




Aktien sind nicht wirklich populär, wie 1999/2000, in sofern unterscheidet sich die aktuelle Börsen-Hochzeit deutlich vom Internethype der Jahrtausendwende. Heute kaufen die meisten Anleger Aktien eher wider Willen: Weil es bei Zinspapieren und auf Bankkonten kaum noch Zinsen gibt, trauen sich auch konservative Anleger wieder in den Aktienmarkt, wenn auch nur in kleinen Schritten und sehr selektiv. Diese gesunde Skepsis ist ein gutes Zeichen, verhindert sie doch, dass breite Anlegerschichten euphorisch werden und alles auf einmal in schnell steigende Aktien stecken, also eine Spekulationsblase aufpumpen.
Zudem gilt nach wie vor: Am Anlagenotstand konservativer Anleger hat sich durch die jüngsten Zins-Turbulenzen nichts geändert. Wer eine Rendite erwirtschaften möchte oder muss, die nach Abzug aller Gebühren, Steuern und der allgemeinen Inflation noch über der Nulllinie liegt, kommt an Aktien eigentlich nicht vorbei, es sei denn, er nennt zufällig eine gut vermietete Immobilie oder eine private Unternehmensbeteiligung sein Eigen.
Wer als Ottonormalanleger neues Geld anzulegen hat, braucht also Aktien. Die durchschnittliche Dividendenrendite im Dax liegt derzeit bei 2,9 Prozent; das ist mehr als das Doppelte dessen, was sich mit halbwegs auffallsicheren Anleihen oder Tagesgeldkonten verdienen lässt. Der Slogan „Dividende ist der neue Zins“ ist in den vergangenen Wochen daher populär geworden. Doch Vorsicht: das suggeriert eine Art Sicherheit, die es an der Börse niemals gibt. Auch Zinstief, Anlagenotstand und gute Dividenden sind keine Garantien gegen Kursverluste.
Denn die Risiken am Aktienmarkt sind bereits hoch. Die Bewertung, etwa nach Kriterien wie Börsenwert zum Vermögen der Unternehmen (Kurs-Buchwert), Börsenwert zu Cash Flow oder Börsenwert zu Gewinn (KGV) sind zwar noch nicht ganz auf dem Niveau von 2000, aber auf dem Weg dorthin und jedenfalls weit über dem langjährigen Durchschnitt.
Die Konjunktur schwächelt, und liefert allenfalls ein moderates Umsatzwachstum für die meisten börsennotierten Unternehmen. Da sie ihre Gewinnmargen mit allerhand Spar- und Effizienzprogrammen schon ausgereizt haben und an der Börse nun mal die Gewinne und Dividenden von morgen gekauft werden, sind die fundamentalen Treiber für Aktien weitgehend ausgereizt. Was die seit 2012 maßgeblich angetrieben hat, war das Geld der Anleger, was sich in den Bewertungen zeigt, die deutlich schneller gestiegen sind als die Gewinne.
Nun kann andererseits niemand erwarten, dass ausgerechnet Aktien günstig sind, während Anleihen, Häuser und Bankkonten allesamt nichts mehr einbringen. Einen Teil der Bewertung kann man also abziehen, wegen der Schwäche der Alternativen zur Aktie.
Aber Aktien unterliegen stärkeren Schwankungen als diese Alternativen. Auch ohne dramatische Krisen wie eine neue Eurokrise oder eine weltweite Rezession sind daher auf dem aktuell hohen Kursniveau jederzeit heftige Einbrüche möglich. Je nach Stimmung um 10, 20 oder 30 Prozent. Zudem ist die aktuelle Hausse bereits eine der längsten der Börsengeschichte. die US-Konjunktur, immer noch wichtigster fundamentaler Treiber der Kurse, ist seit 1830 noch nie länger als zehn Jahre am Stück gewachsen; derzeit wächst sie seit dem zweiten Quartal 2009, also seit sechs Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass in den kommenden fünf Jahren ein konjunktureller Einbruch kommt, ist also hoch; ein solcher würde mit Sicherheit zu Kursverlusten führen.