Expertenkolumne Pflege soll sich beim Erbe lohnen

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Soll das Erbe regeln: ein Quelle: dpa

Außerdem müssen die Angehörigen selbst gesetzliche Erben sein. Pflegt die Nichte ihren Onkel, während sich dessen Kinder nicht um ihn kümmern, erhält sie auch nach der vorgeschlagenen Neuregelung keinen Cent von den Kindern als einzige gesetzliche Erben.

Dasselbe gilt auch für die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner, der sich vielleicht für den Erblasser im Alter aufopferungsvoll eingesetzt hat. Sie werden nie gesetzliche Erben und haben von der neuen Regelung nichts. Dasselbe gilt für die Pflege durch ein Kind des Partners.

Dieses Dilemma hätte der Gesetzgeber ändern können: Er hätte ein gesetzliches Vermächtnis zugunsten des Pflegenden vorsehen müssen, mit dem dessen Leistungen immer abgegolten gewesen wären. Soweit wollte man aber nicht gehen, weil dies einen unerträglichen Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers dargestellt hätte.

Dieser Einwand überzeugt aber für den Fall der gesetzlichen Erbfolge – also dort, wo es überhaupt kein Testament gibt - nicht. Wie die ganze jetzt vorgeschlagene Regelung hätte man ein solches Vermächtnis auf den Fall der gesetzlichen Erbfolge beschränken können. Das wäre wirklich eine radikale Reform gewesen.

Wenn der Erbonkel also sicherstellen will, dass die ihn pflegende Nichte nach seinem Tod auch etwas erhält, muss er sie auch weiterhin in einem Testament bedenken, sofern er Kinder hat oder auch nur seine Schwester oder sein Bruder noch lebt.

Freuen kann sich dagegen nach der Neuregelung die Schwester oder der Bruder, die ihren kinderlosen Bruder pflegt. In diesem Fall erhält sie mehr als ihre übrigen Geschwister.

Die Frage ist nur, wie viel mehr?

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass als Berechnung für den Ausgleich die Sätze der Fremdpflege – also von einem Pflegedienst erbrachter Pflege - aus der Pflegeversicherung gelten sollen („in der Regel“). Das bedeutet, beim Erbausgleich erhält der pflegende Angehörige von den Erben mehr als er vom Staat aus der Pflegeversicherung bekommt. Aus der Begründung des Regierungsentwurfes ergibt sich, dass es beim Erbrecht eben um Privatrecht handele und man Private mehr zur Kasse bitten dürfe als den Staat. Als Konsequenz dürfte sich auch ergeben, dass der pflegende Angehörige von den Erben die Differenz zwischen dem etwa aus der Pflegeversicherung erhaltenen Satz und dem Fremdpflegesatz noch beim Erbausgleich geltend machen kann.

Immerhin klingt die Regelung auf den ersten Blick praktikabel. Denn sie sieht feste, geregelte und regelmäßig angepasste Beträge vor und berücksichtigt, dass beim Durchlauf mehrerer Pflegestufen sich die Pflege intensiviert und demnach auch der Ausgleich erhöht wird.

Sind allerdings keine Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung beantragt, dürfte die posthume Einschätzung der Pflegestufen für die Vergangenheit schwierig werden. Denn viele pflegende Angehörige erfahren schon jetzt, dass die Ansichten über die richtige Pflegstufe zwischen dem Pflegenden und dem medizinischen Dienst weit auseinander gehen.

Die Reform ist also ein Schritt in die richtige Richtung - allerdings bleiben viele Fragen offen.

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