Zehnjährige Bundesanleihe Die Rückkehr des Mini-Zinses

Deutschland stattet nach gut anderthalb Jahren eine neue zehnjährige Bundesanleihe wieder mit einem Zinskupon von 0,5 Prozent aus. Das ist nicht viel, doch Investoren greifen zu. Warum sie kein gutes Geschäft machen.

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Zumindest ein wenig Zins gibt es für die neue zehnjährige Bundesanleihe: Bei 100 angelegten Euro sind es 50 Cent. Quelle: Imago

Frankfurt Das Timing an den Finanzmärkten ist eine wichtige Sache. Das gilt sowohl für Investoren, die versuchen den richtigen Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers hinzubekommen als auch für Emittenten von Aktien und Anleihen. Auch sie versuchen oft, den richtigen Zeitpunkt für die Platzierung hinzubekommen und kündigen diese erst definitiv an, wenn die Stimmung der Investoren gut ist.

Deutschland, nach Italien und Frankreich drittgrößter Anleiheemittent in der Euro-Zone, lässt sich auf dieses Spiel nicht ein. Die für das Schuldenmanagement zuständige und dem Finanzministerium unterstellte Finanzagentur des Bundes gibt stets im Dezember bekannt, an welchem Tag im nächsten Jahr welche Anleihen in welchem Volumen platziert werden. Damit will der Bund den Investoren Planungssicherheit geben, immerhin begibt Deutschland in diesem Jahr Zinspapiere im Volumen von rund 180 Milliarden Euro, in den Vorjahren waren es noch mehr.

Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit werden dabei im Januar und Juli neu aufgelegt und anschließend mehrfach aufgestockt.

Der Verzicht auf den Timing-Versuch kann aber mitunter auch Geld kosten. So ist es auch aktuell. Deutschland hat eine neue zehnjährige Bundesanleihe begeben und bietet den Anlegern dafür erstmals seit Januar 2016 einen Zinskupon von einem halben Prozent. Hätte der Bund die Anleihe vor gut zwei Wochen platziert, wäre er mit einem Zinsschein von 0,25 Prozent davongekommen.

Der Grund: Die Finanzagentur passt die Kupons neuer Anleihen stets dem aktuellen Marktzins, sprich den Renditen, an. Und die sind seit Ende Juni förmlich in die Höhe geschnellt – auch wenn das absolute Niveau natürlich noch sehr niedrig ist. Die Renditen vieler Anleihen stiegen deutlich, die der im Januar platzierten zehnjährigen Bundesanleihe kletterte in kurzer Zeit von 0,25 auf bis zu 0,58 Prozent. „Das schmeckt ein wenig nach Zinswende“, meint Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege des Fondshauses Blackrock in Frankfurt. Auslöser für die Bewegung war Mario Draghi.

Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) sagte auf der jährlichen Konferenz der Notenbank im portugiesischen Sintra, dass er reflationäre Kräfte, also Zeichen für eine steigende Teuerung, sehe. Das interpretierten Investoren als erste Andeutung des EZB-Chefs dafür, dass die Notenbank im nächsten Jahr ihre Anleihekäufe reduzieren wird.

Dass die EZB dies machen wird, gilt eigentlich schon lange als Konsens, allein deshalb, weil die EZB mit den Käufen langsam an ihre selbstgesetzten Grenzen stößt. Sie darf maximal ein Drittel der ausstehenden Anleihen eines Euro-Landes halten und beim bisherigen Tempo – Käufe über 60 Milliarden Euro pro Monat, von denen der Großteil auf Staatsbonds entfällt – wäre diese Grenze im Laufe des nächsten Jahres in vielen Ländern erreicht.

Dennoch hatten zumindest einige Investoren wohl darauf gesetzt, dass die EZB noch vorsichtiger vorgeht. Schließlich liegt die Inflationsrate mit zuletzt 1,3 Prozent immer noch deutlich unter dem Ziel der EZB von zwei Prozent. Zudem hatte die Notenbank noch im Juni ihre Inflationsprognosen gesenkt.

Vertreter der Notenbank versuchten die Märkte später zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Die Renditen gingen nur kaum zurück – und eben deshalb muss auch Deutschland seine Bundesanleihe mit einem Kupon von 0,5 Prozent ausstatten. Bei Investoren kam das Papier gut an. Die Finanzagentur berichtete von Kaufgeboten im Umfang von 5,66 Milliarden Euro für die fünf Milliarden Euro schwere Anleihe. So groß war die Nachfrage bei einer Auktion einer zehnjährigen Bundesanleihe seit Januar nicht gewesen.

