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Euro-Krise Italiener plündern ihre Konten

Die Griechen tun es, die Iren tun es - und jetzt die Italiener. Sie ziehen Geld von ihren Konten ab – und legen es bei Tessiner Banken und in Dresdner Immobilien an. Das könnte Frankreich vor Probleme stellen.

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Castelgrande von Bellinzona, dem Hauptort des Tessin Quelle: gms

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das wissen viele Anleger in Euro-Land dieser Tage – nicht nur in Deutschland. Trotz weiterer Schritte zur Lösung der griechischen Tragödie ist das Gemeinschaftsprojekt Euro noch lange nicht gerettet. Hierzulande trauen nur noch 13 Prozent der Bürger dem Euro – in anderen Ländern wie Italien dürfte die Zustimmung kaum höher sein. Das Misstrauen gegenüber der eigenen Währung hat von Mailand bis Palermo schon Tradition. Wenn es in Italien brennt, dann schaffen die einheimischen Anleger ihr Geld vor allem ins benachbarte, italienischsprachige Tessin in der Südschweiz. Dort werden etwa 400 Milliarden Franken Vermögen verwaltet – mindestens die Hälfte stammt derzeit von italienischen Kunden. 2009 und im vergangenen Jahr flossen zunächst wegen der Steueramnestie für italienische Schwarzgeldsünder 25 Milliarden Euro aus der Schweiz ab, besonders aus dem Tessin.

Nun gibt es Anzeichen dafür, dass italienische Anleger wegen der Schuldenkrise aus dem Euro in die Schweiz zurückflüchten. Wie ein Privatbanker aus Lugano, der nicht genannt werden will, bestätigt, sei ein Großteil der im Rahmen der Kapitalamnestie nach Italien zurückgeflossenen Anlagen schon wieder ins Tessin zurückgebracht worden.

Zweifellos seien die politische Stabilität in der Schweiz und der harte Franken eine Attraktion für Investoren, meint Thomas Sutter von der Bankiervereinigung Basel. Der „Grenzverkehr“ habe zugenommen. Nicht nur bei italienischen, sondern auch bei deutschen und französischen Kunden.

Italiener suchen deutsche Immobilien

Einlagewachstum im griechischen, irischen und italienischen Banksystem

Inwieweit die Schuldenkrise Italiens und die von Rom jüngst erhöhten Depotgebühren auf Wertpapiere in einem Kapitaltransfer münden, sei noch nicht abzusehen, sagt Sutter. Die vorsichtige Einschätzung ist begründet: Denn die italienische Finanzpolizei überwacht nach wie vor mit Argusaugen den Grenzverkehr im Tessin. Eine 92-jährige Niederländerin wurde jüngst bei ihrer Reise von Lugano nach Florenz an der Schweizer Grenze nach etwaigen rückgeführten Geldern „abgetastet“. Angeblich überwacht die italienische Finanzpolizei „in Zivil“ nach wie vor die Eingänge Schweizer Banken in Lugano, Locarno und Chiasso.

Neben der Schweiz nutzen italienische Anleger den Notausgang über Immobilieninvestments. „Seit der Euro durch die Schuldenkrise bedroht ist, suchen vermehrt italienische Käufer nach Objekten in Leipzig und Dresden“, berichtet Michael Kühnert, Immobilienmakler in Leipzig. Oft schlössen sich die vermögenden Anleger zu privaten Immobilien-Clubs zusammen, um für mehrere Millionen Euro größere Immobilienpakete zu kaufen.

Zunehmender Stress

Die Kapitalflucht drückt inzwischen auf das Einlagenwachstum im italienischen Bankensystem (siehe Grafik mit Daten bis Ende Mai). Experten gehen davon aus, dass die Einlagen inzwischen gar schrumpfen, die Bankkunden also Gelder abziehen. „Das ist ein klassischer Bank-Run“, sagt der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf. Italien sei nach Irland und Griechenland das dritte Land, wo das passiere. Das schränke jetzt die Kreditvergabemöglichkeit der Banken ein. Doch gerade in Italien haben die Banken in der Vergangenheit den Löwenanteil des Staatshaushaltes über den Kauf von Staatsanleihen finanziert. Weil sie das jetzt mangels neuer Einlagen nicht mehr wie gewohnt machen können, werde die Finanzierung des Staates problematischer.

Zunehmender Stress in Italien würde unmittelbar übergreifen auf Frankreich, weil die Pariser Banken besonders stark auf dem Apennin engagiert sind. Die Forderungen französischer Banken gegenüber italienischen Schuldnern lagen nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Ende 2010 bei etwa 280 Milliarden Euro. „Immer, wenn seine Banken kurz vor der Pleite stehen, taucht Sarkozy in Berlin auf“, kommentiert ein Stuttgarter Vermögensverwalter den Besuch des französischen Staatspräsidenten unmittelbar vor dem Beginn des EU-Krisengipfels in Brüssel. So erst vergangenen Mittwoch.

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