Geldanlage Dividende: Bier statt Bargeld

Ausschüttung wörtlich genommen: Wie Anleger sich in Unternehmen einkaufen, deren Naturaldividenden trink- oder essbar sind.

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Bedienung in einem Festzelt Quelle: AP

Jedes Jahr im Spätsommer durchstreift Brigitte Scharf mit Eimer und Schere die steilen Hänge, hangelt sich an den Rebstöcken nach oben. Frühmorgens liegt noch Tau auf den prallen Früchten. „Der milde Duft der reifen Trauben liegt in der Luft, ich sehe die Weinberge rundherum, die kleine Stadt Zell und die Mosel, wie sie ihre Windungen macht – und dann der Gedanke: Das ist meins, da hab’ ich meine Hände drin“, sagt die 58-Jährige. Die Chefsekretärin hat sich lebenslang an Reben beteiligt. 2004 steckte sie 150 Euro in eine Weinberg-Aktie an der Mosel.

Das Wort Ausschüttung darf sie seither wörtlich nehmen: Als Dividende für ihre persönliche Rebe bekommt sie jedes Jahr ein Fläschchen Riesling. Die Trauben für den Rebsaft erntet sie eigenhändig.

Die meisten Anleger streuen ihr Vermögen – nicht alle stecken dabei ihr Geld nur in anonyme Fonds. Einige schauen lieber vor Ort bei ihren Investments nach dem Rechten – und fahren mitunter bis nach Uganda. Sie investieren Geld in regionale Projekte, die Naturalien ausschütten. Sonne und Regen, Hitze und Frost sind für das Gedeihen dieser Investments wichtiger als Konjunkturverlauf und Zinsentwicklung.

Ihre Dividende? Zwei Formel-1-Rennautos aus Schokolade, Kaffee von eigenen Bäumen in Afrika, Käse von Kühen, die im Allgäu grasen – oder frisch gebrautes Bier. Genuss, der allerdings wie üblich bei Dividenden, nicht steuerfrei ist: „Der Verbraucher muss seinen Kasten Bier ganz normal wie eine Dividende besteuern. Das heißt der Anleger bezahlt die Abgeltungsteuer, den Solidaritätszuschlag und unter Umständen die Kirchensteuer – und zwar auf den ganz normalen Verkaufspreis der Ware. Das ausschüttende Unternehmen muss das Geld direkt an das Finanzamt bezahlen“, sagt Thomas Elser, Steuerberater bei Linklaters in München.

Der ideelle Wert steht im Vordergrund

Doch das dürfte den meisten egal sein. Bei den Natural-Anlagen steht der ideelle Wert im Vordergrund. So haben viele der rund 1520 Aktionäre der MW-Mosel-Weinberg Aktiengesellschaft eine persönliche Bindung zum Projekt. „Als wir an der Mosel Hochwasser hatten, kamen selbst Anrufe aus Japan. Die Leute wollten wissen, ob es uns und dem Weinberg gut geht“, sagt der 67-jährige Mitgründer und Winzer Adolf Schmitt.

2320 Aktien verkaufte die MW-Mosel-Weinberg Aktiengesellschaft seit dem Jahr 1997. In 23 Ländern nennen Anteilseigner einen Weinstock an Mosel oder Saar ihr Eigen. Prominenteste Kunden: der ehemalige japanische Ministerpräsident Koizumi und Schlagersänger Udo Jürgens. Fan Schmitt schenkte dem Sänger 1997 eine Aktie. „Ich habe mal geträumt, dass er statt vom griechischen Wein vom Mosel-Riesling singt.“

Wermutstropfen: Trotz prominenter Kundschaft schreibt das Projekt bis heute rote Zahlen – auch weil rund ein Drittel der Ernte als Dividende weggeht und den Aktionären die Weine mit 25 Prozent Rabatt verkauft werden. Anleger, die ein derartiges Projekt unterstützen, sollten sich, wie Brigitte Scharf, am besten vor Ort ein Bild machen: Vor Missernten und Bankrott sind auch Liebhaberprojekte nicht gefeit – und viele sind finanziell nicht gerade üppig gepolstert.

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