Zschabers Börsenblick
Manchmal lädt der Markt den Anleger aber auch zur Jagd auf Einzelwerte ein. Quelle: imago images

Die Zeit ist reif für Stockpicker

Eine breite Risikostreuung ist grundsätzlich sinnvoll am Aktienmarkt. Manchmal lädt der Markt den Anleger aber auch zur Jagd auf Einzelwerte ein. Jetzt könnte so eine Phase sein. Worauf „Stockpicker“ achten sollten.

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Bedrohungen machen in aller Regel nicht vor Jahreszahlen Halt. So sind in diesem Januar die Herausforderungen am Aktienmarkt keine gänzlich anderen als im Dezember, bloß weil zwischenzeitlich ein Kalenderblatt gewendet wurde. Daher muss auch niemand glauben, er wäre in einer Zeitschleife gefangen, nur weil mit dem Brexit und dem Handelskonflikt immer noch zwei Themen die Schlagzeilen dominieren, von denen er vielleicht schon im Herbst genervt war.

Angesichts dieser nach wie vor virulenten vielschichtigen Unwägbarkeiten muss man kein Pessimist sein, um sich auszumalen, dass möglicherweise noch länger Ungewissheit die Börsen dominieren wird. Panik ist in diesen Tagen aber ebenso wenig angesagt, wie sie es vor Monaten war. Fakten, angesichts derer sich der Anleger an und für entspannen könnte, gibt es schließlich zur Genüge: Die Zuwächse beim Bruttoinlandsprodukt sind nach wie vor robust, zudem geben die Gewinnerwartungen vieler Unternehmen Anlass zu vorsichtiger Zuversicht. Gerade aber die vergangenen Monate haben eines gezeigt: Das Nervenkostüm der Anleger ist ein ganz schön flattriges.

Börsenumfeld für „Jäger“

Zweifellos bleiben die Zeiten bleiben schwierig, entsprechend anspruchsvoll sind die Anforderungen an die Geldanlage. Da ist es beruhigend zu wissen, dass die Anlageklasse Aktie in der Vergangenheit manche Krise besser überstanden hat als viele ihrer Alternativen.

Doch auch wenn Investments in breit gestreute Indizes, etwa via börsennotiertem Indexfonds (ETF), vor dem Hintergrund der Diversifikation grundsätzlich durchaus Sinn ergeben – manchmal will sich der tendenziell aktive Anleger nicht einfach mit Indexinvestments wehrlos den Marktbewegungen ergeben, sondern differenzierter und selektiver vorgehen, um die Möglichkeiten des Aktienmarkts noch besser zu nutzen.

Und gerade das derzeitige unruhige Umfeld bietet einiges an Chancen. Mit der Entscheidung für die richtige Branche, die richtige Region oder gar das richtige Einzelinvestment kann der Anleger besser abschneiden als der Gesamtmarkt. Wichtig ist hierbei, dass seine Auswahl ebenfalls Klumpenrisiken vermeidet, dass er auch Einzeltitel über Branchen und Regionen streut. Mit anderen Worten: Der Mix macht’s.

Differenzierung ist das A und O

Stockpicking bezeichnet an und für sich die Auswahl einzelner Werte. Mitunter sind es aber ganze Branchen oder komplette Regionen, die sich dem allgemeinen Trend entziehen und in denen sich der Anleger daher engagieren sollte. Das gilt übrigens auch vice versa; manchmal sind bestimmte Branchen oder Regionen komplett zu meiden.

Nicht selten ist aber Differenzierung vonnöten. Aktuell lässt sich das etwa an der Finanzbranche verdeutlichen. So sollten Investoren, ausgenommen der ganz spekulativen, von Bankaktien zurzeit die Finger lassen. Das gilt aber wohlgemerkt für europäische Geldhäuser. Ihre Pendants in den USA sehen dagegen bei weitem nicht so verheerend aus, sind teilweise sogar attraktiv – Bankwerte per se auszuschließen wäre also wenig zielführend.

Auch die Zeitachse sollte der Anleger im Blick haben: Nur weil sich aktuell vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Äußerungen von US-Präsident Trump zu möglichen höheren Autozöllen sowie wegen der Unsicherheiten um Abgaswerte und Fahrverbote Investments in die Automobil- und Zuliefererbranche förmlich verbieten, heißt das nicht, dass die deutlichen Umwälzungen und großen Herausforderungen, vor denen diese Industrie steht, nicht in Chancen münden können, die sich in einigen Wochen schon an der Börse widerspiegeln werden. Es kommt eben darauf an, die potenziellen Gewinner möglich frühzeitig zu erkennen.

Flexibilität entscheidet

Neben dem Blick auf Branchen und Regionen ist für den Stockpicker also die wahre Herausforderung die Suche nach Einzelwerten, die das Zeug zum Outperformer haben. Und hier hat der Anleger mehreren Fragen nachzugehen. In welchen Abhängigkeiten befindet sich ein Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen? Hat eine veränderte globale Nachfragesituation eventuell Einfluss? Oder eine veränderte Struktur innerhalb des Unternehmens?

Man nehme als Beispiel einmal Nestlé. Entscheidend für die gute Wertentwicklung ist weniger die schiere Größe, sondern vielmehr der Umstand, dass Nestlè sich den Gegebenheiten besser anpasst als andere. So haben die Schweizer die Prognosen zuletzt regelmäßig übertroffen – und das, obwohl sie einen großen Anteil ihres Umsatzes in Nord- und Südamerika erwirtschaften. Dies bedeutet wiederum, dass sie offenbar die Thematik der Einfuhrzölle gut kalkuliert und ihre Preispolitik entsprechend angepasst haben, ohne dass sich dies negativ auf ihren Absatz ausgewirkt hätte.

Korrekturen können Chancen sein

Gerade solche positiven Überraschungspotenziale beziehungsweise etwaige Unterbewertungen sind es, wonach Anleger suchen sollten. Und auf Letztere kann mitunter auch der Kursverlauf einen Hinweis geben.

So liegt etwa der Verdacht nahe, dass der Flughafenbetreiber Fraport AG, der auf das abnehmende Wachstum am Heimatflughafen Frankfurt mit einem Engagement in internationalen Gefilden reagiert, von den Marktteilnehmern über Gebühr bestraft wurde: Vom Hoch im Februar hat die Aktie im Laufe des Jahres 2018 um rund 40 Prozent nach unten korrigiert.

Ähnliches gilt für Geberit, den Schweizer Anbieter von Sanitäranlagen: Eine vier Monate währende Korrektur, in deren Zuge die Notierung zeitweise knapp 20 Prozent an Wert verlor, hat den Kurs auf das Niveau des Frühjahrs 2015 gedrückt – und seinerzeit erzielte Geberit weit weniger Umsatz. Dem jüngsten Kursrückgang vorausgegangen war eine zurückhaltende Prognose des Unternehmens selber. Eine Einschätzung, für die der eine oder andere Stockpicker jetzt wohl recht dankbar sein dürfte. 

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