Börsen Die Amerikanisierung der Finanzmärkte und ihre Folgen

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Im Windschatten der Investmentbanker

Dass die US-Regeln den europäischen Regeln keineswegs überlegen sind und Anleger nicht besser schützen, hat die Finanzkrise gezeigt. Die teils kriminelle Energie, mit der Hypotheken an Menschen verkauft wurden, die es sich nicht leisten konnten, war nur möglich wegen weitgehend unkontrollierter Broker, die solche Darlehen vermittelt haben. Ratingagenturen, die Frühwarnsignale geben sollen – gescheitert, weil sie mit den Banken, die mit obskuren Finanzvehikeln ein großes Rad drehten, in einem Bett lagen. Die hohen Schulden vieler Amerikaner – nur möglich, weil Kreditkartenfirmen sie durch scheinbar ewig währende Verfügbarkeit von noch mehr Geld erst angefixt und dann mit Wucherzinsen und Strafgebühren ausgenommen haben.

Der Internationale Währungsfonds will jetzt untersuchen, inwieweit Institutionen wie die Notenbank oder die Börsenaufsicht „stabil untermauert“ seien, hieß es am vergangenen Mittwoch. Das Ergebnis wird 2010 vorliegen.

Neben Anlegern und Industriekonzernen leiden vor allem kleinere deutsche Banken – sie haben es immer schwerer gegen die mächtige Konkurrenz aus Übersee. Zurzeit werden sie massiv aus dem momentan ohnehin darbenden IPO-Geschäft gedrängt: Seit der Jahrtausendwende haben US-Banken nach und nach durchgesetzt, dass kleinere Banken in Aktienkonsortien keine Aufträge mehr annehmen, sondern nur noch Zeichnungswünsche an den Konsortialführer durchgeben – möglichst mit Telefonnummer ihrer Großanleger-Kunden.

Dadurch kann die Großbank Kontakt zum Kunden aufnehmen – und ihn sogar abwerben. Es sei doch viel besser für ihn, heißt es dann, wenn er zum Konsortialführer wechsle. Nur dieser habe schließlich unmittelbar Einblick in alle Zeichnungsaufträge und könne ihm sagen, wie viel er bieten müsse, damit er Aktien bekomme. „Es ist » dann nur eine Frage der Zeit, bis der Kunde zu den Leuten wechselt, die immer an der Spitze der Konsortien stehen“, sagt ein Investmentbanker. „Das System arbeitet wie ein Staubsauger für die Großen, auf die immer mehr Gebühren zufließen – während die kleineren Banken verhungern.“

„Die Banken verdienten über Börsengänge und die Beratung bei Unternehmensverkäufen viel Geld, das sie wieder in den Ausbau des Geschäfts stecken konnten“, sagt Siegfried Jaschinski, Chef der Landesbank Baden-Württemberg. Sein Institut steht wie andere deutsche Banken vor der Herausforderung, sich im Investmentbanking zu den Profis hochzukämpfen – aber was fehlt, ist ein großer Deal als Referenz, und der ist schwer zu kriegen.

Dass es den deutschen Banken gelingen wird, Marktanteile zurückzuerobern, halten die Amerikaner nicht für möglich. „Wir haben 30 Jahre gebraucht, um uns diese Marktstellung zu erarbeiten. Dann werden die Deutschen jetzt mindestens noch mal 20 brauchen“, sagt einer, der seit Jahrzehnten im Geschäft ist.

Auch im Beratungsgeschäft bauen angelsächsische Player ihre Dominanz aus. Schon jetzt haben sieben der zehn größten Wirtschaftskanzleien Deutschlands ihre Wurzeln in Großbritannien – seit jeher Brückenkopf der US-Expansion in Europa – oder den USA.

Rückenwind gibt ihnen vor allem die starke Position der US-Anwälte im M&A-Geschäft, die sie dem guten Draht zu US-Investmentbankern verdanken. Manche Häuser sind seit Jahrzehnten eng verbunden, etwa Merrill Lynch und Shearman & Sterling. Die Shearman-Anwälte berieten die Banker bereits 1959 beim Börsengang, vertraten sie mehr als 40 Jahre später in einem Prozess wegen der Enron-Pleite und sind noch immer im Dunstkreis anzutreffen – im Mai betreute die Frankfurter Shearman-Filiale beispielsweise die von Merrill Lynch begleitete Milliarden-Kapitalerhöhung der Vienna Insurance Group.

Ähnlich erfolgreich funktioniert die Symbiose zwischen Investmentbankern und Unternehmensberatern aus Übersee. Die McKinseys und BCGs haben Konzerne seit Mitte der Neunzigerjahre massiv gedrängt, im Kerngeschäft zu expandieren und gleichzeitig Tochtergesellschaften aus Randbereichen abzustoßen – und auf diese Weise jede Menge M&A-Geschäft für befreundete Investmentbanker generiert.

Die Blütezeit für Banken und Berater brach an, als unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Beteiligungsverkäufe von Konzernen steuerfrei gestellt wurden und so die alte Deutschland AG aus miteinander verflochtenen Unternehmen und ManagerNetzwerken zerbrach. Was Fusionen und Übernahmen Unternehmen und Anlegern letztlich gebracht haben, steht auf einem anderen Blatt. Gemäß einer Studie von KPMG vernichteten 59 Prozent der zwischen 1998 und 2001 gelaufenen 154 größeren M&A-Transaktionen deutscher Unternehmen Aktionärsvermögen, „nur 38 Prozent der untersuchten Transaktionen führten zu deutlichen Wertsteigerungen“.

Legendäre Fehlgriffe waren die von Dibelius eingestielte Fusion von Daimler und Chrysler oder der Komplettumbau des Industriekonzerns Preussag zum Pauschalreiseanbieter TUI. Der Konzern ist seit Jahren eine Bonanza für Banken und Berater – während die Aktionäre leiden. TUI kostet heute mit rund 3,8 Milliarden Euro nur noch halb so viel wie ihre 1998 für 500 Millionen verramschte Stahltochter Salzgitter. Die könnte demnächst sogar die ehemalige Mutter aus dem Dax verdrängen.

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