Firmenjäger Wie Finanzinvestoren Einfluss auf auf Schulen und Unis nehmen

Von Finanzinvestoren kontrollierte Bildungskonzerne kaufen sich in Deutschland ein. Warum sie das tun, was sie an Schulen und Unis verändern.

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Finanzinvestoren investieren Quelle: dpa

Seit wann interessieren sich Finanzinvestoren für Schulen und Universitäten? 3i habe ein besonderes Interesse, „Forschung und Lehre im Bereich Private Equity zu fördern und somit auch das Verständnis für den gesellschaftlichen Beitrag dieser Finanzierungsform zu verbessern“, sagt Stephan Krümmer, Deutschland-Chef des britischen Finanzinvestors. Um dieses Verständnis zu verbessern, spendiert 3i der Frankfurter Universität eine Professur, überweist 1,2 Millionen Euro in den kommenden sechs Jahren. Uni-Präsident Rudolf Steinberg ist begeistert, Bildungsgewerkschaft GEW und Studentenvertreter weniger: „Ein als Heuschrecke in Verruf geratener Investor will sein Image aufbessern“, sagt David Malcharczyck, hochschulpolitischer Referent der Studentenvertretung AStA. Unternehmen nutzten die Chance, sich „für kleines Geld in die Wissenschaft einzukaufen“, kritisiert er.

1,2 Millionen Euro, gut angelegt für die Imagepflege, sind für einen milliardenschweren Finanzinvestor wie 3i tatsächlich kleines Geld. In erster Linie wollen die Investoren im deutschen Bildungswesen aber das tun, was sie auch sonst am liebsten machen – Geld verdienen. So kauften sich Fonds von KKR, in Deutschland mit Investments beim Dualen System, MTU Aero oder der Autowerkstättenkette ATU bekannt geworden, über den US-Bildungskonzern Laureate an der Fachhochschule Business and Information Technology School in Iserlohn (BiTS) ein. KKR und Citigroup Private Equity hatten Laureate 2007 für 3,7 Milliarden Dollar übernommen.

Übernommene Hochschulen werden unterschiedlich belastet

Das deutsche Beteiligungsunternehmen Auctus schluckte im vergangenen Jahr für einen zweistelligen Millionenbetrag die Mehrheit an der Fachhochschule (FH) Bad Honnef. Florian Schütz, ehemals Softwareunternehmer in München und jetzt Präsident der FH, hält eine Minderheitsbeteiligung. Wie Laureate wollen auch die Deutschen weiter expandieren.

Auctus-Geschäftsführer Ingo Krocke wehrt sich gegen das miese Image der meisten Finanzinvestoren, gegen den allzu oft belegbaren Vorwurf, übernommene Unternehmen würden mit Schulden überladen und ausgesaugt: „Natürlich wollen wir unsere Beteiligungen wieder mit Gewinn veräußern, aber wir belasten die übernommenen Hochschulen nur mit dem Zwei- bis Dreifachen ihres operativen Gewinns mit Schulden, bei größeren Private-Equity-Fonds ist dagegen das Vier- bis Achtfache üblich“, sagt Krocke.

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Ob ein so hoher Eigenkapitaleinsatz Branchenstandard ist, muss allerdings bezweifelt werden. Banken geben Privatuni-Käufern gern Kredit. „Einmal eingeschrieben, sorgen Studenten mit den laufenden Gebühren für einen über Jahre gut kalkulierbaren Cash-Flow. Viele Banken sind daher bereit, das Kreditlimit über das für Private Equity übliche Maß hinaus auszuweiten“, sagt Albert Savelberg, Geschäftsführer der Kölner Unternehmensberatung SSC Consult.

Noch teilen sich nur einige wenige Finanzinvestoren ein relativ kleines Stück vom deutschen Bildungsmarkt. Berater Savelberg aber glaubt, dass sich das bald ändern wird: „Deutschland bietet noch genügend attraktive Nischen für privatwirtschaftlich organisierte Schulen und Universitäten, die für ihre Expansionspläne frisches Kapital benötigen.“

Wenn sie kaufen, picken sich Finanzinvestoren gern die Rosinen raus. „Attraktiv sind insbesondere Studiengänge, die wenig Kapitalaufwand erfordern, weil sie fast ausschließlich auf Büchern beruhen, und gleichzeitig eine gut vermarktbare Nische versprechen“, sagt Ulrich Freitag, Geschäftsführer der BiTS in Iserlohn. Kostentreibende Fächer wie Medizin dagegen würden weiterhin dem Staat überlassen.

