Börsenmakler Dirk Müller "Die Schweinehunde bestimmen, wo es langgeht"

Der Börsenmakler und Bestsellerautor Dirk Müller wettert gegen die Banken. Im zweiten Teil des Interviews erklärt er, was schief läuft, warum Banken nicht gerettet werden dürfen und worauf sich Anleger einstellen müssen.

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Autor und Makler Dirk Müller Quelle: REUTERS

Herr Müller, Griechenland steht vor der Pleite. Davon sind reihenweise europäische Banken betroffen. Sollten die Wackelkandidaten im Notfall gestützt werden?

Dirk Müller: Das grenzt aus meiner Sicht an Veruntreuung von Steuergeldern. Man versucht, zu lavieren, zu verschleppen und das Unabwendbare hinauszuzögern. Der Leidensweg wird dadurch immer länger. Bereits vor anderthalb Jahren hätte man Griechenland in die geordnete Insolvenz gehen lassen müssen. Das wäre mit Sicherheit billiger geworden, als Milliarden und Abermilliarden nach Griechenland zu schieben und am Ende doch den Schuldenschnitt zu machen und die Banken zu stützen.

Wollen Sie, dass Banken pleitegehen?

Was ist daran so dramatisch? Die Banken wussten doch, auf was sie sich einlassen. Die haben griechische Bonds gekauft, weil sie dabei etwas mehr Rendite als bei Bundesanleihen bekamen.

Wenn die Banken wackeln, stünden Tausende Sparer vor den Filialen, um ihr Geld abzuheben. Das hätte katastrophale Folgen.

Der Staat kann sich an den Banken beteiligen, aber nur an dem Teil, der für die Realwirtschaft wichtig ist und wo die Konten der Bürger liegen, also der Geschäftsbank. Die Zockerabteilung der Banken, die soll ruhig den Bach runtergehen. Und wenn sich der Staat an den Banken beteiligt, dann soll er bitteschön auch hinterher am Gewinn beteiligt werden; nicht wie bei der Commerzbank, wo sich der Staat über den Tisch ziehen lassen hat. Die Commerzbank sorgt mit Bilanztricks dafür, dass sie von ihren Gewinnen nichts an den Steuerzahler zahlen muss.

Was haben Sie eigentlich gegen die Banken?

Die Banken sind offenkundig gar nicht mehr in der Lage, ihre Funktion für die Realwirtschaft zu erfüllen. Wir hören von EADS, dass die französischen Banken nicht mehr in der Lage sind, Flugzeuge zu finanzieren, weil sie sich auf allen möglichen Märkten verzockt haben. Mittlerweile hat der Großteil des Geschäfts gar nichts mehr mit der Realwirtschaft zu tun, sondern liegt im spekulativen Bereich. Damit haben die Banken lange extrem gut verdient. Aber jetzt, wo es schiefgeht, da soll bitteschön der Steuerzahler einspringen. Das ist nicht in Ordnung.

Sind Banker nicht lernfähig?

Wir haben nichts aus dem ersten Teil der Finanzkrise gelernt, es geht so weiter wie vorher. Niemand sollte darauf hoffen, dass die Finanzwelt eine Selbstregulierung einführt. Das wäre ja schlecht für das Geschäft. Die Politik ist in der Verantwortung, Grenzen zu ziehen.

Verstehen die Politiker überhaupt die Zusammenhänge?

Ich kenne Politiker, die ausgesprochen gut informiert sind. Aber das sind nur wenige. Die meisten haben überhaupt keine Ahnung, was passiert. Die Konsequenz ist, dass diese Leute mit einem Ackermann die Finanzkrise diskutieren sollen. Da spielen Leichtmatrosen mit Konteradmirälen Schiffe versenken. Wenn Ackermann dabei nicht die Interessen seines Hauses vertreten würde, wäre das fahrlässig. Das kann man ihm nicht vorwerfen. Der Politik werfe ich vor, dass sie sich so leicht beeinflussen lässt und sich das Know-how von den Banken holt. Man fragt die Wölfe, wie man die Schafe schützen soll. Das kann nicht funktionieren.

Was kann denn funktionieren?

