Zschabers Börsenblick
Niederländische Börse: Erst Tulpen-Hotspot, jetzt Fintech-Hub Quelle: imago images

Erst Tulpen-Hotspot, jetzt Fintech-Hub

Die niederländische Börse ist so etwas wie ein stiller Star. Sie hat eine bewegte Vergangenheit aufzuweisen, in der Gegenwart übertrumpft sie den Rest Europas und sie bietet viel für die Zukunft – nicht nur in Amsterdam.

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Es gibt Klischees, die sind einfach nicht kaputtzukriegen. So gibt es viele deutsche Landsleute, die im Zusammenhang mit den Niederlanden als erstes an Tulpen und Gouda denken. Dabei haben unsere Nachbarn etwas zu bieten, das gern einmal übersehen wird: einen extrem spannenden Aktienmarkt.

Dass die niederländische Börse in der üblichen Berichterstattung über die vermeintlich wichtigsten Märkte dieser Welt eine eher untergeordnete Rolle spielt, ist aus mehreren Gründen nicht nachzuvollziehen. Immerhin weist sie auf mehreren zeitlichen Ebenen Spektakuläres auf: in der Vergangenheit, in der Gegenwart und – soweit das abseits von Glaskugeln zu bewerten ist – in der Zukunft.

Kommen wir zuerst zur Vergangenheit, denn die ist nicht nur lang, sondern auch voller Rekorde. So gilt die Verenigde Oostindische Compagnie (VOC), die ihren Sitz in Amsterdam hatte, als erste Aktiengesellschaft der Welt – schon Anfang des 17. Jahrhunderts soll sie Anteilscheine herausgegeben haben. Zudem gilt die im Jahr 1613 in der niederländischen Hauptstadt eröffnete Börse als erstes offizielles Börsengebäude seiner Art. Und sogar in punkto Börsen-Crash dürfen sich die Niederländer als First Mover fühlen: Als die Tulpenzwiebel-Hausse und der anschließende Absturz in den Dreißigerjahren des 17. Jahrhunderts die Niederlande bewegten, war der heutige Nabel der Börsenwelt noch nicht mal ansatzweise zu erahnen: Die amerikanischen Pioniere hatten damals im heutigen Manhattan noch nicht einmal den Mauerwall aufgeschüttet, der sie vor den indianischen Ureinwohnern schützen sollte und nach dem später die Wall Street benannt wurde – denn die Errichtung des Walls folgte erst 1652.

von Saskia Littmann, Hauke Reimer, Silke Wettach, Sascha Zastiral

Es ist aber nicht nur die Historie, auch in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts gibt es einige Anekdoten von Bedeutung zu erzählen. Da ist etwa die des Brexit: Seit dem Austritt der Briten aus der EU kommt Amsterdam eine besondere Rolle zu. Schon Anfang dieses Jahres wurde an den Amsterdamer Börsen ein größeres Volumen gehandelt als am einst unangefochtenen Finanzplatz Nummer 1 in Europa, in London – Aktien aus Kontinentaleuropa werden plötzlich eben lieber auch in Kontinentaleuropa gehandelt.

Vor diesem Hintergrund ist auch ein Blick auf den niederländischen Leitindex AEX interessant. Der Index, in dessen Berechnung keine Dividenden einbezogen werden, hat im Vergleich mit seinem deutschen Pendant, dem Kursindex des Dax, sowohl im Fünf- als auch im Ein-Jahres-Vergleich klar die Nase vorn. Speziell in der Entwicklung seit dem vergangenen Frühjahr konnte der AEX punkten – wohl auch wegen eben dieser Rolle des Brexit-Profiteurs.

Überhaupt hat der AEX aufgrund seiner Zusammensetzung einiges zu bieten Der Mix ist ein Spiegelbild der heterogenen Wirtschaft des Landes. Gegenüber dem Dax, der doch relativ auto- und bankenlastig ist, weist der AEX eine größere Bandbreite auf – und damit die für den Anleger so wichtige Diversifikation. Ähnliches gilt für den kleineren AEX-Bruder AMX, der neben Dickschiffen wie Air France-KLM einige interessante Nebenwerte beinhaltet.

Damit wären wir auch schon beim Blick in die Zukunft. Und hier sorgt nicht zuletzt die muntere Start-up-Szene Amsterdams für eine Menge an Perspektive. Immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial der Grachtenstadt als Fintech-Hub und als den Ort, für den sich junge Leute – Stichwort „War of Talents“ – begeistern.

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Interessant ist bei einem deutschen Blick auf die Niederlande auch der Fakt, dass die dortige Aktienkultur auch wegen der oben erwähnten langen Börsenhistorie im internationalen Vergleich sehr weit entwickelt ist und die Quote der Aktionäre unter den Niederländern extrem hoch ist. Wer sich also als Deutscher gerne eine Scheibe Gouda gönnt, soll das natürlich auch weiter tun – im Sinne seiner Altersvorsorge wäre es aber noch sinnvoller, sich auch eine Scheibe von den Niederländern in punkto Aktienengagement abzuschneiden.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Mehr zum Thema: Amsterdam punktet im Wettbewerb der europäischen Börsen auch mit lockerer Regulierung. Für Aktionäre ist die nicht immer ein Vorteil.

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