Vor allem die teuren medizinischen Studiengänge brachten die private Universität Witten-Herdecke in eine finanzielle Schieflage. Erst eine Finanzspritze der Düsseldorfer Unternehmensberatung Droege von zwölf Millionen Euro und zum Teil drastisch erhöhte Studiengebühren retteten die bekannte Privatuni vor dem Aus.

Investoren wollen nur Rendite

Flächendeckend und in allen Fächern dürfte Private-Equity-Kapital das Bildungsangebot in Deutschland wohl kaum verbessern. Axel Plünnecke, Bildungsforscher am Institut der Deutschen Wirtschaft, hält es ohnehin für nicht entscheidend, zusätzliches Kapital in das Bildungssystem zu stecken: „Pro Schüler und Student gibt Deutschland mehr als der OECD-Durchschnitt aus.“ Vielmehr müsse zunächst das Bildungssystem insgesamt effizienter werden.

Was Ausgaben und Einnahmen angeht, schaffen Finanzinvestoren wohl mehr Effizienz, bei einigen geht das aber auf Kosten der inhaltlichen Qualität. Immerhin: Beschwerden über böse Heuschrecken, die versuchen, sich in die Köpfe unserer Kinder hineinzuknabbern, sind absurd. Finanzinvestoren geht es schlicht um Rendite, Einflussnahme erfolgt über die Budgets der übernommenen Bildungsanbieter.

So wie beim Nachhilfeanbieter Schülerhilfe. Der US-Bildungskonzern Education Inc., der von Citigroup Private Equity und Sterling Partners kontrolliert wird, übernahm den Nachhilfe-Filialisten 1998 für 31 Millionen Dollar. Anschließend führte er ein straffes Controlling-System ein, das die bundesweit 1100 Franchise-Nehmer auf Trab hält. Immer wieder gibt es Beschwerden von Schülern und Lehrern, die Klassen seien als Folge des Kostendrucks zu groß, um eine effektive Nachhilfe gewährleisten zu können.

Die Schülerhilfe dagegen sieht die Missstände als längst behoben an. „Als die Gründer 1998 verkaufen wollten, schraubten sie die Klassenstärke stellenweise auf sieben bis acht Schüler hoch, um das Unternehmen attraktiver für Finanzinvestoren zu machen. Inzwischen haben wir aber die Klassenstärke wieder auf drei bis fünf Schüler reduziert“, sagt Schülerhilfe-Geschäftsführer Norbert Milte. Trotzdem kritisieren ehemalige Schülerhilfe-Mitarbeiter die teilweise zu großen Klassenstärken und die Unterrichtsqualität.

Auch beim Sprachschulenbetreiber Wall Street Institute weht seit drei Jahren ein wirtschaftlich schärferer Wind. Finanzinvestor Carlyle will unbedingt mit neuen Filialen mehr Umsatz machen. Wall Street Institute hat die Philosophie des neuen Eigners schon verinnerlicht. Auf der Internet-Seite der Sprachschule steht in der Selbstdarstellung: „Wall Street Institute versteht Sprachunterricht als Geschäft und entwickelte dafür ein erfolgreiches Geschäftsmodell, das sich auf aggressiven Vertrieb und Marketing konzentriert.“ Wall Street Institute belässt’s nicht nur bei Internet-Botschaften: In Berlin eröffneten im Dezember vergangenen und im März dieses Jahres zwei neue Filialen, bundesweit sind es derzeit 24. Sechs weitere Neueröffnungen sind in diesem Jahr noch geplant.

