Finanzinvestoren Härtere Zeiten für die Private-Equity-Branche

Sie waren die neuen Stars der Wirtschaft. Nun wird es für Finanzinvestoren turbulent – und für einige von ihnen geführten Unternehmen eng.

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Ein Nudelgericht holt sich Quelle: dpa

Richtig, richtig reich ist Stephen Schwarzman schon lange. Und er hat kein Problem damit, es zu zeigen. Vor sieben Jahren kaufte er an der Park Avenue in Manhattan eine 2000-Quadratmeter-Wohnung für schlappe 30 Millionen Dollar. Anfang des Jahres lud er 600 Gäste zu seinem 60. Geburtstag, Altrocker Rod Stewart entlohnte er für eine halbe Stunde kehligen Gesangs mit einer Million. Und wenn Schwarzman Abendbrot isst, kommen schon mal Steinkrebse für 400 Dollar das Stück auf den Tisch.

Seit dem 22. Juni ist Schwarzman noch reicher. Denn an dem Tag debütierte die von ihm mitgegründete Private-Equity-Gesellschaft Blackstone – eine jener verschwiegenen Firmen, die ihr Geld mit dem Kauf und Verkauf von Unternehmen machen – an der New Yorker Börse. Rund 2,8 Milliarden Dollar nahmen Schwarzman und seine Partner ein.

Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Denn von da an ging es für die Firmenjäger bergab. Die Blackstone-Aktie büßte seitdem rund 30 Prozent ihres Werts ein. Im ersten Quartalsbericht ihrer Geschichte meldete die Gesellschaft gleich 113 Millionen Dollar Reinverlust. Auch der Investor Fortress, der schon im Februar an der Börse gestartet war, machte in dem Quartal knapp 38 Millionen Dollar Verlust.

Doch das sind nur die äußeren Symptome einer Schwäche der wegen ihrer oft harten Gangart beim Umbau und der Sanierung von Unternehmen gefürchteten Heuschrecken. Denn größere Neukäufe sind für Private-Equity-Gesellschaften derzeit infolge der vom Kollaps der Immobilienkredite in den USA ausgelösten Finanzkrise kaum möglich. Weil etliche Banken nun mit Milliardenrisiken in ihren Büchern kämpfen, sitzt bei ihnen das Geld nicht mehr so locker wie zuvor. Das trifft die Finanzinvestoren hart, denn sie haben den Kauf von Unternehmen in aller Regel mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanziert – zuletzt oft zwischen 75 und 90 Prozent des Kaufpreises. In den vergangenen zwei Jahren steckten sie meist nur wenig eigenes Geld in ihre Beteiligungen.

Den Unternehmen luden sie derweil zum Teil hohe Schulden auf. Immer in der Hoffnung, dass der ehrgeizige Wachstumsplan aufgeht, den sie mit der oft von ihnen installierten Geschäftsführung ausgeheckt hatten. Und in der vermeintlichen Gewissheit, dass immer irgendwo günstig frisches Geld aufzutreiben sein würde.

Durch die Geldknappheit an den Finanzmärkten und den drohende Konjunkturabschwung stehen deshalb jetzt die Unternehmen in Private-Equity-Hand wieder stärker im Fokus. „Wir arbeiten daran, die Beteiligungen in unserem Portfolio auszubauen“, sagt Steve Koltes, Deutschlandchef des Investors CVC Capital Partners. „Wir haben jetzt mehr Zeit, uns um die zu kümmern.“

Das kann ungemütlich werden. Experten rechnen zwar nicht mit einer Pleitewelle. Einzelne Restrukturierungen oder Insolvenzen sind jedoch wahrscheinlich. Einige Unternehmen im Besitz von Finanzinvestoren sind vollgepackt mit Krediten. Wenn die Zinsen steigen, ein noch stärkerer Euro Exporte weiter erschwert, es gar zu einer Rezession kommt, dürften sie kaum noch in der Lage sein, ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kreditgebern zu erfüllen. »

