Zschabers Börsenblick
Wird die Wall Street für hiesige Anleger zu riskant? Quelle: imago images

US-Börse: Schreckgespenster, die Scheinriesen sein könnten

Auf den ersten Blick überwiegen aktuell am US-Aktienmarkt die negativen Aussichten die positiven. Das sollte Anleger aber nicht zu falschen Schlüssen verleiten.

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Deutsche Börsianer haben es derzeit vergleichsweise gut. Ihr Schreckensgespenst einer künftigen rot-rot-grünen Regierung ist vom Tisch und mit den verbliebenen möglichen Regierungskoalitionen könnten sie sich im Zweifelsfall arrangieren. Von Langweile ist zwar keine Spur – langweilig ist es am Kapitalmarkt schließlich nie –, aber zumindest von den Folgen der Bundestagswahl droht der Börse hierzulande vorerst kein unmittelbares Ungemach.

Dafür, dass Diskussionen über Farbenspiele à la „Ampel“ und „Jamaika“ ihre einzigen Sorgen wären, wären US-Börsianer derzeit sicherlich dankbar. Sie haben gerade mit ganz anderen Themen zu tun. Themen, die durchaus für Schwankungen am Aktienmarkt sorgen könnten. Da sind zum einen die US-Wirtschaftsdaten: Einige Indikatoren wie Einkaufsmanager-Indizes gingen im September zurück, teilweise lagen sie unter den Prognosen; auch das US-Verbrauchervertrauen sank, wobei dieses natürlich nur eine Kurzaufnahme ist, denn das sogenannte Weihnachtsquartal steht vor der Tür und gemäß den aktuellen Prognosen wird es da doch sehr positiv aussehen. Diese Daten waren mit Spannung erwartet worden – auch vor dem Hintergrund der Frage, inwieweit das vorausgegangene Ende der zeitlich begrenzten Corona-Hilfemaßnahmen den Boom in den USA bremsen würde. Wer wollte, konnte das angesichts der Zahlen in diese Richtung interpretieren.

Daneben hing das Damoklesschwert einer Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten über dem US-Aktienmarkt, wobei so eben ein Übergangshaushalt in letzter Minute beschlossen worden ist. Es wäre dazu gekommen, wenn die Schuldenobergrenze nicht bis dahin angehoben oder ausgesetzt werden würde. Auf Letzteres müssen sich dennoch die Mitglieder des Senats einigen – und zwischen den dort vertretenen Demokraten und Republikanern herrscht alles, aber keine Harmonie.

Und: Die jüngste Ankündigung der Notenbank Fed dürfte unter Börsianern wohl ebenfalls nicht für allzu große Euphorie sorgen. Deren Chef Jerome Powell hatte Zeichen ausgesendet, die auf ein baldiges Ende der ultralockeren Geldpolitik schließen lassen – und das noch vor Ende dieses Jahres. So soll das bisherige Kaufprogramm für Wertpapiere bis dahin zurückgefahren werden, ein kompletter Stopp könnte im kommenden Sommer erreicht sein. Unweigerlich stellt sich der Anleger die Frage, was mit den Leitzinsen geschieht und wann mit deren Anhebung zu rechnen ist – alles aber in einem Maße, das verträglich für die internationalen Kapitalmärkte sein wird, hat man doch aus dem Jahr 2013 gelernt.

Die Gesamtheit dieser Entwicklungen in den USA muss betrachtet werden und könnte nachdenklich machen. Eine schwächere Konjunktur, die zusätzlich noch durch eine Staatsinsolvenz gefährdet ist, in Verbindung mit leicht steigenden Zinsen, lässt die Frage offen – sind Dow Jones und S&P500 noch immer der „Place to be“ für Anleger auf der Suche nach Rendite?

Doch: Ist es wirklich so düster um die US-Wirtschaft und den US-Aktienmarkt bestellt, wie es auf den ersten Blick erscheint? Der Reihe nach: Fakt ist, dass die US-Wirtschaft im internationalen Vergleich sehr gut dasteht und dass die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen Made in USA hoch ist. Zwar leidet die dortige Ökonomie unter denselben Problemen wie andere Nationen auch – Lieferkettenengpässe sind nichts, womit die USA exklusiv zu kämpfen hätten –, dafür haben die Vereinigten Staaten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: einen flexiblen Arbeitsmarkt, der extrem schnell auf sich verändernde Entwicklungen reagieren kann. Erhöht der US-Konjunkturmotor seine Drehzahl, wird auch im Nun der Arbeitsmarkt anspringen. Und: In den USA wimmelt es nur so von bestens aufgestellten und gesunden Unternehmen. Die Eigenkapitalrenditen von US-Konzernen befinden sich auf überdurchschnittlich hohem Niveau. Es gibt schlechtere Ausgangssituationen für turbulente Zeiten.

Das drohende Szenario der Zahlungsunfähigkeit der USA wiederum erhält deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil dies ein bislang einmaliger Vorgang wäre. Allerdings ist es fraglich, ob den Republikanern ihre politische Ideologie, den Demokraten per se contra zu geben, so viel wert wäre, dass sie dafür den Ruf des eigenen Landes als zuverlässiger Kreditnehmer über die Klinge springen lassen würden – oder ob sie sich nach einem finalen Muskelspiel und ein bisschen Pokern nicht doch zu einem Einlenken bewegen lassen. Darauf könnte hindeuten, dass der US-Kongress vergangene Woche eine drohende Haushaltssperre, den vielzitierten Shutdown, abgewendet hat, mit Stimmen sowohl der Demokraten als auch einiger Republikaner.

Und dann wäre da noch das Schreckensgespenst der weltweiten Aktienmärkte, die möglichen Zinsanhebungen. Mit diesen ist nach den Ankündigungen der Fed zu einer strafferen Geldpolitik im nächsten Jahr zu rechnen. Doch genau die Kommunikation der Notenbank stellt den entscheidenden Punkt dar: Sie bereitet den Markt behutsam und mit langem Vorlauf auf Veränderungen vor – und nicht im Hauruckstil. Effekthascherei kann man den Notenbankern nicht vorwerfen. Die Fed schafft mit ihren Äußerungen vielmehr Vertrauen. So signalisiert sie etwa mit ihrer Ankündigung der Drosselung von Anleihekäufen, dass sie ein schrittweises Verlassen des Krisenmodus für angebracht hält. Und verkündet damit die Botschaft, dass es doch gar nicht so schlecht stehe um Land und Wirtschaft.

Es ist keine Frage: Die Themen, die US-Anleger derzeit beschäftigen, sind keine Nichtigkeiten. Sie sollten aber auch nicht überbewertet werden. Auf absehbare Zeit wird an Investments in Aktien kein Weg vorbeiführen, ebenso wenig an Papieren aus den USA, sind diese doch bereits über Jahrzehnte ein Garant und Fels in der Brandung.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Mehr zum Thema: Viele Anleger fürchten hohe Inflation. Ein Blick in die Depots der Profis zeigt: Gegen deren Anlagestrategie hat die Inflation keine Chance.

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