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Engelmanns Eigenhandel Bravo, Brüderle!

Unserem Kolumnisten imponiert die Courage von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der traute es sich, den geldpolitischen Kurs der amerikanischen Notenbank zu kritisieren und US-Finanzminister Timothy Geithner einen "Rückfall in planwirtschaftliches Denken" vorzuwerfen.

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Oliver Engelmann, Rentenmarktexperte

Frankreichs Bürger protestieren. In seltener Eintracht demonstrierten in den vergangenen Tagen in Paris und andernorts Jung und Alt gegen die Pläne der Regierung, dem Beispiel vieler anderer westlicher Industrienationen zu folgen und das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Der demographische Wandel erzwingt auch in Frankreich Veränderungen - Veränderungen, die naturgemäß weder bei der werktätigen Bevölkerung noch bei dem nach Arbeit suchenden Nachwuchs Begeisterungsstürme auslösen.

Wie in Deutschland wird auch in Frankreich die Politik für die Folgen des Pillenknicks und der immer weiter voranschreitenden Individualisierung des Lebens - in dem für Kinder oftmals kein Platz ist - verantwortlich gemacht. Als wenn Angela Merkel oder Nicolas Sarkozy höchstpersönlich für die rückläufigen Kinderzahlen in ihren Ländern verantwortlich wären. Sarkozy muss mittlerweile sogar aufpassen, nicht das Schicksal so manch französischen Monarchen von einst zu erleiden. Das historische Beispiel des Sturms auf die Bastille vor Augen, könnten die aufgebrachten Massen am Ende in einer Art "Französische Revolution 2.0" den Elysee Palast besetzen und den Präsidenten samt charmanter Gattin bereits im Alter von 55 Jahren in den Vorruhestand schicken - deutlich früher also, als die Demonstranten selbst nach dem Willen der Regierung künftig Kontor oder Werkbank verlassen dürfen. 

Ende des Jugendwahns

Ein in der Diskussion um die Erhöhung des Renteneintrittsalters in Frankreich wie Deutschland gleichermaßen oft gehörtes Argument ist das, wonach ältere Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt zumeist chancenlos seien, die Erhöhung des Renteneintrittsalter mithin also nichts anderes als eine verkappte Senkung der Altersbezüge darstelle. Auch ich habe bislang so gedacht. Bis ich am Wochenende einen Artikel der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" las. In dem wurde berichtet, die Zahl der Erwerbstätigen in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen sei in den vergangenen zehn Jahren um mindestens 800 000 auf nunmehr 3,6 Millionen angestiegen. Vielleicht führt der von vielen verfluchte demographische Wandel am Ende ja sogar dazu, dass der bislang in den Unternehmen grassierende Jugendwahn eines nicht allzu fernen Tages endlich der von so vielen immer wieder eingeforderten Wertschätzung älterer Mitarbeiter weicht. Dass die weniger leistungsfähig als ihre jüngeren Kollegen sein sollen, ist ohnehin ein Märchen. Bestes Beispiel: der amtierende Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle. 

Brüderles schwerer Start

Brüderle, der am 22. Juni diesen Jahres seinen 65. Geburtstag feierte und somit eigentlich schon in Rente sein müsste, läuft dieser Tage in seinem Amt erst so richtig zur Höchstform auf. Lange Jahre hatte der studierte Jurist und Volkswirt in der pfälzischen Provinz ausgeharrt, bevor der Wahlsieg von CDU/CSU und FDP im vergangenen Herbst die Bildung einer schwarz-gelben Koalition ermöglichte und den gebürtigen Berliner in seine Heimatstadt zurück katapultierte. Und das auch noch auf den Posten, den zu bekleiden er sich anscheinend Zeit seines Lebens gewünscht hatte. Dabei war der Start denkbar schwer: Brüderle folgte im Amt dem Shooting Star der deutschen Polit-Szene, dem Volkstümlichen unter den Adeligen, dem Mann, der im Smoking auf dem Presseball eine ebenso gute Figur macht wie mit Baseball-Kappe auf einer Techno-Party: Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Josef Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Zwar hatte der "Baron der Herzen" (Zitat Hans-Ulrich Jörges, Gruner + Jahr) das Amt nur kurze Zeit bekleidet, doch die insbesondere im Zusammenhang mit der Rettung des Rüsselsheimer Autobauers Opel klug genutzt. Und nun also Rainer Brüderle? So manchem, der sich noch an die unglückliche Amtsführung von zu Guttenbergs Vorgänger Michael Glos erinnerte, schwante Schreckliches. Doch es will mittlerweile so scheinen, als gewönne Rainer Brüderle mit jedem zusätzlichen Prozentpunkt Wirtschaftswachstums an Format und Selbstbewusstsein. 

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