Auch die Beteiligungsgesellschaften selbst gehen härteren Zeiten entgegen. In Europa ging das Gesamtvolumen der Private-Equity-Transaktionen im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 29 Prozent zurück. Hart trifft es die Emittenten neuer Private-Equity-Fonds. Die verzeichneten laut dem Branchendienst Private Equity Intelligence im dritten Quartal den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Von Juli bis September legten 136 Beteiligungsgesellschaften neue Fonds über 91 Milliarden Dollar auf. Im zweiten Quartal war das Volumen mit 177 Milliarden Dollar in 191 Fonds noch fast doppelt so hoch. Gestiegen ist dagegen die Zahl der Fonds, die noch auf der Suche nach frischem Geld waren.

Das Geld für Finanzierungen sprudelt nicht mehr wie von selbst. Brancheninsider rechnen damit, dass der Eigenkapitaleinsatz der Investoren wieder das frühere Niveau von bis zu 50 Prozent des Kaufpreises von Unternehmen erreicht. Das wird auch Einfluss auf die Erträge haben. Die Fabelrenditen von 30 Prozent und mehr pro Jahr, die einige Investoren regelmäßig erwirtschaftet haben, dürften künftig deutlich mehr Aufwand erfordern. Das ist bitter, da schon in der Vergangenheit längst nicht alle Branchenvertreter mit Super-Returns aufwarten konnten. Einer aktuellen Studie der französischen Wirtschaftshochschule HEC zufolge erwirtschaftete die Private-Equity-Branche in den vergangenen 25 Jahren für ihre Anleger eine durchschnittliche Rendite, die drei Prozentpunkte unter dem S&P-500-Index der größten börsennotierten US-Unternehmen lag.

Das Vertrauen von Investoren zu gewinnen wird vor diesem Hintergrund wichtiger. „Die Erfahrungen mit den einzelnen Gesellschaften werden entscheidend“, sagt Marcel Erni, Partner bei der Schweizer Partners Group, die mit einem verwalteten Vermögen von rund acht Milliarden Euro einer der größten europäischen Investoren in Private Equity ist. Experten halten eine Marktbereinigung für wahrscheinlich. Einzelne Gesellschaften könnten der Kreditklemme zum Opfer fallen, weil sie keine Anschlussfinanzierungen für bestehende Beteiligungen erhalten oder keine Investoren für neue Fonds gewinnen.

Wer als Investor Geld verdienen will, kommt nicht mehr umhin, das übernommene Unternehmen auch nach vorn zu bringen – was bei Weitem nicht alle Finanzinvestoren in den vergangenen Jahren tun mussten. Verschnarchte Manager anstoßen oder gleich ersetzen, Ineffizienzen beseitigen, Synergien heben, expandieren – mit derlei Handwerk haben die Private-Equity-Gesellschaften ihren Siegeszug vor vielen Jahren begonnen. Und zu diesen Wurzeln müssen sie nun zurückkehren.

Dass aber auch das kein Selbstgänger ist, zeigt der Fall von Auto Teile Unger (ATU). Die Werkstattkette, die zum Imperium von Kohlberg, Kravis, Roberts (KKR) gehört, kämpft mit schrumpfenden Renditen, obwohl der amerikanische Eigentümer eigene Berater in das Unternehmen schickte, die gesamte Wertschöpfungskette durchleuchtete und die Kosten drückte. Gleichzeitig entwickelten die Gesellschafter gemeinsam mit der ATU-Geschäftsführung einen Expansionsplan.

