Zschabers Börsenblick
Von allen großen Börsenindizes der Industriestaaten ist der britische FTSE-100 gemessen an der Börsenbewertung der günstigste. Quelle: imago images

Britischer FTSE: Ein Index wie ein Kuscheltier

Der FTSE 100 umfasst die wichtigsten britischen Unternehmen. Warum er trotz Brexit und der anhaltenden Coronapandemie für Anleger interessant ist.

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Für Außenstehende ist die Börse eine Welt, die sich von der Realität abgekoppelt hat. Eine Welt, in der nüchterne Zahlen regieren und in der es genau zwei Farben gibt: rot und grün. Rot steht für negative Kursentwicklungen und grün für positive – für mehr Farbenfreude ist kein Platz. Überhaupt haben die Kapitalmärkte für diese Beobachter nicht viel mit Spaß zu tun.

Doch ab und an hat die Börse tatsächlich etwas Herzliches – etwa, wenn vermeintlich staubtrockene Indikatoren putzige Bezeichnungen bekommen. Ein gutes Beispiel dafür: der britische Financial Times Stock Exchange Index, FTSE abgekürzt und im Sprachgebrauch „Footsie“ genannt. Mal ehrlich: Viel niedlicher als „Footsie“ geht es doch kaum, der Name könnte für ein Kuscheltier nicht besser gewählt sein.

Es ist allerdings weniger der Name des britischen Leitindexes als vielmehr die aktuelle Situation, die ihn momentan so spannend für Börsianer macht. Auf den ersten Blick mag es zwar etwas verwegen anmuten, ausgerechnet in ein Land zu investieren, das sich gegen Europa entschieden und sich damit nach Meinung nicht weniger Experten ins eigene exportwirtschaftliche Knie geschossen hat. Und das sich gerade erst langsam von einer langen Reihe von Corona-Schocks erholt.

Weltweit günstigster Index eines großen Industriestaats

Doch gerade die oben erwähnten vermeintlich nüchternen Zahlen machen den FTSE so besonders. So ist der Index derjenige, der mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13 unter den Börsenbarometern der großen Industrieländer weltweit der aktuell günstigste ist. Zudem ist der FTSE damit derzeit auch im Vergleich mit der eigenen Historie relativ niedrig bewertet. Auch das Niveau der regelmäßigen Ausschüttungen der im FTSE notierten Unternehmen macht ein Investment in den Index – beispielsweise über einen ETF – für Anleger interessant: Angesichts einer durchschnittlichen Dividendenrendite von über vier Prozent dürfte manch ein Investor aufhorchen, der Wert auf kontinuierliche Erträge auch abseits der Kursentwicklung legt.

Da Zahlen allein – vor allem nicht die über den Status quo – aber kein Argument für ein Investment sein sollten, ist auch ein Blick auf die weiteren fundamentalen Aussichten angebracht. Doch auch hier hat die britische Wirtschaft trotz aller Bedenken über Brexit und Corona einiges in petto.

So könnten ein Auslöser für eine Aufholjagd des FTSE 100 die Ankündigungen weiterer Konjunkturprogramme der Regierung im Oktober sowie ein möglicher Anstieg der Kapitalmarktzinsen sein. Wegen der hohen Gewichtung von Finanzwerten und zyklischen Sektoren könnte der FTSE 100 auf diese Faktoren stärker reagieren als andere Indizes.

Apropos Gewichtung: Zwar lassen sich auch im FTSE gewisse Schwerpunkte wie die genannten nicht wegdiskutieren. Doch im Vergleich etwa zum Dax hat der FTSE 100 schon rein numerisch die deutlich breitere Aufstellung: Während Deutschlands Index-Primus demnächst 40 Titel beinhaltet, sind es beim FTSE zweieinhalb Mal so viele. Das schafft eine größere Diversifikation und senkt Klumpenrisiken besser.

Kursfantasie in Form von Konjunkturperspektiven, eine gute Dividendenrendite und ein durch die niedrige Bewertung gegebenes gewisses Maß an Nachholpotenzial – diese Mischung könnte dafür sorgen, dass der „Footsie“ nicht nur mit seinem Namen bei Kindern punktet, sondern auch mit seiner Performance bei deren möglicherweise renditeorientierten Eltern.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Mehr zum Thema: Viele Anleger fürchten hohe Inflation. Ein Blick in die Depots der Profis zeigt: Gegen deren Anlagestrategie hat die Inflation keine Chance.

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