So billig wie am Dienstag gab es Commerzbank -Aktien noch nie - und sie werden es wohl auch so schnell nicht wieder werden. Zeitweise wurden die Titel für gerade einmal 1,044 Euro gehandelt. Doch am Mittwoch legt die Bank zehn Aktien zu einer zusammen, wie sie am Dienstag mitteilte. Damit hat sie gerade noch verhindert, dass ihre Anteilsscheine zu Pennystocks werden.
Vor allem aber schafft sie damit die Voraussetzung für die 2,5 Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung, über die sie die restlichen Stillen Einlagen des Bankenrettungsfonds SoFFin und der Allianz tilgen will. Denn die Bank darf Aktien nicht unter dem rechnerischem Nennwert von einem Euro ausgeben. Um genügend neue Investoren anzulocken oder die gegenwärtigen Aktionäre zum Nachkauf zu bewegen, muss sie aber einen deutlichen Abschlag zum Börsenkurs bieten. Die Kapitalerhöhung soll Mitte Mai anlaufen.
Chronik der Commerzbank seit der Krise 2008
Die Commerzbank kündigt an, die Dresdner Bank für rund zehn Milliarden Euro von der Allianz zu übernehmen.
Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers verschärft die Finanzkrise dramatisch und bringt Banken rund um den Globus ins Wanken.
Die Commerzbank verhandelt den Preis für die Dresdner Bank auf knapp sechs Milliarden Euro herunter und zieht die Übernahme vom zweiten Halbjahr 2009 auf Januar 2009 vor. Die Allianz schießt der Commerzbank 750 Millionen Euro in Form einer Stillen Einlage zu.
Die Commerzbank entdeckt höhere Kreditrisiken bei der verlustreichen Dresdner Bank. Um die Übernahme trotzdem stemmen zu können, zapft die Commerzbank den staatlichen Bankenrettungsfonds (SoFFin) an. Die Bank erhält 8,2 Milliarden Euro an Stillen Einlagen, die jährlich mit neun Prozent verzinst werden sollen, und staatliche Garantien über 15 Milliarden Euro.
Der SoFFin übernimmt für 1,8 Milliarden Euro - sechs Euro je Papier - 25 Prozent plus eine Aktie an der Commerzbank (Teilverstaatlichung) und pumpt zusätzlich weitere 8,2 Milliarden Euro an Stillen Einlagen in die Bank.
Die Commerzbank kündigt an, von den Stillen Einlagen des SoFFin über 16,4 Milliarden Euro bis Juni rund 14,3 Milliarden zurückzugeben. Das gilt als erster Befreiungsschlag. Das Geld kommt aus der Platzierung von Pflichtumtauschanleihen und einer Kapitalerhöhung über 5,3 Milliarden Euro. Weitere gut drei Milliarden Euro kann die Bank so zurückgeben, weil sie das Kapital nach damaliger Einschätzung nicht braucht.
Commerzbank-Chef Martin Blessing schließt weitere Staatshilfen kategorisch aus, nachdem die EU-Bankenaufsicht EBA bei dem Institut im Zuge der Euro-Schuldenkrise ein Kapitalloch von gut fünf Milliarden Euro ausgemacht hat. "Da geh ich nicht nochmal hin", sagt er und meint den SoFFin. Er hält Wort - die Bank stopft das Loch in den Folgemonaten aus eigener Kraft: Hybridpapiere werden in echtes Eigenkapital getauscht, Führungskräfte erhalten ihre Boni in Aktien statt in bar, Risiken im Kreditbuch werden neu bewertet und toxische Wertpapiere ausgemistet.
Für die Bonus-Aktien startet die Bank eine kleine Kapitalerhöhung und wirft 128 Millionen Papiere auf den Markt. Der Großteil der Mitarbeiter verkauft die Aktien aber anschließend gleich wieder. Der SoFFin wandelt zeitgleich zur Kapitalerhöhung weitere Stille Einlagen in Aktien um, um seine Beteiligungsquote von 25 Prozent an der Bank zu halten.
Die Bank kündigt an, rund zwei Milliarden Euro in die Modernisierung ihres Geschäfts zu stecken.
