Zschabers Börsenblick
Es gibt eine Lichtblicke auf dem Börsenmarkt. Quelle: Bloomberg

Guter Ton statt Steine und Scherben

Lichtblicke gab es zuletzt einige an der Börse. Warum und wo für Aktionäre auch jetzt noch ein guter Zeitpunkt zum Einstieg auf dem Markt sein kann.

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Die beste Woche, die die US-Börse je unmittelbar nach einer Wahl verzeichnet hat, war, wie auch schon viele Marktkommentatoren festgestellt haben, Resultat einer historisch seltenen Kombination: Erst kam Erleichterung, dann die Euphorie. Für Erleichterung sorgte die Nachricht, dass Demokrat Joe Biden ein Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl nicht mehr zu nehmen sein würde. Für Euphorie war dann die Meldung verantwortlich, dass ein Impfstoff der deutsch-amerikanischen Kooperation aus Biontech und Pfizer so weit in der Entwicklung fortgeschritten sei, dass mit einer baldigen Marktzulassung zu rechnen sei.

Nun ist mit beiden Ereignissen, die fast unmittelbar aufeinander folgten, eine Menge Unsicherheit vom Tisch: Die lange diskutierte Frage, wer neuer Präsident der USA sein würde, ebenso wie die Frage, ob Corona den Globus noch viele Jahre im Würgegriff haben würde. Die Antworten sind zwar noch nicht definitiv – Amtsinhaber Trump spielt noch ein paar juristische Spielchen und noch ist nicht klar, wann die Welt gegen Covid-19 „durchgeimpft“ ist –, aber grundsätzlich sieht vieles nach Entspannung aus.

Aber lassen wir diesen Aspekt einmal außen vor, ebenso die Frage, ob beziehungsweise wann ein Konjunkturpaket gegen die Corona-Einbußen in den USA verabschiedet wird. Ebenfalls unstrittig ist vor dem Hintergrund der enormen Schulden, die von den Staaten zur Finanzierung der Coronakrise aufgenommen wurden, dass Zinsen auf längere Zeit so niedrig bleiben werden, dass ein Anleger bei der Kapitalanlage kaum an der Investition in den Aktienmarkt vorbeikommt.

Widmen wir uns lieber einem Thema, das zwar immer wieder in politischen Debatten aufs Tableau, meiner Ansicht nach aber bei der Börsenkommentierung zu kurz kommt: Es wird mit Joe Biden ein neuer Stil Einzug halten im Weißen Haus – das kann sich tatsächlich an der Börse widerspiegeln. Zwar gehört Stil am Aktienmarkt nicht per se zu den entscheidenden Paramatern – wichtig ist Performance und wie es dazu kommt, mag vielen Marktteilnehmern egal sein. „Wenn du einen Freund brauchst, kauf dir einen Hund“, meinte bezeichnenderweise Börsen-Hai Gordon Gecko einst im Hollywood-Film „Wall Street“, was sich durchaus so übersetzen lässt: Wer nett ist, hat am Markt nichts zu suchen.

Es geht hier aber um mehr als nur die Etikette. Mit der Wahl Joe Bidens wird nämlich wohl nicht nur im Oval Office ein anderer Ton herrschen, sondern auch im internationalen Umgang miteinander, zumindest in dem Teil der Weltpolitik, an dem sich die USA beteiligen. Das dürfte Auswirkungen auf den Welthandel haben. Das Verhältnis mit China könnte eine Rolle spielen. Zwar wird auch Joe Biden kein Interesse daran haben, dem Reich der Mitte ohne Gegenleistung einen roten Teppich auszurollen, allein schon weil der innenpolitische Druck dafür zu hoch sein wird. Es steht aber zu vermuten, dass eine höhere Kompromissbereitschaft zu neuen Gelegenheiten im Handel zwischen den beiden Großmächten führen wird. Oder zu dem, was Vorgänger Trump so gerne als „Deals“ bezeichnet hat.


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In eine ähnliche Richtung könnte auch Bidens Versprechen gehen, sich für eine Rückkehr in das Pariser Klimaabkommen einzusetzen. Der von seinem Kontrahenten im Wahlkampf oftmals als „Sleepy“ bezeichnete Biden legt hier ein Tempo vor, das bemerkenswert ist vor dem Hintergrund, dass er erst seit gut einer Woche als sogenannter President-Elect im Einsatz ist. Von einem neuen Engagement in neuen Industrien im Bereich der Nachhaltigkeit könnte die Wirtschaft profitieren und damit auch die Börse.

Angesichts dieses Tempos, verbunden mit der Euphorie bei zumindest rund 80 Millionen Amerikanern – man muss sich nur einmal die Bilder von feiernden Menschen in New York und Washington nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu Gemüte führen – sollten sich Anleger nach meiner Einschätzung bereits jetzt mit dem Thema Jahresendrally in den USA beschäftigen. Auch wenn es sich angesichts der jüngsten Kurssprünge in vielen Märkten empfiehlt vor einem Engagement Kursrücksetzer abzuwarten – wer sich aber selber in punkto Market Timing nicht zu viel zumuten will, sollte mit einer breiten Streuung schon jetzt in einen Index wie den S&P 500 investieren. Auf lange Sicht macht ein Engagement in den US-Aktienmarkt ohnehin Sinn: Die USA sind und bleiben in wirtschaftlicher Hinsicht der Fels in der Brandung – und kein verbaler Steinewerfer, der nicht viel mehr als Scherben hinterlässt.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Mehr zum Thema: 13.800 Punkte sind drin: Die Chance auf eine Jahresendrally im Dax ist weiter gestiegen.

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