Finanzmarkt Wie BlackRock von der großen Krise profitierte

Niemand verwaltet mehr Geld als der US-Finanzdienstleister BlackRock, er hat inzwischen mehr Einfluss als die Investmentbanken. Auch in deutsche Konzerne hat sich der Koloss eingekauft.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die BlackRock-Zentrale in New Quelle: AP

Als Reto Francioni, Chef der Deutschen Börse, kürzlich die Fusionsverhandlungen mit der New Yorker Börse aufnahm, erhielt er wenig später einen Anruf aus München. Dort sitzt Dirk Klee. Der 46-Jährige ist der deutsche Statthalter des US-Vermögensverwalters BlackRock, des größten Einzelaktionärs der Deutschen Börse. »Wir nehmen als Treuhänder unserer Anleger deren Rechte wahr«, sagt Klee.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ist BlackRock zu einem Großeigentümer der Deutschland AG geworden. Die Investmentfirma aus New York hält über verschiedene Fonds und Gesellschaften inzwischen Anteile an allem, was in der deutschen Wirtschaft Rang und Namen hat: am Sportausrüster adidas, am Versicherungsgiganten Allianz, am Chemieriesen BASF, an der Deutschen Bank. 6,3 Prozent des Pharmaherstellers Merck gehören BlackRock, beim Baustoffkonzern HeidelbergCement sind es 7 Prozent. BlackRock ist als einzige ausländische Anlagefirma an allen 30 Schwergewichten des Dax beteiligt.

BlackRock hat beste Beziehungen

Und nicht nur das: Die New Yorker sind fast in jedem Winkel der Erde präsent. Rund um den Globus verwaltet BlackRock ein Vermögen von 3,65 Billionen Dollar. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Deutschlands. Für zehn Billionen Dollar Investorenkapital übernimmt das Unternehmen Dienstleistungen wie das Risikomanagement. Keine Großbank, kein Versicherer hat eine solche Reichweite. Niemand sonst beherrscht so viel Kapital.

Der Finanzkonzern verfügt über beste Beziehungen. Regierungen und Zentralbanken beauftragen BlackRock, Wertpapier-Portfolios aufzuräumen. Für US-Finanzminister Timothy Geithner sind die BlackRock-Experten an mehreren Fronten im Einsatz. An der Wall Street hört man, Geithner habe die BlackRock-Nummer auf seinem Telefon gespeichert.

Außerhalb der Finanzszene ist der Koloss kaum bekannt. Das Hauptquartier in der 52. Straße in Manhattan ist nach Wall-Street-Maßstäben bescheiden. Nur wer genau hinschaut, sieht über dem Eingang den Schriftzug »BlackRock«. Drinnen sucht man vergebens nach Kunstobjekten, wie sie die Empfangshallen der großen Banken schmücken. Stattdessen Töpfe mit fleischig-lila Orchideen.

Aladdin ist ein gigantisches Datenanalysesystem

»Sie sind hier, um unser Wunderkind zu treffen!«, ruft eine Sprecherin zur Begrüßung. Gemeint ist Rob Goldstein. Groß und schlaksig, strahlt der 37-Jährige die Begeisterungsfähigkeit von jemand aus, der vor Kurzem noch Videospiele gespielt hat. Die goldene Uhr und die Goldrandbrille fallen aus dem Bild.

Goldstein gehört zu den Pionieren bei BlackRock. Er kam 1994, direkt von der Universität, zu einer Zeit, als BlackRock das Wall-Street-Äquivalent einer Garagenfirma war. Heute ist er Chef von BlackRock Solutions – und der Hüter von Aladdin.

Hinter dem 1001 Nacht-Namen verbirgt sich das Geheimnis von BlackRock. Der Grund, warum Pensionskassen, Staatsfonds, Stiftungen, Versicherer weltweit dem Vermögensverwalter ihre Milliarden anvertrauen. Aladdin ist ein gigantisches Datenanalysesystem, es besteht aus einem Heer von Analysten und rund 5000 Großrechnern, verteilt auf vier Rechenzentren, deren Standorte geheim sind und die 200 Millionen Kalkulationen pro Woche ausführen. Eine Anlage, die die Weltraumbehörde Nasa neidisch machen kann. Die Kapazität braucht Aladdin, um täglich, stündlich, minütlich und teilweise sogar sekündlich auszurechnen, welchen Wert die Aktien, Bonds, Devisen oder Kreditpapiere haben, die in den milliardenschweren Anlageportfolios liegen.