Da die Anleihe zu einem Kurs von 99,1 Prozent und so unter dem Rückzahlungskurs von 100 Prozent platziert wurde, lag die durchschnittliche Rendite bei der bei 0,59 Prozent. Für die Anleihen des Bundes dürfen nur die derzeit 36 zugelassenen Banken bieten. Sie ersteigern die Anleihen aber meist im Auftrag ihrer Kunden.


Kursverluste drohen

Attraktiv ist die Rendite von 0,59 Prozent für Investoren, die Anleihen bis zur Fälligkeit halten, nicht. Das zeigt schon allein der Blick auf die Teuerungsrate von 1,3 Prozent. Doch für andere Anleihen des Bundes gibt es noch weniger Geld. Zweijährige deutsche Bundesanleihen werden schon seit August 2014 mit einem Kupon von null Prozent ausgestattet, bei fünfjährigen ist dies seit Januar 2015 der Fall. Da auch die Kurse der zwei- und fünfjährigen Papiere deutlich über dem Rückzahlungswert von 100 Prozent liegen, ist die Rendite sogar negativ. Bei den zweijährigen Bundesschatzanweisungen liegt sie bei minus 0,6 Prozent, bei den fünfjährigen Bundesobligationen bei minus 0,1 Prozent.

Bei der neuen zehnjährigen Bundesanleihe bekommen Investoren also zumindest ein wenig laufende Einnahmen – also die jährlichen Zinszahlungen von einem halben Prozent der angelegten Summe – für ihr angelegtes Geld.

Der stetige, wenn auch geringe Einnahmestrom ist für institutionelle Investoren wichtig. Versicherer zum Beispiel müssen ihre regelmäßigen Auszahlungen auch durch Einnahmen decken. Fondsmanager brauchen ebenfalls Geld, um Anleger auszuzahlen, die Geld aus Fonds abziehen.

Doch es geht um noch mehr. Investoren kaufen Bundesanleihen auch, weil sie hier zumindest auf Kapitalerhalt setzen. Und anders als private Sparer, müssen institutionelle Investoren, die enormen Summen, die sie verwalten, anlegen. Deshalb war auch die zehnjährige Bundesanleihe, die Deutschland kurz nach dem Votum der Briten gegen die EU vor gut einem Jahr platziert hatte, bei Investoren zumindest einigermaßen gefragt.

Dabei hatte die im Juni 2016 zehnjährige Bundesanleihe einen Kupon von null Prozent – was am Kapitalmarkt damals einer kleinen Sensation glich. Schließlich ist die zehnjährige deutsche Bundesanleihe als Richtschnur für die Kapitalmärkte die wichtigste Anleihe in ganz Europa.

Ein gutes Geschäft haben Investoren, die die Anleihe mit null Kupon gezeichnet haben, angesichts der gestiegenen Rendite und der gefallenen Kurse allerdings nicht gemacht. Die Ausnahme: Sie haben den Bond schon Ende September 2016 wieder verkauft und damit ein Händchen für gutes Timing bewiesen. Bis dahin fiel die Rendite nämlich auf minus 0,15 Prozent, was einem Kursgewinn von gut einem Prozent entsprach. Seither fiel der Kurs aber. Seit der Platzierung der Null-Kupon-Anleihe vor einem Jahr ist er um 4,6 Prozent abgesackt.

Auch mit der neuen zehnjährigen Anleihe und ihrem Kupon von einem halben Prozent dürften die Investoren kaum ein gutes Geschäft machen. Jetzt, wo sich die Märkte auf ein Ende der ultralockeren Geldpolitik der EZB einstellen, stehen die Zeichen schließlich auf steigende Renditen. Wenn die Rendite der neuen Anleihe auf nur ein Prozent steigt, entspricht das einem Kursverlust von rund vier Prozent, bei einem Renditeanstieg auf 1,5 Prozent fällt ein Kursverlust von 8,4 Prozent an

Natürlich könnte es auch hier zwischenzeitlich Kursgewinne geben. Wenn die zehnjährige Bund-Rendite auf ihr bisheriges Jahrestief von 0,2 Prozent fällt, entspräche dies einem Kursgewinn von knapp vier Prozent. Dass die Rendite noch einmal so deutlich absackt glauben aktuell indes nur wenige Investoren. Die Risiken sind deutlich größer als die Chancen.

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