Wer expandieren will, ist auf Investoren angewiesen

Der Berliner Schulanbieter Phorms hat sich bisher von reinen Finanzinvestoren ferngehalten – vor allem, so der Vorstand, um sich die eigene unternehmerische Freiheit zu erhalten. „Zudem wären die Finanzierungskonditionen bei unserer Gründung von vor drei Jahren deutlich schlechter gewesen als jetzt“, sagt Phorms-Finanzvorstand Johannes Nagel. Nun allerdings muss Phorms notgedrungen seine Zurückhaltung gegenüber Beteiligungsunternehmen aufgeben. „Wenn wir, wie geplant, auf bundesweit 40 Standorte mit einem Investitionsvolumen von 50 bis 60 Millionen Euro wachsen wollen, ist das mit Geld unserer privaten Gründer nicht mehr zu machen“, sagt Nagel. Derzeit stehe Phorms mit mehreren Finanzinvestoren in Verhandlung.

Der ökonomische Druck, schnell zu expandieren, trieb Anfang des Jahres auch die vom ehemaligen Chef der Beteiligungsgesellschaft Gold-Zack, Dietrich Walther, gegründete Fachhochschule BiTS in die Arme des US-Bildungskonzerns Laureate. Nächster Schritt der Expansionsstrategie ist die Gründung eines zweiten Campus in Wittenberg. Doch auch in Iserlohn will die BiTS wachsen. „Derzeit unterrichten wir 720 Studenten, könnten aber 1000 bis 1200 aufnehmen“, sagt Geschäftsführer Ulrich Freitag.

Neben der Expansion arbeitet der Manager vor allem an der Effektivität der Fachhochschule. Neue Lehrkonzepte sollen die vorlesungsfreie Zeit besser auszunutzen. „Anders als eine staatliche FH können wir es uns nicht leisten, Gebäude monatelang leer stehen zu lassen oder Personal in lange Semesterferien zu schicken“, sagt Freitag. Effizienz sei nicht nur betriebswirtschaftlich notwendig, sie werde auch vom neuen Eigner eingefordert. „Solange die Zahlen stimmen, lässt uns Laureate bei unseren Konzepten freie Hand“, so Freitag.

Was Laureate und BiTS betriebswirtschaftlich für akzeptabel halten, lässt Freitag offen. Bernhard Peters, Vorstandschef des Hamburger Bildungskonzerns Educationtrend, wird dagegen konkreter: „Die von uns verwalteten Hochschulen sollen mittelfristig eine Umsatzrendite von durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr erwirtschaften.“ Educationtrend hat unter anderem die International University Bruchsal und die Hanseuniversität Rostock übernommen. Gefährlicher Kostendruck. So wichtig kaufmännisches Kalkül für das wirtschaftliche Überleben der privaten Schulen und Universitäten ist, so groß ist auch das Risiko für deren Ruf: Ziehen die Eigentümer die Effizienz-Schraube zu sehr an, bleibt die Qualität auf der Strecke.

Qualitäts- und Imageprobleme

Bestes Beispiel dafür ist das US-Bildungsunternehmen Apollo Group. Dessen Weiterbildungsangebote für mittlere Angestellte gelten in den USA als geistiges Fast Food. Absolventen von Apollo-Schulen haben Probleme, ihre Ausbildung an traditionellen Universitäten fortzusetzen, weil diese Apollo-Abschlüsse nicht anerkennen. Die von Apollo betriebene University of Phoenix ist nicht beim renommierten US-Schulverband AACSB akkreditiert.

Zu hohe Kosten, wenig Anerkennung – dies machte Apollo auch in Deutschland zu schaffen. Mit 2,7 Milliarden Dollar Umsatz 2007 ist Apollo einer der größten US-Bildungskonzerne, scheiterte jedoch, als er 2002 versuchte, zwei MBA-Schulen in Köln und Düsseldorf zu eröffnen: 25.000 Euro für einen MBA-Abschluss, bei dem Gefahr bestand, dass er der Karriere wenig nützt, war den meisten Interessenten zu teuer. Bevor der Lehrbetrieb richtig startete, zog sich Apollo aus Deutschland zurück.

Qualitäts- und Imageprobleme hinderten Finanzinvestor Carlyle allerdings nicht daran, mit Apollo das eine Milliarde Dollar schwere Gemeinschaftsunternehmen Apollo Global zu gründen. Das soll in Bildungsstätten investieren – allerdings nicht im schwierigen Deutschland, sondern in Asien und Lateinamerika.

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