Börsenmanipulation Tief im Börsensumpf

Die Berufskläger Peter Eck und Axel Sartingen sollen wegen Börsenmanipulation vor Gericht. Unklar ist ihr Motiv.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Börse Quelle: REUTERS

Ermittler, die Erfolg haben wollen, müssen sich auch mal die Finger schmutzig machen. So wie der Polizeibeamte, der am 28. Juni vergangenen Jahres im Düsseldorfer Büro des ehemaligen Börsenmaklers Spütz einen Tischkalender aus einem Papierkorb fischte. Darin sollen Käufe und Verkäufe ein und derselben Aktie verzeichnet sein, die alle zwischen dem 12. August 2008 und dem 24. September 2009 gelaufen waren. Die aufwendige Durchsuchungsaktion, an der eine Staatsanwältin und 15 Ermittler beteiligt waren, könnte den bekannten Investoren Peter Eck und Axel Sartingen nun zum Verhängnis werden. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat sich tief in den Sumpf dubioser Geschäfte mit kleinen Aktiengesellschaften begeben und die beiden Anfang des Jahres wegen Marktmanipulation angeklagt. Eine Truppe um Eck und Sartingen soll untereinander Pakete einer Aktie mehrere Hundert Mal hin und her gehandelt und so Kurse und ausgewiesene Börsenumsätze manipuliert haben. Eck, früher mal Vorstand bei Borussia Mönchengladbach, will sich zu den Transaktionen nicht äußern. Sartingen sagt, er habe „mit niemandem ein Geschäft abgesprochen“.

Verfahrenseinstellung

Bekannt wurden die beiden Investoren bislang als klagefreudige Aktionäre, die Beschlüsse von Hauptversammlungen anfechten und dann teure Vergleiche mit den angeschossenen Unternehmen schließen. Seit Jahren tummeln sich Eck, Sartingen und Konsorten aber auch in zwielichtigen Unternehmen. So war Eck für die Abzockgesellschaft Mallorca Lifestyle tätig. Mit ihr sollten Anleger in Ballermann-Diskotheken investieren. Der Mallorca-Abstecher führte zu Ermittlungen wegen Beihilfe zum Betrug. Zu einer Verurteilung sei es aber nie gekommen, sagt Eck. Ecks ehemaliger Partner Sartingen war früher Vorstand einer Gesellschaft namens Dubai Oasis Capital. Für Aktionäre war auch das keine Erfolgsgeschichte: Seit dem Börsengang 2006 hat der Kurs der Dubai-Aktie 90 Prozent verloren. Heute gehen sich Eck und Sartingen angeblich aus dem Weg. Sie hätten seit Jahren keinen Kontakt mehr, sagen beide.

Obwohl es gegen Eck und Sartingen schon einige Ermittlungsverfahren gab, kamen sie jedes Mal ohne Verurteilung davon. Mal wurden die Verfahren unter Auflagen eingestellt, mal wegen mangelnden Tatverdachts. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt seit 2003 wegen möglicher Erpressung gegen die beiden. Der Vorwurf: Sartingen soll einem Softwareunternehmen angeboten haben, von Eck erhobene Einsprüche gegen eine Geldzahlung zurückzuziehen. Sartingen will damals niemanden erpresst haben. Zudem gehen er und Eck davon aus, dass die Vorgänge schon verjährt seien – die Staatsanwaltschaft Frankfurt glaubt das nicht. Eine Anklage sei aber noch nicht abzusehen.

Die Düsseldorfer Kollegen mit ihren Müll-Fundstücken sind da weiter. Ihre Anklageschrift vom 6. Januar 2011 beleuchtet neue Aktivitäten. Acht Beteiligte, darunter Eck und Sartingen, sollen 333 Transaktionen vorab abgesprochen haben. So hätten sie den Aktienkurs der Düsseldorfer Resprop Immobilien hochgetrieben. An diesem Unternehmen soll die Ehefrau von Peter Eck laut Anklage 81 Prozent halten. Eck sagt, seine Frau habe im besagten Zeitraum nur etwa 30 Prozent besessen. Zwischen August 2008 und März 2009 stieg der Kurs jedenfalls von 2,23 Euro auf 5 Euro. Ein Großteil der im gesamten untersuchten Zeitraum gehandelten Aktien für gut sechs Millionen Euro soll durch die Hände der Angeschuldigten gegangen sein, so die Staatsanwaltschaft.

