
Heiße Elektronik: Bei über Tausend Grad werden in den Öfen des Epcos-Werks im österreichischen Deutschlandsberg Widerstände aus Keramik gefertigt. Um die Anlagen zu kühlen, pumpt Epcos täglich 30.000 Liter Wasser durch ein Kreislaufsystem. Bis vor drei Jahren floss das erhitzte Wasser ins Abwassernetz. Das Management stoppte 2006 die Verschwendung mit einem neuen, geschlossenen Kühlsystem. Seitdem verbraucht der Betrieb in der Weststeiermark nur noch halb so viel Wasser. Das schont die Umwelt und drückt die Kosten.
Projekte wie dieses bringen Unternehmen kräftig Punkte beim erstmals von der WirtschaftsWoche und dem Analystenverband DVFA ausgelobten ESG Award. ESG steht für Environment, Social und Governance (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Mehr als 50 Einzelkriterien gingen in die Wertung ein, am Ende stand das ESG-Ranking mit Deutschlands nachhaltigsten Unternehmen. Sieger bei den Dax-Werten ist der Waschmittelkonzern Henkel, gefolgt von der Deutschen Telekom. Im TecDax siegte Epcos, Rang zwei eroberte der Jenaer Medizintechniker Carl Zeiss Meditec.
Allen erfolgreichen Unternehmen gemeinsam ist, dass sie in den vergangenen Jahren Produktion, Beschaffung, Produkte, Berichterstattung und Management auf Nachhaltigkeit getrimmt haben. Hinter dem neuen Bewusstsein steckt weniger Gutmenschentum als kaufmännisches Kalkül. So wie Epcos Wasser spart, verringern andere Unternehmen ihren Strom- oder Rohstoffverbrauch, verkaufen klimafreundliche Produkte und nutzen eine offene Informationspolitik gegenüber Aktionären, um neue Investoren zu gewinnen.
Der Einfluss von Investoren, die nicht nur auf die Bilanzen schauen, sondern auch nichtfinanzielle Kriterien für ihre Anlageentscheidungen heranziehen, wächst ständig. So verwalten die in der Klimaschutz-Organisation Carbon Dis-closure Project (CDP) zusammengeschlossenen Investoren insgesamt 57 Billionen Dollar. Zu den CDP-Mitgliedern gehören die Investmentbanken Morgan Stanley und Merrill Lynch, die Rückversicherung Swiss Re sowie die Royal Bank of Scotland.
Anleger unterstellen nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen, dass diese für zukünftige Herausforderungen besser gerüstet sind als andere. Zusätzlich zeigen Studien, dass die Kurse von Unternehmen, die bei Nachhaltigkeits-Rankings gut abschneiden, weniger stark schwanken.
„Wer die Umwelt verseucht, Mitarbeiter ausnutzt oder Kunden vernachlässigt, muss damit rechnen, von Pensionsfonds, Vermögensverwaltern oder Versicherungen abgestraft zu werden“, sagt Alexander Bassen, Finanzprofessor und Nachhaltigkeitsexperte an der Uni Hamburg. Bassen hat in einem mehrstufigen Prozess die deutschen Dax- und TecDax-Unternehmen auf Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen. Die 60 Aktiengesellschaften wurden in mehreren Stufen gründlich analysiert, die Ergebnisse flossen in das ESG-Ranking ein. Punkte gab es auf den Feldern Umwelt, Soziales, Corporate Governance und Zukunftsfähigkeit. Die WirtschaftsWoche stellt im Folgenden beispielhafte Aktivitäten der nachhaltigsten deutschen Unternehmen vor.
Umwelt. Um die Erderwärmung zu begrenzen, müssen Unternehmen nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand ihre CO2-Emissionen reduzieren. Sie können entweder weniger Energie verbrauchen oder mehr emissionsarme Energiequellen wie Wind- oder Wasserkraft nutzen.
Die Deutsche Telekom arbeitet derzeit vor allem an der zweiten Stellschraube. In diesem Jahr will der Konzern seinen Strombedarf zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen decken. „Dafür kaufen wir unter anderem Strom aus Wasserkraftwerken in Norwegen ein“, sagt Ignacio Campino, Nachhaltigkeitsbeauftragter des Telekom-Vorstands. Zwar sei der grüne Strom teurer, dies rechne sich aber durch ein verbessertes Image bei Investoren und Kunden.
