Zschabers Börsenblick
Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende. Quelle: imago images

Warum die Wende von der Wende die Wende bringen kann

Noch ist das Börsenjahr 2022 nicht vorbei. Doch schon jetzt lassen sich einige Tendenzen auch für das kommende Jahr erkennen.

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Es ist jetzt, Ende November, sicherlich noch viel zu früh, um abschließend zu beurteilen, ob das Börsenjahr 2022 unter dem Strich als positives oder negatives in die Annalen eingehen wird. Was wir allerdings alle jetzt schon wissen: Man brauchte ein mehr als gutes Nervenkostüm. Zwar könnte man angesichts eines Dax-Niveaus von gut zehn Prozent unter den Höchstständen vom Jahresbeginn der Versuchung erliegen, das Jahr schon jetzt als eher schlechtes abzustempeln. Doch die Dynamik der vergangenen zwei Monate hat gezeigt, dass auch vermeintlich große Kursunterschiede mit einem kurzen knackigen Sprint schnell wieder wettgemacht werden können. Einem Sprint, der natürlich bei entsprechender Nachrichtenlage auch in die andere Richtung gehen kann – siehe Februar und März dieses Jahres, als die Notierungen in hohem Tempo einbrachen.

Doch unabhängig vom Jahresendstand der Indizes und der Frage, ob 2022 ein Bullen- oder ein Bärenjahr war, bereits jetzt lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass damit ein weiteres turbulentes Jahr am Aktienmarkt zu Ende gehen wird. Ein Jahr, in dem Corona und die damit verbundene Lieferkettenproblematik immer noch eine Rolle spielten, in dem sich aber mit Ukraine-Krieg und Energiekrise, mit Zinswende und Inflation noch zusätzliche Belastungsfaktoren für die Börsen auftaten.

Wer sagt, in solchen Szenarien kann es nur Verlierer geben, der irrt. Der brasilianische Aktienmarkt etwa profitierte von den hohen Rohstoffvorkommen im Land und weist aktuell – in Form des Bovespa Index – einen höheren Stand auf als zu Jahresbeginn. Und in der Türkei versuchen sich Anleger mit Aktienkäufen in heimische Unternehmen so gut wie möglich gegen die historisch hohe Inflation zu schützen – und sorgen dafür, dass der Index BIST auf neue Rekordhöhen steigt. Aber es gibt natürlich auch Verlierer, und zwar nicht zu knapp. Auch diese lassen sich auf das große Ganze, sprich die globale Entwicklung, zurückführen. Das ist etwa der Nasdaq, der Index der Tech-Werte, die nach dem durch Corona forcierten Digitalisierungsboom erst eine längere Rally erlebten, nun aber der Zinswende und zum Teil überbordenden Erwartungen zum Opfer fielen. Die Unternehmen aus SDAX und MDAX sind ebenfalls wegen der steigenden Zinsen und der damit verbundenen höheren Finanzierungskosten auf der Seite der Verlierer zu finden, zudem leiden speziell die Industrietitel besonders unter der Energiekrise.

Es gibt ganze Sektoren, die in diesem Jahr Federn lassen mussten. Da sind im Bereich der Rohstoffe etwa die Industrie- und Edelmetalle. Die Notierung von Kupfer liegt beispielsweise auf Jahressicht mit knapp 20 Prozent im Minus. Das Metall, dessen Preis als Spiegel für die Verfassung der Weltwirtschaft gilt, verlor im zweiten Quartal dieses Jahres drastisch an Wert, als die Sorgen um die globale Konjunktur zunahmen. Ähnliches gilt für Silber. Und selbst dessen großer Bruder Gold konnte seinem legendären Ruf als Krisenanlage bislang nicht gerecht werden.

Nun haben aber am Gesamtmarkt die vergangenen Wochen die Silberstreifen am Horizont wieder deutlich heller strahlen lassen, die Indizes haben sich auf breiterer Flur mit ziemlicher Wucht zurückgemeldet. Ob die jüngste Erholung im Dax, speziell aber auch bei Dow Jones und S&P500, bis zum Ende des Jahres und darüber anhält, hängt von der weiteren Nachrichtenlage in punkto Inflation ab: Verfestigt sich der Eindruck, die Preisteuerung ginge weiter zurück, dürfte auch die Zuversicht der Aktienleger groß bleiben, dass die Notenbanken ihre jüngste, fast historische Serie der Zinssteigerungen nicht weiter fortsetzen oder zumindest in wesentliche kleineren Schritten – gerade ersteres Szenario wäre weiterer Treibstoff für die Börse.

Vor diesem Hintergrund sollten Anleger den US-Markt in den kommenden Monaten favorisieren. Denn jenseits des Atlantiks ist die Situation eine andere als in Europa, vor allem eine andere als in Deutschland: In den USA spielen die Energiepreise anders als bei uns eine untergeordnete Rolle bei der Inflation, da die Energieversorgung nicht einer solchen Abhängigkeit von anderen Nationen unterliegt. Es ist dort vielmehr der private Konsum, der Druck auf die Preise ausübt. Dieser Druck ergibt sich paradoxerweise aus der schnellen Erholung der US-Wirtschaft, die wiederum auf das schnelle und entschlossene Zinspolitik der dortigen Notenbank Fed zurückzuführen ist. Sollte sich also im kommenden Jahr die Tendenz fortsetzen, sich diese an und für sich „gesunde“ Inflation“ in den USA auf einem moderaten Niveau einpendeln und angesichts dessen die Fed das Tempo aus den Zinserhöhungen nehmen oder sogar die Zinsen wieder senken – sozusagen die Wende von der Zinswende vollziehen –, dann stehen dem US-Aktienmarkt weitere Erholungsschübe bevor.

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Anleger können dies bei der Positionierung ihres Depots berücksichtigen und in Form etwa eines ETFs auf die breit gestreuten US-Indizes setzen. Wer zudem die nötige Erfahrung und Risikoneigung mitbringt, kann auch darüber nachdenken, den einen oder anderen großen Einzeltitel aus dem IT- und Technologiebereich beizustreuen – manch einer von diesen „Tankern“ ist im Zuge der Korrektur in diesem Segment zu Unrecht in Sippenhaft geraten und abgestraft worden. Jetzt könnte ein guter Zeitpunkt sein, sich hier langfristig zu positionieren. Ganz unabhängig davon, ob wir 2022 noch eine Jahresendrally sehen oder nicht.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Lesen Sie auch: Die 7 Tücken der Fondspolicen und wie Sie sie umschiffen

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