Eine Verurteilung wäre ein harter Schlag, nicht nur für Eck und Sartingen, sondern für die gesamte Szene der Berufskläger, von denen heute schon viele als räuberische Aktionäre gelten.

Guter Verdienst

Räuberische Aktionäre kaufen Aktien meist kleinerer Unternehmen und proben dann auf der Hauptversammlung den Aufstand. So fechten sie Beschlüsse an, wie zum Beispiel eine wichtige Kapitalerhöhung. Die Szene der Berufsopponenten ist breit gefächert: Einige gehen tatsächlich gegen Missstände vor, indem sie zum Beispiel Vorstände bremsen, die mithilfe von Gefälligkeitsgutachten zu niedrige Abfindungen durchsetzen wollen. Sind sie erfolgreich, profitieren sie selbst, mit ihnen aber auch alle anderen Aktionäre. Anderen Opponenten geht es nicht um den einzelnen Beschluss. Vielmehr bedienen sie sich juristischer Spitzfindigkeiten, prangern Formalien an und spekulieren darauf, dass Unternehmen ihnen einen Vergleich anbieten, damit sie etwa die geplante Kapitalerhöhung zügig umsetzen können.

An solchen Vergleichen verdienen Berufskläger gut. Eck will mit den erstrittenen Vorteilen früher „problemlos“ eine ein- bis zweistellige Millionensumme pro Jahr verdient haben. Er sei aber seit Jahren nicht mehr aktiv. Neben Eck und Sartingen gehört auch der mitbeschuldigte Ex-Börsenhändler Frank Scheunert, der die Vorwürfe ebenfalls zurückweist, zur Szene. Weitere bekannte Berufskläger sind der Berliner Spediteur und Alt-Linke Klaus Zapf sowie der Kölner Investor Karl-Walter Freitag, die mit den Ermittlungen aber nichts zu tun haben. Je nach Fall bekommen die Kläger in Vergleichen zum Beispiel Aktien zu Vorzugskonditionen.

Die Gastro Beteiligungs AG, bei der Eck eine dominante Rolle spielen soll, tauchte zum Beispiel in Vergleichen mit Epcos, der Landesbank Berlin und Constantin Medien auf. Sartingen als Chef der Milaco GmbH verglich sich etwa mit der Krisenbank IKB, Conergy und Escada.

Oft steht der Vorwurf im Raum, dass Kläger gemeinsame Sache mit ihren Anwälten machen und sich Anwaltshonorare teilen, wenn die Gegenseite, meist das beklagte Unternehmen, diese übernimmt. 2009 befasste sich das Landgericht Köln mit solchen Vorwürfen gegen Eck. Es kam jedoch zu keinem rechtskräftigen Urteil, da der Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Köln mit einem Vergleich endete. Das Landgericht war jedoch davon ausgegangen, dass Eck und andere tatsächlich ein „Gebührenmodell“ mit beteiligten Anwälten vereinbart hatten, wonach diese bis zu 90 Prozent der Anwaltshonorare an Eck weitergaben. „Allein dieses Gebührenmodell ist für sich gesehen rechtswidrig“, so das Landgericht. Um Legalität vorzutäuschen, habe Eck den Anwälten Scheinrechnungen gestellt. Eck sagt, dass Anwälte an ihn nie rechtswidrig Honorare abgetreten hätten. Er habe auch keine Scheinrechnungen gestellt.