In Deutschland sanken bei der Telekom die CO2-Emissionen aus dem Stromverbrauch von 2005 auf 2006 um 37 Prozent. „Wenn wir Technologie für Videokonferenzen mit dem Argument verkaufen, Unternehmen sparten Reisekosten und schonten so die Umwelt, dann müssen wir selbst auch etwas für den Klimaschutz tun, sonst wären wir unglaubwürdig“, sagt Campino.
Soziales. Wie schnell Konzerne an Glaubwürdigkeit verlieren können, zeigt der Skandal um den US-Sportartikelhersteller Nike. Zulieferer in Südostasien hatten Kinder für das Nähen von Turnschuhen eingesetzt. Das Ausbeuter-Image brachte Nike Umsatzeinbußen. Genau um diesen Effekt zu vermeiden, durchleuchtet der Waschmittel- und Klebstoffhersteller Henkel regelmäßig seine Zulieferer. Bis Ende vergangenen Jahres hatte Henkel etwa 76 Prozent des globalen Einkaufsvolumens von 5,6 Milliarden Euro geprüft. „Viele Zulieferer fallen schon im Vorfeld durch unser Raster, zum Beispiel auch deshalb, weil Umweltschutz oder Arbeitsbedingungen nicht stimmen“, sagt Ulrich Lehner, Vorsitzender der Geschäftsführung von Henkel.
Was nach außen gilt, praktiziert Henkel auch nach innen. So schult der Dax-Konzern seine Mitarbeiter regelmäßig in Sachen Arbeitssicherheit. Dank Arbeitsschutz-Trainings sank konzernweit die Zahl der Unfälle pro eine Million Arbeitsstunden von 6,1 in 2003 auf 1,7 in 2007 – ein Rückgang um 72 Prozent. Gut für die Beschäftigten, aber auch für Unternehmen und Investoren: Weniger Unfälle bedeuten weniger Fehlzeiten und damit auch geringere Ausgaben für Personal.
Corporate Governance. Gut geschulte Mitarbeiter machen nicht nur den Betrieb sicherer, sie können auch Missstände im eigenen Unternehmen aufdecken – sofern sie vom Management unterstützt werden. BMW etwa ermuntert seine Beschäftigten mit eigens ausgearbeiteten Programmen (Whistle-Blower-Programs) Gesetzesverstöße wie Bestechung oder Diskriminierung zu melden. Dank der Bemühungen um eine gute Corporate Governance kam BMW auf Platz drei der Dax-Rangliste, die Münchner heben sich positiv ab von Unternehmen wie Siemens oder VW ab, wo Kunden geschmiert oder Betriebsräte mit Lustreisen bestochen wurden.
Zukunftsfähigkeit. Unternehmen, die im ESG-Ranking vorne landen wollen, müssen auch beweisen, dass sie nicht nur fürs nächste Quartal gut aufgestellt sind, sondern auch für längere Zeiträume. Kurzsichtigkeit zahlt sich nicht aus. Besser ist es, in die Zukunft zu investieren. So wie Carl Zeiss Meditec: Der Hersteller von medizinischen Geräten, vor allem für die Augenheilkunde, pumpt jedes Jahr etwa zehn Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Im Geschäftsjahr 2006/07 waren dies 59 Millionen Euro.
Der hohe Forschungsetat brachte Punkte – und er zahlt sich aus. Mit einem neuen Operationsmikroskop der Jenaer können Chirurgen heute Augenoperationen sehr viel präziser als bisher durchführen. Die Wirkungskette hin zu größerem wirtschaftlichen Erfolg ist kurz: höhere Forschungsausgaben, innovativere Produkte, neue Aufträge dank zufriedener Kunden. Gerade Letztere treiben, durch Nachfragen und gezielte Kaufentscheidungen, die Unternehmen immer stärker in Richtung Nachhaltigkeit. Das haben auch Profi-Investoren erkannt. „Die Macht der Kunden sollte niemand unterschätzen“, sagt Peter Hadasch, Vorstand der Nestlé-Pensionskasse, „sie wird in Zukunft der Motor für mehr Nachhaltigkeit in den Unternehmen sein.“