Zschabers Börsenblick
Für die deutschen Autobauer wird das Thema Elektromobilität immer wichtiger. Quelle: dpa

Vom Standstreifen auf die Überholspur

Eine Zeit lang mussten sich deutsche Autobauer den Vorwurf gefallen lassen, die E-Mobilität zu verschlafen. Geht es nach der Performance an der Börse, sieht es aber gar nicht so schlecht für sie aus. Auch nicht im Vergleich mit dem E-Auto-Star Tesla.

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Wenn es danach ginge, ein Unternehmen ausschließlich anhand seiner Präsenz in den Medien zu beurteilen, wäre Tesla allein schon dank der Aktivitäten von Elon Musk die unangefochtene Nummer eins im Automobilsektor. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Firmengründer nicht mit irgendeiner Wortmeldung für Aufmerksamkeit sorgt, vorzugsweise über Twitter. Dabei muss es nicht immer nur um vier Reifen und ein Lenkrad gehen – Musk kommentiert auch gerne mal die Kursentwicklung von Kryptowährungen. Dass Tesla im jüngsten Quartal knapp ein Viertel seines Gewinns mit dem Verkauf von Bitcoin erzielt hat, darf dabei allem anderem als dem Zufall zugerechnet werden.

Was den hohen Grad der Öffentlichkeit, die Tesla genießt, ohne Zweifel unterstützt, ist der Umstand, dass das Unternehmen auch an der Börse das Maß aller Dinge ist. Mit knapp 600 Milliarden US-Dollar wird der E-Auto-Konzern dort aktuell bewertet – dagegen sehen die rund 80 Milliarden Euro, welche die deutschen Autobauer Volkswagen und Daimler jeweils auf die Börsenwaage bringen, sowie die 50 Milliarden Euro von BMW beinahe schon wie die viel zitierten Peanuts aus.

Und doch muss Tesla nicht zwangsläufig für jeden Anleger, der sich im Automobilsektor engagieren will, das einzig wahre Investment sein. Zweifellos weist Tesla zwar derzeit die größte Kursfantasie auf, ist das Unternehmen doch bei Innovationen wie dem Autonomen Fahren ganz weit vorne, wirkt mitunter mehr wie ein Software-Entwicklungsunternehmen. Allerdings gibt es auch Börsianer, denen die extrovertierte Art des Gründers gelinde gesagt suspekt ist, zumal diese des Öfteren schon Kurskapriolen verursacht hat – und manch ein Aktionär legt dann doch weniger Wert auf Show als vielmehr auf Zurückhaltung.

Letztere ausgerechnet bei deutschen Autobauern zu suchen, mag zynisch klingen, würden böse Zungen doch behaupten, Zurückhaltung hätten VW, Mercedes und Co. lange Zeit vor allem bei ihren Bemühungen im Bereich der Elektromobilität walten lassen. Aber davon, dass sie diesen Trend komplett verschlafen hätten, unter anderem weil sie stur auf den Verbrennungsmotor setzen würden, davon sind offenbar immer weniger überzeugt. Dass die deutschen Autoriesen keineswegs auf dem Standstreifen verharren, darauf deuten nicht zuletzt die Zahlen des Corona-Jahres 2020 hin: An den insgesamt knapp 395.000 Neuwagen mit elektrischem Antrieb, die in Deutschland im vergangenen Jahr neu zugelassen wurden, hat Volkswagen mit 17,4 Prozent den größten Anteil gehabt, gefolgt von Mercedes mit 14,9 Prozent.

Die beiden Unternehmen haben damit hierzulande ihren Absatz des Vorjahres versieben- beziehungsweise verachtfacht – für viele Marktbeobachter das Signal, dass auch die deutschen Autobauer bei alternativen Antrieben langsam, aber sicher ernst zu nehmen sind. Sie machen damit sogar Tesla dessen Marktanteil streitig: Im April nahm in Deutschland der Gesamtmarkt der Elektroautos im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 400 Prozent zu – Tesla aber gab bei den Neuzulassungen um knapp ein Viertel nach. Dieser Hauch von Euphorie, den Deutschlands Autobranche in puncto E-Mobilität versprüht, spiegelt sich auch an der Börse wider: Neben dem Spitzenreiter Volkswagen zählen auch Daimler und BMW zu den besten DAX-Performern des laufenden Jahres.

Dass sich der eine oder andere gerade konservative Investor eher zu solchen Werten hingezogen fühlt als zu Tesla, liegt nicht nur an der Holterdipolter-Attitüde des Elon Musk. Auch wirtschaftlich gibt es mittlerweile einige Wolken am für lange Zeit so blauen Tesla-Himmel, hat sich das Unternehmen doch auch in seiner Heimat namhafter Konkurrenz zu erwehren. So ist der Auto-Dino Ford mit einer neuen E-Version seines Pick-up-Verkaufsschlagers F-150 auf den Markt gegangen und hat Tesla den Preiskrieg angesagt. Preiskrieg bedeutet aber immer gleich auch kleinere Margen – und diese lassen sich bei besagten konservativen Investoren kaum durch Kursfantasie wegdiskutieren.

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Einen Blick in die Zukunft werden aber auch diese eher zurückhaltenden Anleger wagen wollen. Sie dürften sich ausmalen, wie Volkswagen, Daimler und BMW, wenn die breite Masse sich einmal für E-Mobilität begeistern kann, erst recht von der Stärke und des Renommees ihrer Marken profitieren können werden. Schreibt man den Trend der vergangenen Monate fort, wird dies in nicht mehr allzu ferner Zukunft sein. Es gibt sie also durchaus noch, die Gelegenheiten für Börsianer, die in einen Automobilhersteller investieren wollen, dessen Leistung und Kurspotenzial sie nach dessen Expertise im Fahrzeugbau und den Absatzchancen auf dem Automarkt bewerten können – also für Börsianer, die sich beim Thema Auto nicht mit Twitter und Bitcoin beschäftigen wollen.

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