Gleichzeitig durchleuchtet Aladdin, wie sich dieser Wert verändern dürfte, wenn sich das Umfeld verändert – die Konjunktur etwa oder die Umsatzzahlen, wenn Währungskurse purzeln oder der Ölpreis klettert. Das klingt einfacher, als es ist, denn die Wertpapiere, mit denen Investmenthäuser und Anleger jonglieren, sind komplizierte Konstrukte. Meist handelt es sich um Pools mit Abertausenden verschiedener Instrumente. Das macht es extrem schwer, herauszufinden, wie viel das Investment insgesamt wert ist – und wo die Gefahren liegen.

»Wir sind geradezu manisch, wenn es darum geht, jedes einzelne Instrument im Detail zu verstehen und das Ganze dann wieder auf die Portfoliosicht zusammenzubringen«, sagt Goldstein. »Es ist eine Art Kernspintomograf für die Anlageportfolios von institutionellen Investoren.« Der Vorteil für die Kunden: Wer seine weltweiten Positionen und Risiken auf Knopfdruck abrufen kann, gewinnt einen entscheidenden Vorsprung im Milliardengezocke. Er kann rechtzeitig kaufen oder verkaufen, Gewinne einstreichen oder Verluste vermeiden.

Lawrence Fink, genannt Larry, gründete BlackRock 1988. Der Sohn eines Schuhladenbesitzers in Los Angeles konnte exzellente Studienabschlüsse vorweisen und galt an der University of California als brillanter Kopf. Nach dem Studium heuerte er bei First Boston an, damals eine der Topadressen im Investmentbanking. Sein Arbeitsfeld waren Hypotheken – langweilig in den Augen der Hochfinanzakrobaten, die mit Aktien jonglierten oder Unternehmensfusionen einfädelten. Doch Fink hatte eine Idee: aus Krediten Wertpapiere basteln, die sich an Investoren verkaufen ließen. »Larry gehört zu den Erfindern des Hypothekenpapiermarktes«, sagt Larry Doyle, der für Fink arbeitete. »Er war ein Visionär.« Es wurde ein Riesenerfolg, kein anderes Produkt bescherte der Wall Street je solche Gewinne – bis zur Jahrhundertfinanzkrise vor zwei Jahren.

Fink hatte eine revolutionäre Idee

In den ersten drei Monaten des Jahres 1986 holte Fink seiner Bank einen Gewinn von 100 Millionen Dollar herein. Der Tüftler war der Held. Doch im Quartal darauf verspekulierte er sich und verlor den gleichen Betrag. Ein Fehler, den ihm seine Bosse nicht verziehen. Er wurde hinausgeekelt. »Sie hätten mich eigentlich schon vorher feuern müssen«, witzelt Fink heute. »Denn ich hatte keine Ahnung, warum wir 100 Millionen gutgemacht hatten, ebenso wenig, wie ich eine Ahnung hatte, warum wir dann 100 Millionen verloren haben.«

Fink lernte eine Lektion, die 38 Milliarden Dollar wert ist, so viel kostet BlackRock heute an der Börse. Er fragte sich, wie es wäre, wenn er im Dienste von Anlegern die Produkte der Investmentbanken auf ihre Risiken abklopfen würde. Seine Idee war revolutionär.

Die Wall Street teilt sich in zwei Lager: die Investmentbanken auf der einen und ihre Kunden – große Investoren wie Pensionskassen, Stiftungen und Investmentfonds sowie die Finanzabteilungen internationaler Konzerne – auf der anderen Seite. Sell side and buy side . Die Banker kreieren Investmentprodukte, die Anleger kaufen sie.

Vor Fink gehörte dazu viel Vertrauen. Selbst institutionelle Investoren ließen sich die Anlageprodukte von Bankern erklären und bewerten – von denselben Leute, die sie ihnen verkauften. Bestenfalls baten sie um ein Gütesiegel einer Rating-Agentur.

Fink sah seine Chance. Er würde sein Sell side-Wissen den Anlegern zur Verfügung stellen und ihnen eine unabhängige Experteneinschätzung der Bankangebote geben. Er und das Team, das er um sich scharte, wurden zu Spezialisten für heikle Fälle. 1994 meldete sich General Electric (GE) mit dem Auftrag, das notleidende Hypothekenportfolio von Kidder Peabody & Co., einer Investmentbank, die dem Mischkonzern gehörte, zu durchforsten. »Das Kidder-Peabody-Portfolio galt damals als einer der komplexesten Investmentpools überhaupt«, sagt Goldstein. Mit dem Auftrag des größten Konzerns der Welt kam für BlackRock der Durchbruch. Noch heute hat Goldstein zwei handbeschriftete Computerdisketten mit den Daten gerahmt in seinem Büro hängen.

