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Engelmanns Eigenhandel

Amerikas Defizite - wie Gordon Gekkos Warnungen ungehört verhallten

"Wall Street"-Filmfigur Gordon Gekko warnte schon 1987 vor den Folgen des US-Handels- und Haushaltsdefizits. 23 Jahre später ist alles viel schlimmer, meint unser Kolumnist.

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Oliver Engelmann, Rentenmarktexperte bei der Citi

In dieser Woche ist es endlich soweit: 23 Jahre nachdem Bud Fox als junger aufstrebender Broker im Hollywood Epos "Wall Street" in die Fänge des aalglatten Raiders Gordon Gekko und damit auf die schiefe Bahn geriet, präsentiert uns Oliver Stone mit "Wall Street - Geld schläft nicht" eine Fortsetzung seines preisgekrönten Meisterwerks. Wie schon 1987 zeigt sich der Filmemacher dabei gesellschaftskritisch. Erinnern wir uns: Als der von Ronald Reagan entfachte Börsenhype Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts seinem Höhepunkt entgegenstrebte, da versuchte Stone nicht nur, den Kinobesuchern jene gesetzwidrigen Praktiken filmisch zu erklären, mit denen Männer vom Schlage eines Ivan Boesky oder Carl Icahn milliardenschwere Firmenübernahmen eingefädelt hatten, sondern auch die Wurzel allen kapitalistischen Übels, des Niedergangs von Sitte und Moral, zu benennen: die Gier.

Gier ist gut

Noch Jahre später klingelte Gordon Gekkos Ansprache auf der Hauptversammlung von "Teldar Paper" so manchem linken Intellektuellen in den Ohren, gipfelte sie doch in dem Bekenntnis, die Gier sei gut und Triebfeder allen Fortschritts. "Die Gier ist richtig, die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jedes fortschrittlichen Geistes. Gier in all ihren Formen, die Gier nach Leben, nach Geld, nach Liebe, Wissen hat die Entwicklung der Menschheit geprägt.", so ließ Stone den eigentlich als Oberschurken ersten Ranges inszenierten Gekko ausrufen und bewirkte damit das Gegenteil von dem, was er eigentlich erreichen wollte.   Denn die Mehrheit der Zuschauer identifizierte sich eher mit dem Schurken als mit dem am Ende auf den Pfad der Tugend zurückkehrenden Sünder in Gestalt des geläuterten Bud Fox. Bei letzterem ahnte man wohl schon, dass er eines Tages als Charlie Harper in der peinlichen Sitcom "Two and a half man" wieder auferstehen würde. So mancher Amerikaner dürfte in der Figur des Gordon Gekko dagegen jenen Helden namens John Galt wieder erkannt haben, der in Ayn Rands philosophischen Roman "Atlas wirft die Welt ab " Amerika vom Joch seiner durch Korruption und Vetternwirtschaft geprägten Gesellschaftsordnung befreit und damit den reinen Kapitalismus wieder zur vollen Entfaltung bringt.

Amerika eine zweitrangige Macht?

Darüber hinaus sorgte Michael Douglas durch sein herausragendes schauspielerisches Talent dafür, selbst den fiesen Schurken Gordon Gekko noch zum Vorbild einer ganzen Generation an die Wall Street strebender Hochschulabsolventen werden zu lassen. Dass die in ihrem späteren Arbeitsalltag so gänzlich ohne Hosenträger, Strechlimousinen und dreistellige Millionengewinne zu Recht kommen mussten, tat der Begeisterung zu keinem Zeitpunkt Abbruch. Das dürfte auch der Grund sein, warum Stone dieses Mal auf Nummer sicher geht. Zwar tritt Gordon Gekko auch in "Wall Street - Geld schläft nicht" wieder in Erscheinung, allerdings als geläuterter Kritiker der Finanzindustrie. So soll Michael Douglas überwältigendes Charisma im Zusammenspiel mit seiner neuen Rolle endgültig bewirken, was Stone schon vor über zwei Jahrzehnten erreichen wollte: den Anstoß einer Diskussion über Sinn und Unsinn so mancher Geschäftspraktiken der Wall Street. Sich den Inhalt der Rede, die Gordon Gekko 1987 auf der Hauptversammlung jenes fiktiven Unternehmens namens "Telda Paper" hielt, noch einmal zu vergegenwärtigen, ist allerdings auch noch aus einem anderen Grund als dem, die theoretische Diskussion über die Frage, ob die Gier letztendlich gut ist oder nicht, nochmals zu entfachen, sinnvoll. Denn ein solcher Blick zurück zeigt, dass die wirtschaftlichen Probleme, mit denen die Vereinigten Staaten heute zu kämpfen haben, immer noch dieselben sind wie damals. "Meine Damen und Herren, wir sind nicht hier, um uns an unseren Phantasien zu berauschen, sondern es geht um die politische und ökonomische Realität.", so wandte sich Gekko im ersten Teil von "Wall Street" an die Aktionäre und fuhr fort: "Amerika ist zu einer zweitrangigen Macht geworden. Sein Handelsdefizit und sein Haushaltsdefizit kann man nur noch als Alptraum bezeichnen." Stone ließ seinen Protagonisten damals die Tatsache, dass die Kultur des Unternehmertums durch eine der Aktionäre ersetzt worden war, als ursächlich für den Niedergang Amerikas bezeichnen - eine These, die - im Nachhinein betrachtet - nicht unbedingt den Tatsachen entsprach.

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