
Am 1. Januar 2011 werden drei neue Aufsichtsichtsbehörden mit weitreichenden Kompetenzen ihre Arbeit aufnehmen, eine für Banken in London (EBA), eine für Versicherer in Frankfurt (EIOPA) und eine für Börsen in Paris (ESMA). Die alltägliche Finanzaufsicht wird weiterhin von den zuständigen nationalen Behörden ausgeübt. Gerät jedoch ein Finanzinstitut oder ein ganzer Markt in eine Krise, dann dürfen die EU-Behörden direkt Anweisungen an Marktteilnehmer erteilen.
Um dieses Durchgriffsrecht war lange gestritten worden. Auch die Bundesregierung wehrte sich lange dagegen, versteckte sich jedoch hinter Großbritannien, das bis zum Schluss jeden Machtverlust der eigenen Behörden verhindern wollte. Für das Europäische Parlament, wie übrigens auch für die Kommission, stellt das Durchgriffsrecht jedoch den entscheidenden Fortschritt gegenüber dem Status Quo dar. Bei den Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten konnten sich die Abgeordneten überraschenderweise durchsetzen.
Anfang 2011 geht es los
Geschickt hatten sie dabei den Zeitplan als Druckmittel genutzt. Ohne die Zustimmung der Abgeordneten hätten die drei Behörden nicht wie geplant zu Beginn des kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen können. Die Mitgliedsstaaten mussten den Kompromiss mit den Abgeordneten suchen, wollten sie bei der Terminplanung bleiben, die wichtig für die Außenwirkung ist. In allen Punkten konnten sich die Abgeordneten jedoch nicht durchsetzen. Sie hätten die europäische Aufsicht gerne an einem Standort zentralisiert, um die Kommunikation zu erleichtern. Da die drei europäischen Behörden aus bestehenden Komitees entstehen, und weder Frankreich noch Großbritannien auf den Sitz verzichten wollte, war dies allerdings nicht möglich.
Gegenüber dem bisherigen Nebeneinander der nationalen Aufsichtsbehörden ist der Beschluss ein Meilenstein. Als vor knapp zwei Jahren die Finanzmärkte nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ins Chaos taumelten, haben die EU-Mitgliedsstaaten unkoordiniert und oftmals lückenhaft informiert ihre Banken gerettet. Experten wiesen darauf hin, dass die Aufsichtsbehörden immer nur über einen Ausschnitt des Gesamtbildes verfügten.
Bei einer erneuten Krise würden nun die europäischen Behörden in Aktion treten und das Krisenmanagement übernehmen. Die nationalen Behörden sollen alle nötigen Informationen liefern, die zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden. Selbst Großbritannien hatte eingestanden, dass ein besserer Austausch zwischen den Aufsichtsbehörden wünschenswert sei. Ob eine Krise besteht, entscheiden die Mitgliedsstaaten übrigens selbst. An dieser Stelle sehen Kritiker ein mögliches Schlupfloch.
Ein Meilenstein
Außerhalb von Krisenzeiten sollen die Aufsichtsbehörden dafür sorgen, dass das Aufsichtsrecht in den EU Staaten einheitlich angewendet wird. Vor zwei Jahren gab es zahlreiche Anzeichen, dass das bisher nicht der Fall war. Die Vereinheitlichung wird von den europäischen Großbanken, die in mehreren Ländern aktiv sind, begrüßt. Sie erwarten Einsparungen, weil sie ihre internen Abläufe vereinfachen können, wenn die Aufsichtsbehörde in jedem Land dieselben Anforderungen stellt.
Mittelfristig dürfte die Macht der drei Behörden wachsen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat betont, dass der Aufbau der drei Behörden als „erster Schritt“ zu verstehen sei. Denkbar wäre beispielsweise, dass die Börsenaufsicht ESMA die Möglichkeit bekommt, Leerverkäufe zu verbieten.
Bei ihrem Treffen haben die EU-Finanzminister heute auch vereinbart, dass Mitgliedsstaaten ihre Haushaltspläne im April des Vorjahrs in Brüssel zur gemeinsamen Betrachtung einhalten sollen. Dieser Mechanismus, „Haushaltssemester genannt“, soll Mitgliedsstaaten zur Haushaltsdisziplin anhalten. Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncker hatte seit fünf Jahren für ein solches Vorgehen geworben.