Nach dem GE-Job standen die Interessenten Schlange. »Es war wie bei den Geisterjägern in dem Hollywoodstreifen Ghostbusters – wer ein undurchsichtiges Portfolio oder fragwürdige Vermögenswerte hatte, rief bei Larry Fink und Co. an«, sagt ein Insider.

In der Finanzkrise schlug Finks Stunde

Dann kam die Finanzkrise, die große Stunde des Larry Fink. Keiner kannte die komplexen Zusammenhänge der Hypothekenpapiere besser als er. Großbanken und Fondsmanager meldeten sich, und auch Tim Geithner, damals Chef der New Yorker Notenbank, rief an. Er bat BlackRock an jenem Märzwochenende 2008, als er bei Bear Stearns eingriff, um eine Inventur der Hypothekenengagements. Wenige Monate später, als auf dem Höhepunkt der Krise der Versicherungsgigant AIG taumelte und von der Regierung aufgefangen werden musste, erhielt BlackRock erneut einen Anruf. Finks Team sollte Kreditpapiere von AIG für die US-Regierung verwalten. Auch die irische Zentralbank fragte an.

Der Erfolg von Aladdin beflügelte Finks Ehrgeiz. BlackRock bot an, nicht nur Anlagen zu beurteilen, sondern auch das Geld der Anleger zu verwalten. Ende 2006 hatte Fink sich die Fondssparte von Merrill Lynch gesichert. Im Dezember 2009 nahm er für 13,5 Milliarden Dollar der britischen Barclays Bank deren Vermögensverwaltungssparte inklusive iShares ab. Damit stieg BlackRock in einen der am schnellsten wachsenden Bereiche der Finanzbranche ein: iShares ist der führende Herausgeber von Exchange Traded Funds (ETF). Das sind Fonds, deren Anteile anders als klassische Investmentfonds selbst auch an der Börse gehandelt werden.

BlackRocks Aufstieg markiert eine neue Ära

Die Übernahmen machten BlackRock zur Nummer eins unter den globalen Geldverwaltern. »Larry Fink ist der König der Wall Street«, sagt sein früherer Wegbegleiter Doyle ganz ohne Ironie.

BlackRocks Aufstieg markiert den Beginn einer neuen Ära in der Finanzwelt. Vor der Krise beherrschten die »Masters of the Universe« das Geschehen – Investmentbanker und Derivatehändler mit ihren immer clevereren Finanzingenieurprodukten, ihren riskanten Transaktionen und ihren schwindelerregenden Bonuszahlungen. Sie bestimmten, welche Produkte auf den Markt kamen, welche Konditionen die Kunden akzeptieren mussten. Neben ihnen wirkten die Vermögensverwalter, die im Auftrag privater und institutioneller Kunden Geld anlegen, wie Provinzbanker. Doch nun haben die Investmentbanker und Händler in einem Jahrhundertshowdown Glaubwürdigkeit und Kundenvertrauen verspielt. Jetzt sind sie darauf angewiesen, dass Großinvestoren und Geldverwalter wie Larry Fink mit ihnen zusammenarbeiten. »Das Machtzentrum an der Wall Street ist von der sell side zur buy side gewandert«, sagt Marktexperte James Bianco. BlackRock verkörpert den Machtwechsel.

Die neuen Herren treten sachte auf. Keinesfalls wollen sie mit aggressiven Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften in Verbindung gebracht werden. »Wir sind keine Heuschrecken«, beteuert Klee.

»Das sind keine Cowboys«, sagt der Leiter der Investor-Relations-Abteilung eines Dax-Konzerns, der nicht namentlich zitiert werden möchte. »Das sind auch keine aktivistischen Investoren, die etwas grundsätzlich verändern wollen.« Wohl aber seien es selbstbewusste Leute, die persönlich informiert werden wollten und ihre Meinung sagten. Sie versuchten andererseits nicht, gegenüber anderen Großinvestoren bevorzugt behandelt zu werden.

