Kommunist Mao Tse-tung würde sich einmal mehr im Grab umdrehen: China, mit 4,6 Billionen Dollar Börsenwert nach den USA der zweitgrößte Aktienmarkt der Welt, öffnet seine Festlandsbörsen in Shanghai und Shenzhen jetzt auch noch für ausländische Kapitalisten. Über das Projekt Stock Connect können sie täglich chinesische Festlandsaktien („A-Aktien“) ordern.
Bisher waren die für ausländische Anleger tabu, nur „qualifizierte Investoren“ durften chinesische Aktien kaufen – in Deutschland die Deutsche Bank, Commerzbank und Bankhaus Metzler für insgesamt müde 675 Millionen Dollar. Chinas Staatskapitalisten kontrollierten dabei genau, forderten kistenweise Unterlagen und immer Begründungen für Investments in ihre Unternehmen.
Stock Connect könnte ein Dammbruch sein, der erste Schritt zu offenen Börsen und einer frei handelbaren Währung, die mit Euro und Dollar konkurriert. Lange hat’s gedauert: „Seit vielen Jahren waren die chinesischen Behörden uneins darüber, ob Ausländer von der inländischen Kapitalertragsteuer befreit werden sollten oder nicht“, sagt Yanling Zhu, die das Chinageschäft beim Bankhaus Metzler betreut. Erst zum 17. November wurden ausländische Investoren von der Steuer befreit, Stock Connect konnte starten. Auch deutsche Privatanleger können jetzt also chinesische Festlandsaktien handeln.
Ein Triumph der Globalisierung? Gemach. Denn der Teufel steckt im Detail. Der Zugang zur Börse in Shanghai via Stock Connect ist nur über den Umweg Hongkong möglich. Dort werden Bestellungen ausländischer Investoren gesammelt, insgesamt dürfen sie täglich nur ein Volumen von 1,7 Milliarden Euro handeln. Zugang haben deutsche Normalanleger bisher nur über den weitgehend unbekannten Online-Broker Lynx.
Während wir im Internet heute weltweit jedes Produkt bestellen und mittels Kreditkarte oder Zahldiensten wie PayPal bezahlen können, ist der technische Fortschritt noch nicht bis aufs Parkett der Börsensäle und in die Systeme der Banken vorgedrungen.
Die meisten Märkte in Asien und Lateinamerika sind kaum zugänglich, von Afrika ganz zu schweigen. „In Afrika findet man teilweise noch Börsen, in denen die Kurse per Hand angeschrieben werden, ein elektronischer Zugang ist dort nicht möglich“, sagt Lutz Röhmeyer, der für den Weltzins Invest-Fonds der LBB Invest weltweit in Schwellenländern anlegt.
Der globale Aktienmarkt, technisch ohne Weiteres möglich, bleibt eine Vision. Gerrit Fey, Kapitalmarktexperte vom Deutschen Aktieninstitut, der Lobby der börsennotierten Unternehmen, sieht auch keinen Weg hin zu einem global vernetzten Börsenplatz. Zu sehr hielten die einzelnen Länder an ihren Regeln fest. Fey: „Es gibt technisch und regulatorisch zu viele Hindernisse, man müsste auf dem Reißbrett den globalen Kapitalmarkt völlig neu entwickeln.“
Nur gut 30 Länder stehen deutschen Privatanlegern überhaupt zur Auswahl. Das zeigt eine Auswertung der WirtschaftsWoche unter den sechs deutschen Online-Brokern, die die meisten ausländischen Handelsplätze im Angebot haben. Aber auch wer sich an diese Börsen traut, muss oft hohe Kosten einrechnen, in Einzelfällen über zehn Prozent des Auftragswerts.
Immerhin: Es gibt Alternativen. Auch an deutschen Börsen werden Auslandsaktien gehandelt, zum Teil auch in Form von Hinterlegungsscheinen, die Rechte an ausländischen Aktien verbriefen. Die WirtschaftsWoche zeigt, was Anleger, die Auslandsaktien ordern wollen, beachten sollten.