Die Börsenpreise fließen in die Kalkulationen der Landwirte, Agrarkonzerne und Lebensmittelhersteller ein. Zusätzlich preisbestimmend sind Transportkosten sowie Angebot und Nachfrage am Ort der Produktion. Funktionieren die Marktmechanismen, bleibt ein Teil der gestiegenen Getreidepreise bei den Landwirten hängen.
Derzeit profitieren vor allem Bauern in Westeuropa. Deren Äcker blieben weitgehend von Trockenheit verschont, gute Erträge stehen ins Haus. Getreide können sie zu höheren Preisen vermarkten, und es bleibt ihnen mehr Geld für Landmaschinen, Saatgut, Dünger und Pflanzenschutz. Davon wiederum profitieren agrarnahe Unternehmen und deren Kurse. So legte die Aktie des Schweizer Pflanzenschutzherstellers Syngenta seit Ende November um 32 Prozent zu. Die Aktie des norwegische Düngemittelkonzerns Yara International (WirtschaftsWoche 21/2012) stieg allein seit Mai um rund ein Drittel.
Sehnsucht nach Sachwerten
Neben steigenden Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen treibt auch die neue Landlust, die Sehnsucht vieler Investoren nach fassbaren Werten, Anlegergelder in den Agrarsektor. Denn wer Agraraktien kauft, investiert in harte Sachwerte – Ackerland, Viehweiden, Ölmühlen, Silos und Hafenanlagen – und nicht in schuldenüberbordete Währungen wie Dollar, Euro oder Yen. Der Euro etwa wertete gegenüber Land deutlich ab: 2005 kostete der verkaufte Hektar Acker- und Weideland in Deutschland noch 8692 Euro, im vergangenen Jahr waren es schon 13.493. Nominal ist das ein Plus von 55 Prozent, inflationsbereinigt immerhin noch von 47 Prozent.
Hinzu kommt: Die Preise der Agraraktien schwanken deutlich weniger heftig als die der Agrarrohstoffe. Über Zertifikate ermöglichen Banken zwar auch Privatanlegern, auf Weizen, Zucker, Mais oder Orangensaft zu wetten. Deren Preise und damit die der oft kostenintensiven Zertifikate aber brechen häufig nach einer kurzen Rally schnell wieder ein. Zudem zahlen die meisten Agrarunternehmen auch ordentliche Dividenden, jährliche Einnahmen also, die Orangensaft nicht abwirft.
Agrarrohstoffe folgen einem typischen Zyklus: Fallen Ernten schlechter aus als erwartet, steigen die Preise. In der Folge wird in den kommenden Jahren mehr investiert in Land, Maschinen, Dünger und Transportwege – bis die Produktion steigt und die Preise sich normalisieren. Bis jedoch mehr Geld in die Landwirtschaft fließt, kann es mitunter Jahre dauern. Derweil leiden vor allem die Menschen in Entwicklungsländern unter steigenden Lebensmittelpreisen, weil sie ein Großteil ihres Budgets für Nahrung ausgeben müssen. Wetten auf Agrarrohstoffe sind daher moralisch umstritten.
„Exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln auf den Finanzmärkten verschärft Preisspitzen auf den realen Märkten und trägt somit zu Hunger und Armut der schwächsten Gruppen in den Entwicklungsländern bei“, sagt Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung bei den Grünen im Bundestag.