BlackRock will sich auch von den Investmentbankern absetzen. Anders als diese handeln und kaufen BlackRock-Mitarbeiter nie auf eigene Rechnung. So schließen sie aus, dass BlackRock gegen die eigenen Kunden wettet – nicht wie die Banker, die mit ihrem eigenen Kapital engagiert sind und sich potenziell an den Verlusten ihrer Kunden bereichern können. »Wir sind ausschließlich Vermögensverwalter für unsere Anleger. Deshalb kann es keine Interessenkonflikte mit Kunden geben«, sagt James Charrington, der in London BlackRocks Europageschäft leitet. Soll heißen: Wir sind das Gegenteil von Goldman Sachs, jener Investmentbank, die zum Inbild der Wall-Street-Abzocke wurde.

Kaum eine Rettungsaktion ließ Fink aus

Doch nicht alle teilen diese Auffassung. Der Marktexperte James Bianco sieht durchaus Interessenkonflikte im Geschäftsmodell. »BlackRock stellt Preise und Bewertungen für Vermögenswerte – gleichzeitig wird der Erfolg seiner Geldmanager unter anderem an diesen Preisen gemessen«, sagt er. BlackRock versichert, dass die verschiedenen Abteilungen – Analysten auf der einen und Fondsmanager auf der anderen Seite – getrennt arbeiteten und ein Austausch nicht stattfinde. »Wegen eines um ein paar Prozentpunkte besseren Ergebnisses unseren Ruf zu ruinieren wäre doch absurd«, sagt Charrington.

Am heftigsten ist BlackRock ausgerechnet wegen des Einsatzes für die US-Regierung in die Kritik geraten. Kaum eine Rettungsaktion, bei der Fink und Co. nicht mit von der Partie waren. Nach den Aufträgen in Sachen Bear Stearns und AIG folgten weitere: BlackRock half den US-Notenbankern bei ihren Milliardendeals mit Hypothekenpapieren und beriet sie beim Einstieg bei der Citigroup. Experten von BlackRock wurden angeheuert, um die öffentlich-rechtlichen Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac unter die Lupe zu nehmen. Mehrere Aufträge erhielt das Unternehmen ohne öffentliche Ausschreibung.

Die brisante Frage dabei: Darf ein Unternehmen, das in öffentlichem Auftrag notleidende Vermögenswerte zum bestmöglichen Preis verkaufen soll, dieselben Vermögenswerte im Auftrag seiner privaten Kunden erwerben? »Sie haben Zugang zu all den Informationen, wann und für wie viel die Fed verkaufen will, und sie haben diese Verbindungen rund um den Globus – der potenzielle Interessenkonflikt ist groß, und es ist schwierig zu überwachen«, monierte Charles Grassley, Senator aus Iowa und Mitglied des Finanzausschusses, bei einer Anhörung. BlackRock versichert, alles Notwendige getan zu haben, um auszuschließen, dass aus Insiderwissen Kapital geschlagen werden kann.

Das Erfolgsprodukt geriet ins Visier der Kritiker

Fest steht: Für Finks Firma wurden die dunkelsten Stunden der Finanzbranche zur ergiebigen Einkommensquelle – auf Steuerzahlers Risiko und dessen Kosten. »BlackRock gehört zu den großen Gewinnern der Rettungsaktion«, sagt Michael Smallberg vom Project on Government Oversight, einer unabhängigen Organisation in Washington, die der Regierung auf die Finger schaut. Allein für die Abwicklung der Portfolios bei Bear Stearns und AIG erhält BlackRock mindestens 180 Millionen Dollar. Weder BlackRock noch die US-Notenbank wollen sich dazu äußern.

Andererseits wäre wohl niemand anders in der Lage gewesen, auf die Schnelle diese Aufgabe zu übernehmen, wie der Manager einer internationalen Großbank sagt. »Niemand hatte oder hat Larry Finks Expertise.«

BlackRocks Erfolgsprodukt auf der Anlageseite, die ETFs, ist in den vergangenen Monaten ebenfalls ins Visier von Kritikern geraten. »Günstig, transparent und einfach«, wirbt BlackRock für iShares. Das mag aus Sicht eines einzelnen Anteilseigners so sein. Doch die börsennotierten Fonds sind keineswegs simpel. Es handelt sich letztlich um Derivate, deren Wert sich aus den jeweils zugrunde liegenden Aktien ableitet – so wie der Wert der inzwischen berüchtigten Hypothekenpapiere auf den ursprünglichen Darlehen basiert.