Doch während sich die Anlaufkosten für neue Filialen häuften, lief das Geschäft nicht nach Plan. Schon im vergangenen Jahr blieb ATU wegen der milden Witterung auf einem Berg an Winterreifen sitzen. In diesem Jahr sieht es im Reifenhandel bislang nicht viel besser aus. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte kürzlich die Bonität von ATU herab und bezeichnete nachrangige Schulden von mehr als 150 Millionen Euro als Ramschanleihen. Dabei sei für die negative Bewertung auch das „sehr aggressive Finanzierungsprofil“ verantwortlich. ATU-Geschäftsführer Engel räumte vor wenigen Wochen seinen Stuhl. KKR steht nun vor der Wahl, den Kurs zu ändern oder aus der eigenen Kasse Geld zuzuschießen, um das rasante Wachstum aufrechtzuerhalten.

Alternativen zum aktiven Management von Beteiligungen in Verbindung mit teilweise aggressiven Wachstumsplänen gibt es nicht. Da wundert es nicht, wenn in der Beteiligungsbranche derzeit ein regelrechter Krieg um Talente ausgebrochen ist. „Wir gehen davon aus“, sagt Matthias Calice, Deutschlandchef des US-Investors TPG, „dass die Investoren, die Top-Management-Talente an sich binden können und gleichzeitig erfahrene Sanierer in ihren Teams haben, auch in den kommenden Jahren sehr spannende Deals machen können. Und zwar auch in Europa.“ Die Amerikaner heuerten kürzlich den ehemaligen Chef des Computerherstellers Dell, Kevin Rollins, an. Konkurrent Cerberus warb für die Sanierung von Chrysler den Toyota-Top-Manager Jim Press ab. Auch bei den Banken gehen die Investoren auf Managerfang. „Drei meiner Londoner Kollegen haben vor Kurzem auf einen Schlag auf die Seite der Investoren gewechselt“, sagt ein Frankfurter Banker.

Allein mit waghalsigen Finanzierungstricks den schnellen Schnitt zu machen, funktioniert dagegen nicht mehr. Noch vor einem Jahr lief das Geschäft der Finanzjongleure manchmal fast wie von selbst. Erst zahlten sie einen immer geringeren Teil des Kaufpreises selbst, finanzierten den Rest » über Kredite und holten sich nicht selten über schuldenfinanzierte Sonderausschüttungen die eigene Einlage zurück. Dem US-Investor Terra Firma etwa gelang es so mutmaßlich, mit dem Raststättenbetreiber Tank & Rast einen Milliardengewinn einzufahren. Ein Infrastrukturfonds, der von Terra Firma 50 Prozent an Tank & Rast übernahm, lud dem Unternehmen weitere Schulden auf. Tank & Rast steht so inzwischen mit 2,2 Milliarden Euro in der Kreide. Dabei hat das Unternehmen 2006 nur 160 Millionen Euro verdient  — vor Zinsen und Abschreibungen.

Derlei Kniffe sind zumindest vorerst vorbei. „Eigenkapital durch Fremdkapital zu ersetzen und so seine Rendite zu erzielen, läuft nicht mehr“, sagt Ulrich Wolff, auf Private Equity spezialisierter Rechtsanwalt der Kanzlei Linklaters.

Einer der Gründe: Die Banken können die Kreditpakete aus Übernahmen nur noch mit Abschlägen am Kapitalmarkt platzieren. Durchschnittlich fünf Prozent Nachlass mussten sie ihren Käufern geben. Experte Erni geht davon aus, dass die Banken so bislang etwa die Hälfte des weltweiten Volumens von mehr als 350 Milliarden Dollar weitergeben konnten.

Solange der Rest aber noch auf den Büchern lastet, gibt es kaum Geld für neue Großkäufe. Schon sicher geglaubte Deals haben die Investoren in letzter Sekunde abgeblasen. So sagte etwa der Branchenriese Cerberus die Übernahmen der US-Unternehmen United Rentals und Affiliated Computer Services mit einem Gesamtvolumen von zehn Milliarden Dollar wieder ab.

