Zschabers Börsenblick
Der Uber-Börsengang: Anfang eines Booms? Quelle: imago images

Uber-Flieger? Oder Lyftikus?

Am Thema Mega-IPO scheiden sich die Geister. Alles längst zu teuer, sagen die Einen. Von wegen, da muss man dabei sein, sagen die Anderen. Die Wahrheit liegt für Anleger wie immer irgendwo dazwischen.

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Der frühe Vogel fängt den Wurm. Das mag sich manch einer gedacht haben, der den jüngsten Uber-Börsengang gezeichnet hat. Bloß nicht den Anfang eines Booms verpassen – schon bei Amazon und Google hatte man schließlich gesehen, wie gut es ist, wenn man bei einem Boom früh genug dabei ist. Oder wie schlimm es ist, wenn man zu spät zur Party kommt.

Nun hat dieser Ansatz mindestens zwei Schwachpunkte: Zum einen ist man als Zeichner eines Börsengangs gar nicht so früh dran, wie man denken mag – da gibt es im Regelfall noch zig Investoren, die vielzitierten Altaktionäre, die noch früher und zu besseren Konditionen zum Zuge kommen, sprich Anteile erhalten. Zum anderen – und das ist entscheidender – ist Uber weder Amazon noch Google. Diese Unternehmen sind seltener als vierblättrige Kleeblätter. Und ihre Erfolgsstorys an der Börse nicht zwingend von vornherein als solche zu erkennen.

Schwachpunkte hat aber auch die Argumentation derer, die Mega-IPOs grundsätzlich kritisieren. Natürlich ist eine Bewertung von 82 Milliarden Dollar viel für ein Unternehmen wie Uber, und auch die 25 Milliarden Dollar Börsenwert, die der Markt dem Uber-Wettbewerber Lyft bei dessen kurz zuvor erfolgtem Börsengang zusprach, ist eine üppige Summe. Diesen Kritikpunkten gibt das katastrophale Börsendebüt von Uber unabhängig vom schlechten Marktumfeld erst einmal Recht. Doch der grundsätzliche Vorwurf, hier würden nur Altaktionäre reich gemacht, ist fehl am Platze. Es liegt nun mal in der Natur der Dinge, dass Börsengänge unter anderem auch unternommen werden, um Aktionären eine gute Möglichkeit der Liquidität zu geben, also mit ihren Aktien auch zu handeln.

Viele Gegner des Uber-Hypes stoßen sich auch an dem Umstand, dass die Firma enorme Verluste schreibt – und vergessen, dass etwa der Online-Gigant Amazon anfangs ebenfalls keinen Gewinn aufwies (und das übrigens auch viele Jahre nach seinem Börsengang noch nicht machte). Sie verdrängen zudem, dass es bei Aktien wie Uber einfach nicht um Fundamentaldaten geht. Zumindest nicht für die, die zum Börsengang gezeichnet haben – was ja offensichtlich einige aus freien Stücken heraus getan haben, ohne gezwungen worden zu sein.

Nein, Uber ist vielmehr ein Beispiel dafür, welche Rolle die Kursfantasie spielt. Und dabei ist schlichtweg das Geschäftsmodell entscheidend sowie die Frage, ob es aufgeht und ob man daran glaubt. Als vor knapp 15 Jahren Google an die Börse ging, zweifelten nicht nur notorische Schwarzseher, ob man mit einer Website, auf der nicht mehr zu sehen war als ein Balken und sechs bunte Buchstaben, Geld verdienen könne. Heute sind die Skeptiker schlauer: Aus der Suchmaschine ist ein Medien-, Daten- und Werbekonzern geworden, der alles zu Geld macht.

Einige Analysten trauen Uber tatsächlich Vergleichbares zu, und zwar nicht viel weniger, als das globale Mega-Thema Verkehr in den kommenden Jahrzehnten lösen zu können. Und es gibt einige Untersuchungen, die das stützen. Natürlich darf man bezweifeln, ob das alles so eintritt. Wer aber daran glaubt, wer meint, die Situation und die Erfolgsaussichten des Geschäftsmodelles von Uber gut einschätzen zu können, und wer die Chance eines Investments daher für größer als dessen Risiko hält, der handelt nur konsequent, wenn er bei Uber einsteigt. Im Sinne seiner persönlichen Chance-Risiko-Rechnung und im Interesse seines individuellen Risikomanagements.

Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass wer nicht daran glaubt, grob fahrlässig wäre, würde er in Uber investieren. Und nur um es einmal deutlich zu sagen: Dies ist kein Plädoyer für ein Uber-Engagement. Im Gegenteil. Wie herausfordernd die Mobilitätsbranche ist – und welche Risiken sie impliziert –, hat man allein in den vergangenen Monaten im Zuge der Diesel-Thematik gesehen: Momentan weiß ja niemand, welches Auto er noch kaufen kann, ohne dass er bald von Fahrverboten betroffen wäre. Die E-Mobilität, von vielen Experten als das Ei des Kolumbus gehandelt, ist zudem mit enorm vielen Fragezeichen behaftet – Stichwort Akku-Reichweiten, Tankstellennetz etc. Wie soll man nur ansatzweise erahnen, wie sich der Verkehr in einem Jahrzehnt darstellt, wenn man nicht einmal weiß, wie er am nächsten Tag aussieht?

Kurzum: Wer kontinuierliche Entwicklung auf Basis guter fundmentaler Ergebnisse schätzt, wer sich selber eher als Investor denn als Glücksritter sieht, für den ist ein Engagement in Uber zum jetzigen Zeitpunkt einfach nichts. Weil es an der Börse eben nicht nur Teilnehmer gibt, die das Risiko suchen, das mitunter richtig hohe Gewinne verspricht, sondern auch jene, die auf Sicherheit setzen und auf nicht ganz so exzessive, aber dafür kontinuierliche Renditen. Das Schöne ist ja, das für alle am Markt Platz ist.

Klar muss aber auch sein, dass wie so oft im Leben pauschale Urteile nicht weiterhelfen, auch nicht bei der Bewertung eines Börsengangs. Dass nicht alle großen IPOs nur auf Kursfantasie gebaut sind, zeigt im Übrigen Siemens Healthineers. Das Börsendebüt der Medizintechnik-Sparte des Siemens-Konzerns im Frühjahr vergangenen Jahres hatte mit einem Erlös von 4,2 Milliarden Euro ebenfalls ein zumindest für Deutschland üppiges Volumen – und das Unternehmen hatte mit 381 Millionen Euro nach Steuern im jüngsten Quartal tatsächlich einen Gewinn zu bieten. Zudem hat der Aktienkurs seit dem Börsendebüt ordentlich zugelegt. Zwar ist Medizintechnik wahrscheinlich nicht das, was Börsianer meinen, wenn sie vom „nächsten großen Ding“ sprechen. Doch es geht an der Börse wie gesagt nicht immer nur um den Sechser im Lotto, sondern auch um eine stete, langfristige Entwicklung.

Apropos: Manchmal schadet es einem Börsianer nicht etwas Geduld zu haben. Auch die Facebook-Aktie kam im Jahr 2012 wenige Wochen nach ihrem Börsenstart kurzzeitig unter Druck – und hat sich seitdem im Wert verzehnfacht. Was das lehrt? Nicht immer fängt der früheste Vogel den dicksten Wurm.

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