Hinzu kommt: Die Aktienkörbe werden von Hedgefonds und High-Frequency-Tradern, also ultraschnellen Zockern, eingesetzt. Wie die ETF-Struktur in Zeiten der Panik funktioniert, weiß niemand genau. Marktinsider nennen den flash crash vor einem Jahr als ein Alarmsignal. An einem Donnerstag im Mai waren binnen Minuten die Kurse ins Bodenlose gestürzt, verpufften Milliardensummen an Aktienwerten, bevor sich der Markt beruhigte. Von den Transaktionen, die später annulliert wurden, entfielen 70 Prozent auf ETFs.

»Je mehr ETFs kreiert werden, desto mehr steigt das Risiko, dass, sollte der Aktienmarkt aus irgendwelchen Gründen kippen, die einsetzende Flucht aus den ETFs den Absturz noch beschleunigen dürfte«, warnen Harold Bradley und Robert Litan in einer aktuellen Studie der Kauffman Foundation, einer Stiftung zur Förderung der Unternehmerkultur. »Manche ETF-Herausgeber werden dann nicht in der Lage sein, den Forderungen an sie nachzukommen. Sollten diese Institutionen von der Finanzaufsicht als zu wichtig angesehen werden, könnte erneut eine öffentliche Rettungsaktion wie etwa 2008 bei AIG notwendig werden«, heißt es weiter.

Die neueste Idee ist ein eigenes Handelssystem

In einem Briefing räumt BlackRock zwar ein, dass die ETFs beim flash crash durch den »instabilen Markt« in Mitleidenschaft gezogen wurden. Doch eine Umfrage unter ETF-Anlegern belege, dass die Mehrheit nur minimal von dem Crash berührt worden sei und weiterhin Vertrauen in das Instrument habe. Die ETF-Branche arbeite mit den Regulierern daran, die aufgetretenen Probleme zu lösen.

Die neueste BlackRock-Idee ist ein internes Handelssystem: Bisher laufen täglich Abertausende Transaktionen über Banken und Börsen ab, die dafür Gebühren in Rechnung stellen. Bis Jahresende plant BlackRock den Handel selbst abzuwickeln und die Gebühren einzusparen. Das würde bedeuten, dass Käufe und Verkäufe von Aktien im Wert von Hunderten Milliarden Dollar unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Es wäre der größte dark pool, die größte private Handelsplattform der Welt, wie ein Unternehmensvertreter feststellt.

Einen Schlag gegen die Transparenz der Märkte sieht Janet Tavakoli darin, die Wall-Street-Veteranin ist eine der wenigen offenen Kritiker. »Das kreiert moral hazard, eine enorme Versuchung, oder nicht?« Die meisten an der Wall Street sprechen nur hinter vorgehaltener Hand über BlackRock. Die Institute kassieren jährlich eine Milliarde Dollar an Gebühren für Transaktionen und Dienstleistungen von dem Koloss. »Wer will über den besten Kunden klagen?«, sagt der Sprecher einer der führenden Banken.

Nicht einmal unzufriedene Kunden machen ihrem Unmut Luft. BlackRock hatte Calpers, dem größten öffentlichen Pensionsfonds der USA, zu einem Investment in die New Yorker Wohnanlage Peter Stuyvesant geraten. Es war mit fünf Milliarden Dollar einer der größten Immobiliendeals der Geschichte. Anfang vergangenen Jahres platzte das Ganze – BlackRock zog sich zurück. Calpers, schon arg gebeutelt durch die Krise, verlor 500 Millionen Dollar. Auf Anfrage der ZEIT hieß es lediglich, man habe BlackRock das Mandat für das Immobilienportfolio entzogen. Ansonsten wolle man sich über die Firma nicht äußern.

BlackRock ist einwichtiger Koloss

Larry Fink beharrt darauf, dass BlackRock ein Instrument des Anlegerwillens sei und deshalb harmlos. In politischen Kreisen hat er sich dafür eingesetzt, dass sich der Vermögensverwalter nicht der gleichen Aufsicht wie die Großbanken unterwerfen muss. Mit Erfolg, so scheint es. »Aus dem, was ich aus Brüssel, Washington und London höre, schließe ich, dass wir nach derzeitiger Definition nicht als systemrelevant gelten«, erklärte er vorvergangene Woche gegenüber Analysten. Janet Tavakoli kann darüber nur den Kopf schütteln: »Glauben Sie, wenn BlackRock taumelt, dass die Regierung den Koloss nicht auffängt?«

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%