Während zuerst nur große Deals von zwei Milliarden Euro aufwärts von der Kreditklemme betroffen zu sein schienen, sind inzwischen auch kleinere Käufe oft nur noch mühsam zu wuppen. „Ich kenne Fälle, in denen eine 500-Millionen-Finanzierung für einen kerngesunden Mittelständler gescheitert ist“, sagt ein hochrangiger Private-Equity-Manager. Wirklich gut läuft derzeit nur das Geschäft bis 250 Millionen Euro Finanzierungsvolumen. Für die Größten unter den Milliardenjongleuren sind das Peanuts, zumal kleine Deals nicht zwingend mit geringerem Managementaufwand verbunden sind. Sehr wohl aber mit geringeren Erträgen. „Hinzu kommt: „Die klassischen Schnäppchen im Mittelstand finden die Investoren kaum noch“, sagt Sieghart Scheiter, Mitglied der Geschäftsführung bei der Beratung A. T. Kearney. Die alten Eigentümer wissen inzwischen besser als noch vor einigen Jahren, was sie für ihr Unternehmen verlangen können.

Es waren die Banken, die die grenzenlose Euphorie der Investoren und ihrer Geldgeber erst möglich machten. In den Monaten vor der Krise verschleuderten sie Kredite, weil auch sie von der Erfolgsgeschichte der Fonds partizipieren wollten. Auf Klauseln, mit denen sie einen Kredit anpassen oder kündigen können, wenn der Schuldner fest definierte Finanzkennzahlen nicht mehr erreicht, verzichteten sie häufig komplett. Zusätzlich wurde der Zahlungshorizont wie Kaugummi gestreckt. Viele der Anfang des Jahres vereinbarten Kredite müssen erst in fünf oder sieben Jahren getilgt oder refinanziert werden. Selbst den Investoren war die Leichtfertigkeit der Banken unheimlich. „Wir haben alle gesagt: ,Das kann eigentlich nicht gut gehen‘“, sagt Jens Tonn, Deutschlandchef des US-Investors Vestar Capital.

Ging es auch nicht: Weil die Institute auf vielen der gewährten Kredite sitzen geblieben sind, werden sie sich auf absehbare Zeit zurückhalten. „Zuerst kommen die Firmenkunden dran. Die Banken halten das Geld für Dax-Konzerne oder andere Große vor, die etwa eine Anleihe platzieren wollen“, sagt Stephan Illenberger, Vorstandsmitglied bei Axa Private Equity. „Einige große Gesellschaften haben inzwischen auch bei den Banken einen Quasi-Konzernstatus und sind deshalb nicht so stark betroffen. Aber das sind nur wenige.“

Selbst kleinere Deals sind keine Selbstläufer mehr. „Vor allem die Geldgeber wollen inzwischen immer genauer wissen, was die Beteiligungsportfolios eigentlich wert sind“, sagt Christian Aders, Deutschlandchef der Beratungsgesellschaft Duff & Phelps, die unter anderem auf die Bewertung von Unternehmen spezialisiert ist. Und die Banken werden bei neuen Abschlüssen wieder mehr Überwachungspflichten einführen, damit sie Kreditpakete auch auf die eigenen Bücher nehmen können, statt sie einfach weiterzugeben. „Sie werden nicht mehr nur Gebrauchtwagenhändler sein, sondern das Auto selbst fahren müssen“, sagt ein Marktkenner.

Dass das Geschäft der Firmenjäger infolge der Finanzkrise komplett zusammenbricht, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Für das Geschäftsmodell spricht aus Sicht der Private-Equity-Firmen nicht zuletzt auch die Psychologie: „Wenn die Banker im Frühjahr aus ihrem Skiurlaub zurückkommen, werden sie feststellen, dass sie noch nicht für ihre Jahresboni vorgesorgt haben“, sagt ein Beteiligungsmanager. „Und dann werden sie schon wieder bei uns anklopfen.“ Wenn es um die Provisionen geht, spielen die Banker gern wieder mit den vermeintlichen Schmuddelkindern.

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