven seines Unternehmens. Laut einer Übersicht hält Crypto.com rund 30 Prozent seiner Assets in Form von Bitcoin, der ältesten Kryptowährung. Weitaus bedenklicher: die zweitgrößte Position im Portfolio besteht aus der nach einem Hund benannten Kryptowährung Shiba Inu, die weitaus weniger liquide ist.
Vielleicht auch deshalb hat Marszalek zusätzlich Wallet-Adressen veröffentlicht, in denen sich einsehen lässt, wie viele Coins dort lagern. So weist das Blockchain-Analysetool Etherscan etwa für eine der Ethereum-Wallets tatsächlich einen Bestand im Wert von knapp vier Millionen Dollar auf.
Trotz aller Transparenz muss Crypto.com nun darauf hoffen, dass seine knallhart auf Marketing ausgerichtete Strategie aufgeht. Ob das reicht, um die Gemüter zu beruhigen und Millionen Fußballfans als neue Anleger an den Kryptomarkt zu locken, ist fraglich.
Schließlich hatte Crypto.com auch schon Ärger mit der Aufsicht. Die österreichische Finanzaufsicht FMA ging wegen fehlender Lizenzen gegen das Unternehmen vor, auch die BaFin prüft den Fall. Fraglich ist, ob Crypto.com überhaupt über ausreichende Lizenzen verfügt, um hierzulande um Kunden zu werben. Der aktuelle Stand des Verfahrens ist offen.
Und zuletzt wäre da natürlich der Name des Gründers. Kaum einem dürfte die Beinahe-Parallele zu Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek entgehen. Doch die ähnlichen Familiennamen sind reiner Zufall, soweit bekannt. Eine Parallele gibt es dennoch: So hatte Crypto.com einst Geschäftsbeziehungen zu dem mittlerweile insolventen Dax-Konzern. Eine Wirecard-Tochtergesellschaft war Herausgeber der Krypto-Kreditkarten von Crypto.com. Kurz nach der Insolvenz des Konzerns wurden die Karten dann gesperrt, allerdings schnell wieder freigegeben. Kundengelder seitens Crypto.com waren von der Pleite allerdings nicht betroffen. Trotzdem wirft die brisante Beziehung ein Schlaglicht auf den so umtriebigen Fifa-Sponsor.
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