Die Politik muss sich emanzipieren von den Banken. Es gibt riesige Apparate, riesige Ministerien. Da muss das Know-how hin. Das heißt aber auch, dass die Mitarbeiter besser bezahlt werden als bisher. Für Regionalliga-Gehälter bekomme ich keine Champions-League-Spieler. Wenn die Politik das nicht schafft, muss das auf Druck der Straße geschehen. Ich hoffe nur, dass das friedlich abgeht. Die Menschen spüren, dass etwas gewaltig schiefläuft. Die Proteste gehen gerade erst los, sie sind noch zaghaft, aber das kann sich schnell ändern. Auch die Montagsdemonstrationen in der DDR haben klein angefangen, auch auf dem Tahrir-Platz in Kairo haben wenige angefangen.

Hauptsitz von Goldmann Sachs in New York Quelle: dapd

Ein selbsternannter Börsenexperte hat kürzlich in einem Interview mit der BBC für einen Eklat gesorgt. Er sagte, die Welt werde beherrscht von Goldman Sachs. Stimmen Sie zu?

Ich habe das auch gesehen - er hat doch recht. Der Einfluss von Goldman Sachs ist kaum zu unterschätzen. Schauen Sie sich nur an, wie viele Banker in den letzten Jahren in verantwortliche Positionen in der Politik gekommen sind - und welche Lobbypolitik sie dort betreiben. Als Finanzminister hat Hank Paulson seinem früheren Arbeitgeber Goldman Sachs während sehr wohlwollend bedient, etwa im Zusammenhang mit der Rettung von AIG.

Sie sind selbst Teil der Finanzwelt, verdienen gutes Geld damit. Auf der anderen Seite üben Sie heftige Kritik. Wie schaffen Sie diesen Spagat?

Für mich ist das kein Widerspruch. Es gibt einen anständigen, ehrlichen Teil der Finanzwelt. Für den spreche ich. Nur leider bestimmen die Schweinehunde, wo es an den Märkten langgeht.

Haben Sie einen guten Rat für Anleger, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollen?

Ich rate dazu, reale Werte zu kaufen. Die Aktie ist ein realer Wert, weil sie die Beteiligung an einem Unternehmen darstellt. Papiergeld hat dagegen keinen realen Wert, da steht nichts Echtes dahinter. Allerdings sollte man in diesen unsicheren Zeiten nicht alles auf Aktien setzen, ohne die Positionen abzusichern, entweder durch Optionsscheine oder Eurex-Optionen. Die Absicherung kostet ein paar Prozent an Rendite, aber das ist es wert.

Ist die Gefahr groß, dass die Märkte wieder abstürzen?

Die Märkte können jederzeit einbrechen, so wie im August und September, als der Dax fast 30 Prozent verloren hat. Auf dem Weg nach unten sollte man nach und nach Gewinne aus den Verkaufsoptionsscheinen mitnehmen und dafür mehr Aktien kaufen. Denn irgendwann steigen die Aktien wieder. Ein Unternehmen wie Siemens wird auch in Zukunft Gewinne erwirtschaften, in welcher Währung auch immer. Und wenn der Absturz doch ausbleiben sollte – auch gut. Dann bin ich mit Aktien nach oben voll dabei.

Fühlt sich ein Mister Dax eigentlich besser, wenn die Kurse steigen oder wenn sie fallen?

Ich kann Ihnen sagen, dass ich heilfroh bin, wenn die Nummer hier durch ist und wir die Krise hinter uns haben.

Für Ihr Geschäft dürften Krisenzeiten besser sein. Die Vorträge sind besser besucht und Ihre Bücher verkaufen sich dann auch besser.

Das weiß ich nicht mal. Natürlich will ich Geld verdienen, dafür bin ich in diesem Beruf. Aber genauso wichtig ist mir, den Leuten nichts zu erzählen, an das ich nicht selber glaube. Ich bin niemand, der den Leuten fantastische Renditen verspricht. Wenn die Menschen ihre Kaufkraft erhalten können, ist in der jetzigen Situation schon viel gewonnen. Bei mir hat sich noch nie jemand beschwert, dass er Haus und Hof verloren hätte, weil er meinem Rat gefolgt ist. Wenn die Krise etwas Gutes hat, dann das: Die Menschen fangen endlich an, sich um ihr Geld zu kümmern.

Herr Müller, wir danken Ihnen für das Interview.

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