Professioneller Händler

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf will nun die mögliche Marktmanipulation mit Resprop-Aktien im Detail beweisen: Mit einer „Vielzahl korrespondierender gegenläufiger Kauf- und Verkaufsaufträge“ habe die Truppe unter sich Resprop-Aktien gehandelt. Fast immer habe es sich um abgesprochene Transaktionen „und damit wirtschaftliche Scheingeschäfte“ gehandelt. In zwei weiteren Fällen habe Sartingen Aktien ganz allein gehandelt.

Er soll zum Beispiel laut Klageschrift am 2. Oktober 2008 einen Kaufauftrag für 20 000 Resprop-Aktien mit einem Limit von 2,36 Euro erteilt haben. Nur wenige Sekunden später habe er einen Verkaufsauftrag mit gleicher Stückzahl und identischem Limit gestellt. So hätte er sicher sein können, dass die Aufträge ausgeführt wurden, und den Preis gezielt steuern können. Sartingen sagt, es könne allenfalls aus Versehen passiert sein, dass er mit sich selbst eine Aktie gehandelt habe: „Bei 25 000 Geschäften im Jahr kann mir das als professionellem Händler schon mal passieren.“

Laut Staatsanwaltschaft haben die Angeschuldigten aber nicht nur im eigenen Namen, sondern auch für eine Reihe von Unternehmen gehandelt: Spütz AG, Gastro Beteiligungs AG, Milaco GmbH, EO Investors GmbH und Vestcorp AG. Diese Unternehmen, bei denen einzelne oder mehrere Beschuldigte als Manager oder Aufsichtsräte agieren, tauchten auch immer wieder bei Vergleichen mit börsennotierten Unternehmen auf.

Im Dunkeln bleibt das mögliche Motiv der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf glaubt, dass es den Angeklagten darum ging, den „nicht vorhandenen irrigen Anschein eines tatsächlich stattfindenden freien Handels“ bei unbeteiligten Dritten hervorzurufen. Wer diese Dritten sein könnten, ist unklar. Außer den Angeschuldigten hat so gut wie niemand die Aktie bisher gekauft. „Es gibt keine Geschädigten“, sagt Sartingen.

Ein Kenner der Szene glaubt, dass es darum ging, Resprop-Aktien beleihbar zu machen: Nur dank der vorgetäuschten Umsätze und hohen Kurse wäre es möglich gewesen, die Aktien als Pfand für Kredite zu geben und das Geld für weitere Aktiengeschäfte zu nutzen. „Die Frage der Beleihung der Aktien war nicht Gegenstand der Ermittlungen“, teilt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Eck, Sartingen und Scheunert weisen diese Theorie zurück: Keine Bank würde ein so unsicheres Papier als Kreditsicherheit akzeptieren. Sartingen und Scheunert behaupten, die Anzeige gegen sie sei eine Racheaktion einer Bank oder eines Konkurrenten.

Finanzen in Unordnung

Geld gebrauchen könnte einer der Angeklagten aber schon: Eck hat in Großbritannien im September 2010 Privatinsolvenz beantragt. Laut einer Zeugenaussage Ecks vor dem obersten britischen Gerichtshof am 22. Dezember 2010 in London habe es „Unordnung“ in seinen finanziellen und geschäftlichen Belangen gegeben. Viele Leute hätten ihn wegen Verlusten verklagt oder dies angedroht. Daher sei er nach Großbritannien gezogen. Allein der NRW-Finanzverwaltung schulde er noch 207 123,53 Euro Steuern.

Berufskläger Zapf, der von Eck noch 74 000 Euro fordert, gab dagegen vor Gericht zu Protokoll, er habe „Zweifel an der Insolvenz von Herrn Eck. Er ist nicht vermögenslos.“

Ein Rechtsstreit mehr für den klageerfahrenen Eck. Für sein Hobby als Reiter dürfte ihm kaum noch Zeit bleiben. Dabei hatte er noch jüngst in einem Reiterblatt für August seine Teilnahme an der EM der Vielseitigkeitsreiter im britischen Aston Le Walls angekündigt: „Ich freue mich riesig.“ Erst muss Eck sich nun aber mit deutlich unangenehmeren Themen befassen. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%