Deutsche Bahn Bahn-Börsengang: Plan B für den Notfall

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Gefragt bei Investoren dürfte allenfalls die „Solidität“ sein, mit der Mehdorn nach dem Willen der Banken hausieren gehen soll – das Bahn-Geschäft, sei eben „sehr stabil und sehr schön prognostizierbar“. Das Argument zielt auf die starke Position der Bahn im Personennahverkehr – letztlich aber auf die rund sieben Milliarden Euro, die der Staat jährlich den Bundesländern überweist, um Nahverkehrszüge und S-Bahnen fahren zu lassen. Da viele dieser Verkehrsverträge der Bahn mit den Ländern noch lange gelten, könnte der vergleichsweise sichere Zustrom an Steuergeldern so manchen Anleger versöhnen, der Vorbehalte gegenüber dem fortdauernden Einfluss des Staates auf die Börsen-Bahn hegt.

Gleichwohl muss die Bahn fürchten, in den kommenden Jahren Nahverkehrsaufträge nach Ausschreibungen an Wettbewerber zu verlieren – oder sie nur mit deutlich niedrigeren Erlösen zu halten. „Die Bahn bietet auf Jahre festgelegte staatliche Einkünfte aus dem Personennahverkehr und hat dort eine zweistellige Marge“, schwärmt dagegen ein Banker. Das Unternehmen hat versprochen, 40 bis 50 Prozent des Gewinns per Dividende auszuschütten. Im stärker von einem Konjunkturrückgang betroffenen Frachtgeschäft könne die Bahn leicht auf sinkende Nachfrage reagieren, indem sie zum Beispiel weniger Schiffscontainer reserviere. „Das beides zusammengenommen ist genau das, was die Investoren jetzt in den unsicheren Zeiten haben wollen“, sagt der Banker. „Die Frage ist nur, zu welchem Preis.“

Bei der angestrebten Bewertung von 4,5 bis 5 Milliarden Euro für ein Viertel der Aktien biete die Bahn mehr als zehn Prozent Abschlag zur Bewertung der Rivalen aus der Logistikbranche. So in etwa wird es in den Studien der Bankanalysten, die nach der Potsdamer Geheimkonferenz ihre Modelle in die Rechner tippten, zu lesen sein. 4,5 Milliarden entsprechen dem 6,5-Fachen des für 2009 geschätzten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Für den Schweizer Logistiker Kühne+Nagel etwa zahlt die Börse aktuell das 7,5-Fache dieser Gewinngröße. Dass reine Personenbeförderer, etwa in Großbritannien und Japan, nur mit dem knapp sechsfachen Ebitda bewertet sind, dürfte in den Studien eher kaschiert werden.

Verglichen mit diesem inneren Kreis ist der Bund weit weg vom Geschehen, obwohl auch das Finanzministerium mit der Privatbank Metzler einen IPO-Berater hat. Doch Bund und Metzler nehmen an vielen Besprechungen nicht teil. „Die sitzen nicht bei uns am Tisch“, sagt ein Frankfurter Insider. Ein anderer Banker bringt es so auf den Punkt: „Der Bund spielt beim Bahn-Börsengang keine echte Rolle.“ Das liegt wohl auch an der Struktur des Verkaufsprozesses: Die Deutsche Bahn AG (DB AG) verkauft Aktien ihrer Tochter DB Mobility Logistics (DB ML). Mit anderen Worten: Bahn-Chef Mehdorn bringt sich selbst an die Börse, denn er ist in Personalunion Chef des Konzerns DB AG und der Tochter DB ML. Der Bund kommt in diesem Schema nicht vor – ganz anders als noch bei der Telekom 1996 oder der Post-Emission im Jahr 2000, als der Bund für den Steuerzahler noch das Maximum herausholte.

Generell bewerten Analysten in ihren Studien die einzelnen Geschäftsteile von DB Mobility Logistics anhand ähnlicher börsennotierter Unternehmen: Sie vergleichen den Personenverkehr mit den britischen Firmen Arriva und Firstgroup, das Logistik-Geschäft mit Kühne+Nagel, der schweizerischen Panalpina und der dänischen DSV. Für den Schienen-Frachtverkehr werden auch US-Eisenbahngesellschaften wie Union Pacific und Burlington Northern herangezogen. Auf diese Vergleichswerte könnten sich Kritiker der Bahn-Privatisierung berufen, falls Mehdorn einen weit unter der Analystenschätzung liegenden Preis akzeptiert.

Aus der Bundesregierung hat Mehdorn kaum Kritik an der Bahn-Bewertung zu fürchten. Privatisierungsbefürworter wie Steinbrück würden aufatmen, wenn es die Bahn schließlich an die Börse geschafft hat und das leidige Streitthema endlich vom Tisch ist. Überhaupt hält sich der Bund bei der letzten großen deutschen Privatisierung auffällig zurück. Den Börsengang steuern Mehdorn und vor allem sein Finanzvorstand Sack. Ihre Beraterin, die Investmentbank Rothschild, ist bei jedem Arbeitstreffen dabei, ebenso wie die vier Konsortialführer Deutsche Bank, Morgan Stanley, UBS und Goldman Sachs.

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