Der SoFFin lässt die Beteiligung an der Commerzbank erstmals unter 25 Prozent fallen. Mit einer Kapitalerhöhung um 2,5 Milliarden Euro will die Bank bis Anfang Juni nicht nur die restlichen Stillen Einlagen des SoFFin von 1,6 Milliarden Euro zurückzahlen, sondern auch die 750 Millionen schwere Finanzspritze der Allianz.
Die Zahl der Aktien wird eingedampft, aus zehn Aktien wird eine.
Die Commerzbank zahlt den Rest der stillen Einlagen des Staates und der Allianz zurück.
Das Management ringt den Arbeitnehmervertretern den Abbau von 5200 Stellen ab.
Die interne Bad Bank der Commerzbank kann ihr Portfolio britischer Gewerbeimmobilien verkaufen.
Der Aufsichtsrat beschließt die Verkleinerung des Vorstands von neun auf sieben Köpfe.
Der Kursverfall der Commerzbank-Aktie hatte - wie bei vielen anderen Geldhäusern auch - mit dem Ausbruch der US-Immobilienkrise begonnen. Im Juni 2007 erreichten die Titel mit 30,61 Euro ihr Rekordhoch, bis zum März 2009 stürzten sie um 94 Prozent ab auf unter zwei Euro. Der Bankenrettungsfonds war zum rechnerischen Preis von sechs Euro mit 25 Prozent eingestiegen, um die Commerzbank nach der Fusion mit der Dresdner Bank vor dem Aus zu retten.
Zwei Jahre später notierten die Commerzbank-Anteilsscheine immerhin wieder um die fünf Euro - doch dann ließ Vorstandschef Martin Blessing eine ganze Welle von Kapitalmaßnahmen anrollen, um die Staatshilfen zu tilgen. Im ersten Schritt verkaufte die Bank neue Aktien noch für je 4,25 Euro, im zweiten dann gerade noch für 2,18 Euro. Aus gut einer Milliarde Aktien wurden dabei bis heute 5,8 Milliarden. Mit dem Erlös von 9,6 Milliarden Euro zahlte die Commerzbank einen Großteil der Stillen Einlagen von gut 16 Milliarden Euro zurück, mit denen der Staat sie in der Finanzkrise gerettet hatte.
Nun will die Commerzbank überraschend die restlichen Stillen Einlagen - 1,6 Milliarden Euro vom Bund und 750 Millionen Euro von der Allianz - zurückzahlen. Seit Blessing das Mitte März ankündigte, geht es für die Aktien bergab - bis zum Rekordtief. Denn die Altaktionäre sind "not amused": Sie sehen einer massiven Verwässerung ihrer Anteile ins Auge, wenn sie nicht mitziehen.
Platz im Dax ist nicht in Gefahr
In der fast 25-jährigen Geschichte des Dax gab es bislang nur einen einzigen Wert, der unter die Ein-Euro-Marke gefallen war: Infineon. Der bayerische Chiphersteller musste im März 2009 seinen Platz im Leitindex räumen, weil sein Börsenwert zu stark gesunken war. In den folgenden sechs Monaten versechsfachte sich der Kurs aber, und im September 2009 kehrte Infineon in den Dax zurück. Aktuell kosten die Titel um 5,45 Euro.
Die Commerzbank braucht um den Platz im Dax zunächst nicht bangen, obwohl sie nur noch 6,3 Milliarden Euro wert ist. Mit ihrer Marktkapitalisierung liegt sie zwar am unteren Ende der Rangliste, doch ihr hoher Börsenumsatz schützt sie.
Auch in anderen europäischen Leitindizes fallen Aktien mit solch niedrigen Kursen aus dem Rahmen. Im 40 Werte umfassenden italienischen Leitindex finden sich drei Pennystocks, darunter mit der Banco Popolare ein Kreditinstitut. Im Athener Leitindex notieren 13 Werte unter einem Euro, drei von ihnen sind Geldhäuser. Im britischen FTSE kosten die Aktien von Lloyds noch knapp 50 Pence, zweitschwächster Wert ist die Versicherungsgruppe RSA mit rund 110 Pence je Aktie.